Am Leichtathletik-WM-Final-Wochenende stehen auch drei Innerschweizerinnen im Einsatz: Géraldine Frey mit der hochambitionierten 4x100-m-Staffel, Silke Lemmens und Julia Niederberger über 4x400 m. Für die Nidwaldnerin Julia Niederberger ist es die erste WM. Es ist eine erstaunliche Premiere.
Olympia-Vierte und WM-Vierte ist das Schweizer Frauen-Sprint-Quartett bereits geworden. Und fast selbstredend ist damit, dass die Equipe um Mujinga Kambundji und Ajla Del Ponte in der Evening Session am Freitag und am Samstag einen weiteren Anlauf in Richtung Podest nehmen wird. Aus Innerschweizer Sicht wichtig dabei: Mit Saisonaufsteigerin Géraldine Frey wird erstmals eine Innerschweizerin an dieser «grossen Vision» mitarbeiten. Die 25-Jährige hat sich neu in die Formation vorgearbeitet. Sie leistete beim Schweizer-Sieg am Diamond League Meeting in Stockholm in der Jahresweltbestzeit von 42,13 Sekunden ihren Beitrag als Startläuferin. Jetzt kann sie sich nach ihrer WM-Premiere als Einzel-Läuferin auch (oder vor allem) mit der Staffel profilieren.
Über 4x400 m sind Ambitionen des Schweizer Teams in Richtung Medaillen illusorisch. Bestmöglich präsentieren will sich die Equipe um die Baarerin Silke Lemmens dennoch. Und eine kommt dabei zu einer erstaunlichen Premiere auf dieser Ebene: Julia Niederberger, die 22-Jährige aus Buochs von der LA Nidwalden.
Schon letzten Freitag, am Eröffnungstag der WM, erreichte Julia Niederberger die US-Westküste. «Ich hatte im Vorfeld Respekt, ja fast Angst, ich würde mir in diesem Umfeld verloren vorkommen», sagt sie. Auf viele Bekannte und Vertraute traf sie nicht. «Die meisten Gesichter kannte ich vom TV», sagt sie. Jetzt hat sich dies geändert. Gelegenheit zu persönlichem Austausch ergab sich etwa ganz unkompliziert am Frühstücksbuffet. «Auf mich wirkte und wirkt das extrem motivierend», sagt Niederberger.
Noch vor einem Jahr hätte sich Julia Niederberger eine solche Startmöglichkeit kaum vorstellen können. Markante Steigerungen der Athletin über 400 m, aber auch über die Unterdistanzen 200 m und 100 m, haben neue Perspektiven eröffnet. Einige Werte unterstreichen dies. Ende Sommer 2021 stand sie mit 54,32 Sekunden in der Bestenliste. Position 12 nahm die Polygrafin damit ein in der Schweizer Hierarchie.
Bereits im Winter deutete sie die Entwicklung an: Sie steigerte sich auf der engen Hallenbahn auf 53,87. Und jetzt im Frühling/Sommer ging’s Schritt für Schritt weiter vorwärts bis zu ihren 52,76 anlässlich der Schweizer Meisterschaften Ende Juni in Zürich. Rang 3 hinter Lemmens (52,22) und Sarah King (52,70) erreichte sie. Und die Entwicklung widerspiegelt sich in den Schweizer Allzeit-Bestenlisten: mit Platz 9 in der Halle und Platz 12 draussen. Der Halle wird nicht immer ein ähnlich hoher Stellenwert eingeräumt und daher sind Niederbergers Freiluftmarke mindestens so hoch einzuschätzen.
Zu bleibenden Eindrücken ist Julia Niederberger auch in Eugene schon gekommen. Vor Ort mitverfolgt hat sie immer wieder die Wettkämpfe. «Das ist cool und sehr motivierend», sagt sie und fügt an:
«Am liebsten hätte ich jeweils selber die Nagelschuhe angezogen und wäre mitgesprintet.»
Der herbeigesehnte Einsatz wird nun Tatsache. Und für die U23-EM-Teilnehmerin vom letzten Sommer in Tallinn (Vorlauf) geht es danach schnell weiter. Mit den Europameisterschaften in München erfolgt der zweite internationale Höhepunkt bei der Elite bereits Mitte August. Julia Niederberger lacht: «Ich war schon 2018 an der EM – damals in Berlin und als Volunteer.» Dass sie jetzt auf der anderen Seite steht findet sie «cool und spannend».