US Open
Belinda Bencic wartet weiter auf ihren ersten Grand-Slam-Titel: «Meine ganze Karriere ist chaotisch»

Sie ist Olympiasiegerin und war die Nummer 4 der Welt. Auf ihren ersten Grand-Slam-Titel wartet Belinda Bencic aber noch immer.

Simon Häring
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Mit 15 gab sie ihr Profi-Debüt, mit 16 war sie die beste Juniorin der Welt, gewann die French Open und in Wimbledon, mit 17 stand sie bei den US Open in den Viertelfinals, mit 18 war sie die Nummer 7 der Welt.

Belinda Bencic

Belinda Bencic

Nathan Denette / AP

Es war keine Frage ob, sondern nur noch wann Belinda Bencic ihr erstes Grand-Slam-Turnier gewinnen würde. Es kam anders.

Belinda Bencic etablierte sich in der Weltspitze, gewann fünf Turniere und krönte sich 2021 zur Olympiasiegerin. Der Triumph in Tokio sollte ihrer Karriere Schub verleihen. Sie habe nun einen Erfolg in ihrem Palmarès, der ihr Druck nehme und Gelassenheit verleihe. Eine Mixtur, von der sie glaubte, dass er ihr zu Höhenflügen verhelfen könnte – und zum Triumph bei einem Grand-Slam-Turnier, von dem ihr Vater Ivan schon träumte, als er seiner zweijährigen Tochter auf dem Garagenplatz Bälle zuwarf.

2014 erreichte Belinda Bencic bei den US Open 17-jährig die Viertelfinals.

2014 erreichte Belinda Bencic bei den US Open 17-jährig die Viertelfinals.

Keystone

Turniersieg auf Sand, Ernüchterung auf Rasen

Was auf den Olympiasieg (und den Viertelfinalvorstoss bei den US Open 2021 folgte), war kein Höhenflug, sondern Ernüchterung: Zweite Runde bei den Australian Open, dritte Runde bei den French Open, Aus in der ersten Runde bei ihrem Lieblingsturnier in Wimbledon. Dazwischen im April der Turniersieg in Charleston, der erste auf Sand. Der Triumph in Tokio ist der Moment, der ihre Karriere definiert. Verändert hat er den weiteren Verlauf nicht. Es bleibt ein stetiges Auf und Ab, auch in diesem Herbst.

Auf den Viertelfinal in Toronto, wo sie Serena Williams in deren erstem Spiel nach der Ankündigung des Rücktritts besiegte, folgte eine Niederlage in der ersten Runde von Cincinnati und die Bestätigung, keine Gewissheit zu haben. Bencic stellt das nicht in Abrede, sie sagt:

«Nicht nur diese Saison, sondern meine Karriere ist chaotisch. Ich wäre gerne konstanter, ich möchte das verbessern. Aber man kann das nicht alleine kontrollieren. Die Qualität an der Spitze ist einfach riesig. Man kann ein Turnier gewinnen und dann in den nächsten beiden in der ersten Runde verlieren.»

Wie zuletzt in Cincinnati, als sie an der Rumänin Sorana Cirstea scheiterte. Bencic wäre nicht Bencic, wenn sie darin nicht auch Vorteile sehen würde. Sie weile dadurch bereits seit anderthalb Wochen in New York und habe gut trainiert. «Ich liebe New York. Für viele ist es zu chaotisch», sagt sie.

Zwei Mal gegen spätere Turniersiegerin verloren

Das Chaos als ihr ständiger Begleiter? Eher Antrieb, sagt die 25-Jährige. «Mir gibt es Energie.» Wenn sie von der Anlage in Flushing Meadows im Stadtteil Queens in Richtung Manhattan fahre, helfe das, abzuschalten, «weil ich nicht dauernd an Tennis denke, nicht nahe am Geschehen bin und der Versuchung erliege, alle Spiele zu schauen», sagt Bencic.

Was in der Theorie Sinn ergibt, zeigt sich in ihrem Fall auch in der Praxis. Bei keinem Grand-Slam-Turnier sind Bencics Resultate besser als in New York. Neben den beiden Viertelfinals 2014 und 2021 sorgte sie mit dem Halbfinalvorstoss 2019 für ihr bestes Resultat auf dieser Stufe. Bei ihren letzten zwei Teilnahmen – 2020 verzichtete sie während der Pandemie auf die Reise nach New York – verlor Bencic jeweils gegen die spätere Siegerin – 2019 gegen die Kanadierin Bianca Andreescu, als sie nur 3 von 13 (!) Breakchancen nutzen konnte und 2021 gegen die Qualifikantin Emma Raducanu, gegen die sie als Favoritin in die Partie gegangen war.

Endstation Viertelfinal für Bencic bei den US Open 2021.

US Open

Ob Pech oder Unvermögen, das Fazit bleibt: Der Grosserfolg an den Olympischen Spielen, wo sie nicht nur Einzelgold, sondern auch Silber im Doppel gewann, reiht sich in eine Karriere der Höhen und Tiefen ein und hat nicht für Konstanz gesorgt. Wieder scheint alles möglich: Vom Turniersieg bis zum Aus in der Startrunde. Dort trifft Bencic auf die Deutsche Andrea Petkovic (34, WTA 104), die nach den US Open wohl zurücktritt und mit der Bencic vor der Auslosung noch trainiert hatte.