WM-Barrage
Musica, maestro: Wie es Europameister Italien doch noch an die Weltmeisterschaft schaffen will

Europameister Italien kämpft vor dem WM-Barrage-Spiel gegen Nordmazedonien mit personellen Problemen.

Lukas Plaschy, Rom
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Italiens Emerson Palmieri hofft noch auf die WM-Qualifikation.

Italiens Emerson Palmieri hofft noch auf die WM-Qualifikation.

EPA

Italiens erfolgreiche EM-Endrunde im letzten Sommer wurde von einem vielfältigen musikalischen Soundrack untermalt. «Notti magiche», der WM-Song von 1990, interpretiert von Gianna Nannini und Edoardo Bennato erlebte ein Revival. Lorenzo Insigne, Captain der SSC Napoli und bei der Squadra Azzurra als DJ tätig, legte nicht nur aus Liebe zu seiner Stadt vorwiegend neapolitanische Musik auf. Nationaltrainer Roberto Mancini hingegen hatte ein Faible für die kurz vor Italiens Finaleinzug verstorbene Raffaella Carrà. Die Sängerin, Moderatorin und Schauspielerin gehörte seit den 1970er Jahren zu den populärsten TV-Stars im Bel Paese.

Gut möglich, dass sich Mancini in diesen Tagen von Carràs Hit «Ma che musica maestro» inspirieren lässt. Im fröhlich-lockeren Lied geht es um ein grosses Fest und einer dazu gehörenden Parade. Den direkten Zugang zum Festschmaus, in diesem Falle zur WM in Katar, hatte sich Mancinis Elf im letzten November mit dürftigen Auftritten gegen die Schweiz und Nordirland verspielt. Damit der amtierende Europameister im kommenden November doch noch an den Persischen Golf reisen kann, bedarf es in den Playoffs zweier Siege. Als «Partykiller» warten am Donnerstag Nordmazedonien und am nächsten Dienstag der Gewinner der Partie Türkei gegen Portugal.

Mancini siegessicher

Für den «Commissario Technico» steht viel auf dem Spiel. Zwar ist die Popularität des 57-jährigen Mancini seit der Euro im ganzen Land riesig. Sollte der vierfache Weltmeister Italien erneut die WM verpassen (2018 scheiterte Mancinis Vorgänger Gian Piero Ventura in der Barrage an Schweden), wäre dies für den erfolgsverwöhnten Strahlemann und Dandy der italienischen Trainergilde ein arger Reputationsschaden.

Ist zwar noch immer sehr populär, doch für Roberto Mancini steht dennoch einiges auf dem Spiel.

Ist zwar noch immer sehr populär, doch für Roberto Mancini steht dennoch einiges auf dem Spiel.

AP

Nach aussen hin gibt sich der Ex-Inter Mailand und Manchester City-Coach cool wie immer. Mancini meinte gar, dass der WM-Titel das Ziel sein müsse. Vor dem heutigen Match im mit 30'000 Zuschauer ausverkauften «Renzo Barbera» von Palermo wiederholte «Il Mancio» noch einmal seine Botschaft. «Ich bin zuversichtlich, denn ich glaube an meine Spieler.»

Sein Team soll wie immer spielerisch dominieren. Dem Gegner das Spiel aufzuzwingen sei «die Basis und der Schlüssel zum Erfolg». Nicht alle im Land teilen Mancinis Optimismus. «Italia, come stai?», fragte sich etwa die «Gazzetta dello Sport» sorgenvoll und verwies auf mehrere Baustellen der italienischen Elf.

Wer schiesst die Tore?

Mit Giovanni di Lorenzo und Leonardo Spinazzola fehlen verletzungshalber beide EM-Aussenläufer. Auch das routinierte Innenverteidiger-Duo Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci plagen physische Probleme. Beim fast 38-jährigen Teamcaptain Chiellini macht sich das Alter zunehmend bemerkbar. Gut möglich, dass Mancini den alten Haudegen gegen Nordmazedonien schonen wird, um ihn dann bei einem allfälligen Finalspiel gegen Portugal fit zu haben.

Sein Klubkollege und Zimmergenosse Bonucci absolvierte in den letzten drei Monaten gerade mal vier Spiele für Juventus. Um die Form von EM-Finalheld Gianluigi Donnarumma steht es ebenfalls nicht zum Besten. Seit seinem viel diskutierten, unschönen Abgang von Milan stand der 23-jährige Goalie bei Paris St. Germain erst 19-mal in der Startaufstellung. Zuletzt kassierte «Gigio» in zwei Partien gleich sechs Gegentreffer und war mit einem kapitalen Fehler im Champions-League-Achtelfinale gegen Real Madrid hauptverantwortlich für das erneut frühe Out der Franzosen.

Schwächelte zuletzt im Klub: Europameister-Goalie Gianluigi Donnarumma.

Schwächelte zuletzt im Klub: Europameister-Goalie Gianluigi Donnarumma.

Christophe Petit Tesson / EPA

Die Qualifikationsspiele im letzten Herbst zeigten zudem, dass es der Offensive an Durchschlagskraft fehlt. Gute (einheimische) Stürmer sind in der Serie-A ein rares Gut. Juves Federico Chiesa fällt mit einem Kreuzbandriss für den Rest der Saison aus. Insige kämpft zwar mit Napoli um den Titel, steckt aber seit Wochen in einem Formtief. Domenico Berardi und Gianluca Scammacca sind zwar in Form. Ihnen fehlt beim Provinzclub Sassuolo aber die internationale Erfahrung. Bleibt noch Lazios Ciro Immobile, mit 21 Toren erneut Serie-A-Topscorer. Im Nationalteam plagen den 32-jährigen Blondschopf jedoch immer wieder Ladehemmungen.

Das Reservoir an valabeln, einheimischen Angreifern ist so dünn, dass Mancini sich sogar überlegte, den mittlerweile beim türkischen Aufsteiger Adana Demirsport engagierten Mario Balotelli zu selektionieren. Stattdessen berief Mancini den unlängst eingebürgerten dreissigjährigen Brasilianer João Pedro von Cagliari in den Kader. Der stolzen italienischen Fussballnation wird es sicher egal sein, wenn die WM-Teilnahme zur Not mit rhythmischen Sambaklängen gefeiert würde.