Die Krebsdiagnose war ein Schock. Doch die Chemotherapie schien zu wirken. Dann wurde es für Familie Schaller erst recht dramatisch.
«Wir schaffen das!», sagt sich Marco Schaller, als ihm die Ärzte endlich sagen können, warum er derartige Bauchschmerzen hat. Tagelang war gerätselt worden: Mal ist von Krebs die Rede, dann wieder von etwas anderem, mal ist es harmlos, und dann doch lebensgefährlich: Hodenkrebs mit zwei grossen Ablegern im Bauch.
«Wir schaffen das!» Marco Schaller ist ein sportlicher Mann, der gelernte Schreiner hat gerade eine Zusatzausbildung als Ernährungsberater und Personal Trainer absolviert, er kann sich auf seine Konstitution und eigenes Wissen über den Körper verlassen. Vor allem weiss er seine Familie hinter sich. Noch am Abend der Diagnose fährt seine Frau Jacqueline zu ihm ins Spital. «Wir fielen einander in die Arme, sie tröstete mich, und wir beschlossen gemeinsam: Wir schaffen das! Die Liebe und der Glaube an eine gemeinsame Zukunft schenkten uns Kraft und Hoffnung.»
Die Chemotherapie übersteht Marco Schaller gut, das Wachstum der Ableger ist gestoppt, bald schon ist der Wiedereintritt in den Job möglich. Nach Schock und Zuversicht kommt Freude auf. Die Luzerner Familie ahnt nicht, dass das Schlimmste noch bevorsteht.
Denn sieben Wochen später gibt es schlechte Nachrichten: Einer der beiden Tumore wächst wieder. «Das hat mir den Boden unter den Füssen weggezogen», sagt Marco Schaller. «Nachdem wir dachten, wir hätten es überstanden, traf es uns umso härter.» War die erste Chemotherapie noch moderat, wird die Dosis nun massiv erhöht, über fast eine Woche Tag und Nacht. Die körperlichen Auswirkungen sind diesmal heftig. «Ich konnte mich nicht mehr im Spiegel anschauen», erzählt Marco Schaller. Zu entstellt habe er ausgesehen. Kraft hat er kaum mehr, kann kaum gehen, sich nicht mehr konzentrieren. Doch noch schlimmer sind die psychischen Auswirkungen. Er fällt in eine Depression.
«Die Angst war allgegenwärtig, ich hatte Angst zu sterben, aber auch in der Familie oder im Beruf zu versagen, ich konnte mir nicht mehr vorstellen, ins Leben zurückzukehren.» Es wird so schlimm, dass er sich in eine psychiatrische Klinik einweisen lässt. Nach einer Woche bricht er ab. «Was ich dort bei anderen Patienten gesehen habe, war zu erschütternd. Und ich fühlte, dass ich im gewohnten Umfeld zu Hause bessere Chancen hatte.» Er lässt sich auf ein Programm der gemeindeintegrierten Akutbehandlung (Gia) und wird auch von der Krebsliga beraten. Und natürlich hat er weiterhin seine Familie. Doch leicht ist es für alle nicht.
«Die Depression war noch schlimmer als die Chemotherapie», sagt auch Jacqueline Schaller. «Ich erlebte einen Menschen, den ich über alles liebe, den ich aber kaum noch wiedererkannte. Er war quasi ein anderer Mann.» Sie spürt, dass die Situation ihr entgleitet. «Ich wusste, wenn ich mich jetzt fallen lasse, würde ich selber krank. Es drehte sich alles nur noch um die Krankheit, auch in unserem Umfeld. Dort begegneten uns die meisten mit Mitgefühl. Dabei hätte ich jemanden gebraucht, um mal einfach einen Kaffee zu trinken und über etwas anderes zu reden.» Also muss sie etwas auf Distanz gehen. «Vielleicht war ich in dieser Zeit weniger herzlich zu ihm, aber es hat mir geholfen.» Und ihrem Mann wohl auch. Denn statt das Selbstmitleid zu unterstützen, ruft sie ihn auch mal zur Raison, gemahnt ihn an seine Verantwortung. Schliesslich ist da noch der damals 8-jährige Sohn Tim.
Schon nach der ersten Diagnose haben die Eltern beschlossen, mit Tim offen zu kommunizieren, auf altersgerechte Art. «Wir haben ihm gesagt, dass es in Papis Körper einen bösen Käfer hat, der besiegt werden muss.» Als Marco Schaller in der Depression mit dem Sohn nicht spielen mag oder nervlich an die Grenzen gerät, sagt Jaqueline Tim Dinge wie «Papi ist gerade fest traurig». Oder: «Papi geht es nicht gut.» Es sei ihnen wichtig gewesen, dass Tim nichts persönlich nehme. «Er hat es grossartig gemacht», sagt Marco Schaller. «Während der Depression war Tim ein Eckpfeiler, ein Vorbild für mich, wie man eine schwierige Situation meistert.»
Die ganze Familie erlebt eine Heilung, auch die Liebesbeziehung des Ehepaares. «Wir sind uns wieder nähergekommen, führen auch wieder positive Gespräche», sagt sie. Und er ergänzt: «Alles, was wir erlebt haben, hat uns zusammengeschweisst.» Jetzt wünschen sie sich, dass wieder Ruhe in ihr Leben einkehrt. Marco Schaller: «Ich habe auch meinen Glauben wieder gefunden: Ich weiss, dass auch in einer schlimmen Situation nie alles kaputtgeht. Jetzt bin ich einfach für jeden Tag dankbar.»
Heute in einer Woche, am Freitag, 15. November, wird der Einzahlungsschein zur diesjährigen LZ-Weihnachtsaktion unserer Zeitung beiliegen. Zum 24. Mal sammelt sie mit ihren Regionalausgaben für Menschen in der Zentralschweiz, die in Not geraten sind.
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Die LZ-Weihnachtsaktion ist in unserer Region fest verankert. 2018 konnten wir mit fast 4,9 Millionen Franken einen Spendenrekord verzeichnen. Insgesamt 16309 Spenderinnen und Spender halfen dabei mit. Seit der Gründung im Jahr 1996 wurden total über 54 Millionen Franken gesammelt. Wie willkommen diese Hilfe ist, zeigt die Zahl der Hilfsgesuche, die sich letztes Jahr auf rund 3848 belief, ebenfalls ein neuer Höchstwert. Dieses Jahr haben wir schon vor dem Start bereits wieder über 1000 Anfragen erhalten.
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