37,7 Milliarden Franken
Luft rein, Luft raus? Sechs Fragen und Antworten zum galaktischen Gewinn der Nationalbank

Das Noteninstitut erzielt einen Quartalsgewinn von 37,7 Milliarden Franken. Was wird davon haben und was nicht: Die sechs wichtigsten Fragen und Antworten.

Daniel Zulauf
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«Die Jahresrechnung der SNB ist daher stark von Buchgewinnen und -verlusten geprägt.» SNB-Chef Thomas Jordan versucht politische Begehrlichkeiten zu dämpfen.

«Die Jahresrechnung der SNB ist daher stark von Buchgewinnen und -verlusten geprägt.» SNB-Chef Thomas Jordan versucht politische Begehrlichkeiten zu dämpfen.

Anthony Anex / KEYSTONE

1. Stammen die Nationalbankgewinne «aus dem Nichts», wie einige Beobachter das aktuelle Quartalsergebnis kommentieren?

Die kurze Antwort lautet Nein. Die von der Nationalbank ausgewiesenen Gewinne sind nicht weniger real als ein gewöhnlicher Depotauszug, mit dem Banken ihren Kunden am Jahresende die Höhe ihres Anlagevermögens mitteilen. Kommt ein Vermögensanstieg beispielsweise durch einen höheren Aktienkurs zustande, spricht man von einem Buchgewinn. Von den 37,7 Milliarden Franken, welche die Nationalbank im ersten Quartal des Jahres verdient hat, sind über 90 Prozent solche Buchgewinne.

2. Und wie lautet die längere Antwort?

Buchgewinne sind definitorisch instabil. Schliesslich können die Börsenkurse von Wertschriften und Devisen genauso gut sinken, wie sie zuvor gestiegen sind. Nationalbank-Chef Thomas Jordan erklärt seiner Generalversammlung am Freitag den Zusammenhang so: «Ein Gewinn ist erst dann realisiert, wenn wir Aktiven im Umfang des Gewinns verkaufen und die Erlöse daraus in Franken gewechselt haben. Die Jahresrechnung der SNB ist daher stark von Buchgewinnen und -verlusten geprägt.»

3. Muss die Nationalbank Anlagen verkaufen, um Gewinne an Bund und Kantone ausschütten zu können?

Nein. Aus den Devisenanlagen der Nationalbank ergeben sich auch substantielle Geldflüsse. Diese beliefen sich im Quartal auf fast drei Milliarden Franken. Dividenden aus dem global diversifizierten Aktienportefeuille brachten im Dreimonatsabschnitt 760 Millionen Franken ein, die Zinseinnahmen aus ausländischen Obligationenanlagen 1960 Millionen Franken und darüber hinaus knöpft die Nationalbank den hiesigen Geschäftsbanken noch den berüchtigten Negativzins ab. Das waren im ersten Quartal 360 Millionen Franken. Alles in allem realisiert die Nationalbank damit einen jährlichen Bar-Gewinn von rund zwölf Milliarden Franken, was genau doppelt so viel ist wie die maximale Gewinnausschüttung an Bund und Kantone.

4. Was macht die Nationalbank mit dem Gewinn, den sie nicht ausschüttet?

Sie stockt ihre Reserven auf. Die Nationalbank braucht ein dickes Reservepolster, weil sie den grössten Teil ihrer Gewinne nicht realisieren kann, so dass diese den Wertschwankungen beziehungsweise den Launen der Finanzmärkte ausgesetzt bleiben. Per Ende März belief sich das Eigenkapital der Nationalbank auf 22 Prozent der Bilanzsumme. 2007, im Jahr bevor die Finanzkrise ausbrach, belief sich diese Quote auf 31 Prozent.

5. Warum ist die Eigenkapitalquote der Nationalbank in diesem langfristigen Vergleich gesunken?

Der äussere Grund dafür ist, dass die Devisenanlagen der Nationalbank stärker gestiegen sind als das Eigenkapital. Verantwortlich dafür ist der Umstand, dass es in der Weltwirtschaft seit der Finanzkrise immer wieder zu grösseren Verwerfungen kommt. 2012 kulminierte die Euro-Krise und 2020 führte die Pandemie zu einer globalen Rezession. Weil der Franken in unsicheren Zeiten als vergleichsweise stabile Anlagewährung typischerweise stark gesucht wird, muss die Nationalbank häufig intervenieren, um eine übermässige Aufwertung der heimischen Valuta zu verhindern. Zu diesem Zweck kauft sie mit Franken Dollar, Euro oder andere Devisen. Deswegen hat sich die Bilanzsumme der Nationalbank seit der Finanzkrise um das Achtfache vergrössert.

6. Wie viel Eigenkapital braucht die Nationalbank?

Dieses Geheimnis hüten Nationalbank-Chef Thomas Jordan und seine Kollegen im Direktorium wie ihren eigenen Augapfel. Durch die Nennung einer konkreten Zahl oder Quote würde sich die Nationalbank ihrer eigenen Handlungsfreiheit berauben. So wären politische Gewinnverteilungskämpfe vorprogrammiert, wenn das Eigenkapital zu einem bestimmten Zeitpunkt über den Zielwert hinausginge. Im umgekehrten Fall könnten die Finanzmärkte davon ausgehen, dass die Nationalbank bei einem ungenügenden Eigenkapital weniger stark im Devisenmarkt intervenieren würde, was einer übermässigen Aufwertung des Frankens Vorschub leisten könnte.