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Mit dem Portugiesen António Horta-Osório erhält die Schweizer Grossbank erstmals einen ausländischen Chef. Die Wahl ist gegen den Trend.
Seit dem ersten Präsidenten, dem Gründer Alfred Escher (1856-1877), sassen nur Schweizer auf dem CS-Präsidentenposten. Der 16. Präsident der Credit Suisse tanzt aus der Reihe. Mit António Horta-Osório (56) wird erstmals ein Ausländer die Credit Suisse präsidieren. Der Portugiese soll im nächsten Frühjahr den langjährigen Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner ablösen. Damit werden künftig beide Schweizer Grossbanken von einem Manager ohne Schweizer Pass geleitet.
In den Online-Kommentarspalten sammelten sich gestern die erwartbaren verdächtigen Aussagen: «Wieso kein Schweizer?!», «Kennt unser Land nicht» und so weiter. Richtig ist: Horta-Osório hat überall, aber nicht in der Schweiz Karriere gemacht. Dass dies für den Erfolg einer Firma aber nicht abträglich ist, haben ausländische Manager hierzulande x-fach bewiesen.
Dennoch: Mit der angeblich fehlenden Schweiz-Kenntnis von Managern wird oft versucht, Politik zu machen.
In vielen grossen Schweizer Konzernen sind heute Ausländer an der Spitze, oft aus dem EU-Raum. Sie verstehen das Schweizer System nicht
behauptete SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher im Abstimmungskampf für die Begrenzungs-Initiative in einem Interview. Betrachtet man die 20 grössten Schweizer Unternehmen, so zielen ihre Aussagen aber ins Leere. Nur drei der 20 zum Swiss Market Index gehörenden Unternehmen haben sowohl einen ausländischen Präsidenten als auch einen ausländischen Chef.
Bei der Nominierung von Horta-Osório dürfte die Kombination von Präsident und CEO eine Rolle gespielt haben. Die Wahl wäre kaum auf den Portugiesen gefallen, hätte nicht ein Schweizer das operative Ruder bei der CS fest in der Hand. In der Konstellation mit Thomas Gottstein muss sich der fehlende Schweizer Pass des Präsidenten nicht als Nachteil erweisen. Gottstein ist Schweizer. Er soll die Credit Suisse wieder näher zum Volk bringen. Er soll ihr die nötige Bodenhaftung geben, die ihr Kritiker in den vergangenen Jahren immer wieder abgesprochen haben. Das macht der Zürcher mit Verve: Etwa in der «Schweizer Illustrierte», wo er in der Homestory seinem Sohn bei den «Ufzgi» hilft, oder beim Auftritt im «Donnschtig-Jass», wo er eine Partie Minigolf spielt.
Aktuell legen hiesige Firmen Wert auf diesen Schweizbezug. Das zeigen die Zahlen: Zwar hat die Schweiz nach wie vor die grösste Ausländerdichte in den Führungsetagen. Gemäss dem internationalen Executive-Search-Unternehmen Heidrick & Struggles stammt knapp die Hälfte der CEO der 47 grössten börsenkotierten Schweizer Firmen (SMI Expanded) aus dem Ausland. «Das ist vor allem ein Abbild der weltweit einmalig hohen Dichte an Grosskonzernen hierzulande», sagt Oliver Schiltz, Schweiz-Chef von Heidrick & Struggles. Die Positionen wären unmöglich nur mit Schweizern besetzbar.
Unternehmen suchen Erfahrung in den Wachstumsmärkten Asien und Nordamerika, diese bringen nur wenige Schweizer Kandidaten mit
erklärt Schiltz. Firmen erhofften sich von einem ausländischen Manager auch einen Perspektivenwechsel. «Gerade wenn der Schweizer Vorgänger lange Zeit auf seinem Posten war.»
In den letzten beiden Jahren sind wieder etwas weniger ausländische Manager in die Schweiz gekommen: Laut dem neusten «Schillingreport», der 118 Schweizer Firmen untersucht, ist die Zahl der Schweizer auf den CEO-Posten in diesem Jahr von 60 auf 64 Prozent gestiegen und damit so hoch wie seit 2008 nicht mehr (mit Ausnahme von 2014). Bei den Präsidenten ist der Anteil der Schweizer mit 77 Prozent gar auf dem höchsten Stand seit Erhebungsbeginn im Jahr 2010.
Bis in die 80er-Jahre gab es kaum ausländische Manager in der Schweiz. Als «Alpenfestung» wurde unser Land deswegen bezeichnet. Doch 30 Jahre lang haben der Druck der Kapitalmärkte und die international zunehmend standardisierte Regulierung diese Festung weitgehend niedergerissen. 2010 stammten bereits 35 Prozent der Spitzenmanager in den 110 grössten Unternehmen aus dem Ausland.
Die Bedeutung ausländischer Manager zeigt sich vor allem, wenn man nicht nur die CEO-Posten betrachtet, sondern die gesamten Geschäftsleitungen. Dort liegt der Ausländeranteil deutlich höher – bei allen von Schilling untersuchten Unternehmen bei 44 Prozent. Bei den SMI-Unternehmen gar bei 67 Prozent. Das gleiche Bild ergibt sich beim Verwaltungsrat. Über alle Firmen gesehen, liegt der Ausländeranteil bei den Aufsichtsgremien bei 37 Prozent, bei den SMI-Firmen bei 61 Prozent. Die mit Abstand meisten kommen aus Deutschland. Danach folgen solche aus den USA. In den von Schilling untersuchten Firmen findet sich übrigens (noch) kein einziger Portugiese.
Dennoch könnte 2020 der Wind wieder in Richtung ausländische Manager drehen. An den Generalversammlungen im Frühjahr sind laut einer Erhebung von Heidrick & Struggles 10 der 29 neu gewählten Verwaltungsräte im Ausland geboren. Oliver Schlitz führt dies darauf zurück, dass in der Coronakrise bei der Rekrutierung vermehrt Erfahrung und Sicherheit gesucht sind.
In Krisensituationen suchen Unternehmen in der Regel CEO, die bereits ein Unternehmen geleitet, oder Verwaltungsräte, welche diese Erfahrung schon haben.
Er geht davon aus, dass wegen der Pandemie die Aufholjagd der Schweizer Manager, aber vor allem auch der Frauen, auf Spitzenpositionen gebremst worden ist. So verbleiben im SMI Expanded Swatch-Präsidentin Nayla Hayek und Galenica-Präsidentin Daniela Bosshard-Hengartner alleine auf weiter Flur. Und unter den 118 CEO des Schillingreports gibt es nur drei Frauen, Suzanne Thoma (BKW), Philomena Colatrella (CSS) und Magdalena Martullo-Blocher (EMS-Chemie).