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An der Europameisterschaft in Luzern zählt der einstige Schwimmer Oliver Zeidler zu den grossen Favoriten. Unterstützt wird er dabei von Grossvater Hans-Johann Färber, der 1972 Olympisches Gold holte, – und einst ebenfalls auf dem Rotsee siegte.
Olivier Zeidler sticht heraus aus dem Ruderbootmeer am Rotsee. 203 Zentimeter ist er lang, sein Körper ist imposant, die blonden Haare leuchten. Ähnlich spektakulär wie sein Erscheinungsbild ist auch sein Werdegang. Zeidler ist nämlich ein untypischer Ruderer. Noch vor drei Jahren war er der beste deutsche Schwimmer seines Jahrgangs, dann wechselte er die Sportart. Im Rudern ist er der Senkrechtstarter schlechthin. Im letzten Jahr holte er sich den Gesamtweltcup im Einer, auch bei den Europameisterschaften auf dem Rotsee zählt er zu den Topfavoriten.
Dass Zeidler so spät zum Rudern kam, überrascht. Denn er stammt aus einer richtigen Ruderer-Familie. Vater Heino Zeidler war WM-Vierter, Onkel Mathias Ungemach Weltmeister, Tante Judith Zeidler Olympiasieger im Achter. Der erfolgreichste der Familie ist aber der Grossvater, Hans-Johann Färber, der im Deutschen Vierer mit Steuermann fast alles gewann. Er war Teil des legendären «Bären-Vierers», der 1972 Olympiasieger wurde. Auch auf dem Rotsee war er sehr erfolgreich: Achtmal war er am Start, immer holte er eine Medaille. «Die Erinnerungen sind also super», sagt er und lacht.
Färber unterstützt seinen Enkel bei der Europameisterschaft und ist begeistert. «Ich finde es super, wie er das macht», sagt Färber. Das Lob bedeutet Oliver Zeidler viel. «Es gibt ja Mama- oder Vaterkinder, ich bin ein Opa-Kind» meint Zeidler. «Mein Opa hat mich an viele Orte mitgenommen und mich mit der Sportbegeisterung inspiriert. Für mich war früh klar, dass ich irgendwann an den Olympischen Spielen dabei sein möchte.» Er setzte zunächst auf Schwimmen, Rudern war dagegen nichts für ihn. «Als er mit etwa 12 das erste Mal im Ruderboot sass, kippte er nach zwei Schlägen um», erzählt der Grossvater. «Danach bin ich lieber gerade im Wasser geblieben», ergänzt Zeidler lachend.
Dass er nun dennoch zu den weltbesten Ruderer zählt, verdankt Oliver Zeidler seiner jüngeren Schwester Marie-Sophie, die am Rotsee als Ersatzfahrerin ebenfalls dabei ist. Sie startete 2016 an der Junioren-Weltmeisterschaft, Oliver Zeidler schaute sich die Wettkämpfe an – und ihm gefiel es. Er bestritt noch zwei, drei Schwimm-Wettkämpfe, ehe er umsattelte. Wie erklärt Oliver Zeidler selber den raschen Erfolg? «Ich habe den Vorteil, dass ich das Gefühl fürs Wasser schon vom Schwimmen her hatte. Zudem sind beim Schwimmen und beim Rudern ähnliche Attribute wie Kraft und Ausdauer gefordert.» Und bestimmt habe Oliver auch die richtige Genetik, merkt sein ebenfalls gross gewachsener Grossvater an. Nun zählt Zeidler zu den Topfavoriten auf dem Rotsee. Seine Ambitionen unterstrich er mit einem überzeugenden Auftritt im Vorlauf gestern. Er siegte überlegen vor dem Schweizer Nico Stahlberg. Den EM-Titel will Zeidler auf dem Weg in Richtung Olympische Spiele mitnehmen. Im Vorjahr hatte er am Weltcup auf dem Rotsee den 2. Rang belegt. Er erhielt also eine Medaille, wie sie ihm sein Grossvater einst schenkte, als er noch ein Kind war. Diese Medaille ist heute genau 50 Jahre alt.
Anders als sein Grossvater, der jeweils im Vierer mit Steuermann grosse Erfolge feierte, ist Zeidler alleine am Start. Das habe sich so ergeben. Denn die andern Spitzenruderer Deutschlands trainieren in Hamburg, das wollte Zeidler nicht. Er blieb in seiner Heimat München, wo er neben dem Rudern noch ein «normales Leben» hat. Zeidler macht eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten und absolviert daneben den Bachelor im Bereich Steuerrecht. Der Fokus liegt im Moment aber auf dem Sport. Das grosse Ziel: Tokio 2020, wo er den Gewinn der Olympia-Gold-Medaille seines Grossvaters wiederholen möchte.
Wer würde eigentlich ein Duell zwischen dem Enkel und dem Grossvater in Bestform gewinnen? «Schwierig. Unsere Boote waren nicht auf dem heutigen Niveau», sagt Färber. «Physisch waren wir aber schon sehr gut. Aber ich glaube, gegen Oliver in seiner jetzigen Form hätte ich schon grosse Mühe gehabt.»