Josef Ackermann ist als Verwaltungsratspräsident des Versicherungskonzerns Zurich per sofort zurückgetreten. Er reagiert damit offenbar auf eine Forderung der Familie von Finanzchef Pierre Wauthier, der sich das Leben genommen hat.
Seinen Rücktritt begründet Josef Ackermann mit der Ansicht, die Trauerfamilie sei der Meinung, er müsse seinen Teil der Verantwortung wahrnehmen. «Ich habe Grund zur Annahme, dass die Familie meint, ich solle meinen Teil der Verantwortung hierfür tragen, ungeachtet dessen, wie unbegründet dies objektiv betrachtet auch sein mag», wird der ehemalige Chef der Deutschen Bank in einem Communiqué vom Donnerstag zitiert.
Druck gemacht hat offenbar die Witwe von verstorbenen Finanzchefs. Sie soll den fordernden Führungsstil von Ackermann als Ursache für den Tod ihres Mannes sehen. Ihr sei geraten worden, sich dazu nicht mehr zu äussern, erklärte sie am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg.
«Der unerwartete Tod Pierre Wauthiers hat mich zutiefst erschüttert», sagt Ackermann. Der Zurich-Finanzchef war am Montag tot in seiner Wohnung aufgefunden worden. Er hatte sich das Leben genommen, wie die Zuger Polizei am Dienstag mitteilte. Die Hintergründe des Suizids wurden nicht bekannt. Von Konflikten innerhalb des Konzers ist nichts bekannt.
Mit Wauthier starb zum zweiten Mal in kurzer Zeit ein Top-Manager eines Schweizer Konzerns. Vor einem Monat wurde Swisscom-Chef Carsten Schloter tot in seiner Wohnung gefunden. Die Polizei ging ebenfalls von einem Selbstmord aus. Er hatte in Interviews von Überlastungs-Symptomen und auch von familiären Problemen im Zusammenhang mit seiner Scheidung vor einigen Jahren gesprochen.
Angst vor Rufschädigung
Josef Ackermann sieht «eine weitere erfolgreiche Führung des Verwaltungsrates zum Wohle der Zurich in Frage gestellt». «Um jegliche Rufschädigung zu Lasten von Zurich zu vermeiden, habe ich beschlossen, von allen meinen Funktionen im Verwaltungsrat mit sofortiger Wirkung zurückzutreten.»
Ackermann hat die Konzernleitung am Mittwochabend über seinen Entscheid informiert. In die Lücke springt Vizepräsident Tom de Swaan.
Zurich-Aktie stark im Minus
Ackermann war nach seinem Ausscheiden bei der Deutschen Bank seit März 2012 Verwaltungsratspräsident der Zurich. Sein Rücktrittsentscheid wird von den anderen Verwaltungsräten laut Communiqué respektiert und «mit grösstem Bedauern angenommen».
Die Anleger reagierten verunsichert. Die Aktie des gemessen an der Marktkapitalisierung fünftgrössten europäischen Versicherers geriet zu Handelsbeginn unter starken Druck. Der Titel verlor bis zu 3,8 Prozent an Wert, erholte sich dann aber teilweise. Um 11 Uhr notierte die Zurich-Aktie noch 2,0 Prozent schwächer auf 230 Franken.
Der Rücktritt Ackermanns komme unerwartet und abrupt, erklärten Analysten. Viele Fragen seien offen und es dürfte schwierig sein, die Führungsstruktur schnell zu stabilisieren, kommentierte die ZKB. Den Posten des Finanzchefs hat Vibhu Sharma, der das Gruppen-Controlling leitet, ad interim übernommen. Für Ackermann springt sein Stellvertreter Tom de Swaan ein.
Das von Konzernchef Martin Senn operativ geführte Unternehmen hat zuletzt die Erwartungen von Analysten verfehlt. Im ersten Halbjahr 2013 ist der Gewinn 17 Prozent auf 1,9 Mrd. Dollar gesunken, was aber vor allem an Kosten für die Überschwemmung in Mittel- und Osteuropa lag.
(sda/nch)