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Wie viel ein Land produziert, hängt nicht nur davon ab, wie viel man dort arbeitet. Im Interview erklärt der Wirtschaftsforscher Gebhard Kirchgässner, dass es mindestens so wichtig ist, wie produktiv diese Arbeit ist – und
Gebhard Kirchgässner: Produktivität ist zunächst allgemein das Verhältnis zwischen Output und Input. Sie hängt vor der Arbeitsproduktivität und der Kapitalproduktivität ab, das heisst von der eingesetzten Arbeit beziehungsweise dem eingesetzten Kapital pro produzierter Einheit. Diese hängen wiederum von der Qualifikation der Arbeitskräfte und dem Stand des technischen Fortschritts ab. Daneben dürften weiche Faktoren wie Arbeitsmoral und Arbeitsbereitschaft auch eine Rolle spielen. Neben der Menge an eingesetztem Kapital und eingesetzter Arbeit sind diese Faktoren für die Unterschiede zwischen den Ländern verantwortlich.
Entscheidend sind zunächst die Qualität der eingesetzten Arbeit und des eingesetzten Kapitals. Daneben spielen aber auch die politischen und gesellschaftlichen Institutionen sowie – vermutlich in geringerem Masse – die klimatischen Bedingungen eine Rolle. Damit Kapital in entsprechendem Umfang investiert wird, müssen die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen hinreichend stabil sein. Zudem muss das Bildungssystem entsprechend entwickelt sein.
Menge und Qualität des eingesetzten Kapitals sind wesentliche Determinanten der Produktivität. Technischer Fortschritt erhöht die Qualität des Produktionsfaktors Kapital.
Länder mit hoher Arbeitsproduktivität können sich kürzere Arbeitszeiten leisten, um das gleiche Einkommen zu erzielen. Dies impliziert freilich nicht den Umkehrschluss, dass Länder, in denen weniger gearbeitet wird, in jedem Fall auch eine hohe Produktivität haben.
Die hohe Produktivität ergibt sich aus der hohen Qualität der eingesetzten Arbeitskräfte und des eingesetzten Kapitals. Dies ist zunächst unabhängig von der Wochenarbeitszeit.
Es ist entscheidend, ob die effektive durchschnittliche Wochenarbeitszeit freiwillig reduziert wird, oder ob gesetzlich eine niedrigere Obergrenze eingeführt wird. Eine freiwillige Verringerung ist unproblematisch; sie erhöht die Wohlfahrt. Tatsächlich wurde im Laufe der Entwicklung die Wochenarbeitszeit bei gleichzeitig steigendem Wohlstand erheblich verringert. Wird eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit jedoch von oben dekretiert, führt dies zu nicht erwünschten Einkommensverlusten vieler Beschäftigter, die teilweise durch vermehrte Arbeit in der Schattenwirtschaft ausgeglichen werden. Zudem steigen im Allgemeinen die Produktionskosten an, was die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft beeinträchtigt und zu Arbeitsplatzverlusten führen kann.
Die Verbreitung von Teilzeitstellen spielt bei der Erfassung der durchschnittlichen Arbeitszeiten eine wesentliche Rolle. Die Schweiz etwa hat zwar eine hohe formale Wochenarbeitszeit bei Vollzeitstellen, im internationalen Vergleich jedoch keine besonders hohe Jahresarbeitszeit insgesamt. Dies hängt damit zusammen, dass wir zwar eine hohe Frauenerwerbsquote haben, viele Frauen aber nur geringe Pensen. Dies hängt wiederum mit der wenig ausgebauten und sehr teuren Kinderbetreuung zusammen.
Ich halte dies für wenig sinnvoll. Wenn die normalen Beschäftigungsverhältnisse nur noch 30 Stunden pro Woche sein dürfen, werden die Einkommen signifikant sinken. Dies führt dazu, dass Arbeitnehmer vermehrt entweder zwei offizielle Beschäftigungen haben werden oder in die Schattenwirtschaft ausweichen. Dies dürfte zu einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit sowie zu steigender Unzufriedenheit führen. Schweden würde sich damit keinen Gefallen tun.
Ich kenne zwar im Augenblick keine Studie dazu, aber das Problem der Arbeitslosigkeit wurde durch die Einführung der 38-Stunden-Woche eher verschärft als verringert. Zumindest aus dieser Perspektive war diese Einführung kein Erfolg.