Alpiq wieder fest in Schweizer Hand

Die Electricité de France verkauft ihren Anteil an Alpiq an die bisherigen Aktionäre Primeo Energie und EOS. Die Publikumsaktien sollen von der Börse genommen werden.

Daniel Zulauf
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Jens Alder, Verwaltungsratspräsident und Delegierter des Verwaltungsrats, und CFO Thomas Bucher an der Alpiq-Bilanzmedien­konferenz in Olten am Freitag. (Bild: Alexandra Wey/Keystone)

Jens Alder, Verwaltungsratspräsident und Delegierter des Verwaltungsrats, und CFO Thomas Bucher an der Alpiq-Bilanzmedien­konferenz in Olten am Freitag. (Bild: Alexandra Wey/Keystone)

Der Traum vom Wasserschloss der europäischen Stromwirtschaft sei ausgeträumt, geboten sei ein «geordneter Rückzug» des Staates aus der Wasserkraft. Es war im November 2016, als die wirtschaftsliberale Denkfabrik Avenir Suisse in einem Diskussionspapier zur Alarmglocke griff. Der Einbruch der Strompreise habe eine «dramatische Wertvernichtung» im Energiesektor angerichtet. In Märkten mit derartigen Risiken hätten staatliche Investoren nichts verloren, meinten die Autoren.

Tatsächlich stand es in jenen Tagen denkbar schlecht um die Unternehmen in der Elektrizitätswirtschaft. Allen voran Alpiq, dem Marktführer. Nur wenige Monate zuvor hatte der Konzern mit Sitz in Olten 49 Prozent seiner Anteile an der Schweizer Wasserkraft zum Verkauf angeboten. Es war ein Notruf und ein überaus symbolträchtiger Akt dazu. Aus allen Richtungen strömten die Politiker mit Vorschlägen für Hilfeleistungen herbei. Von neuen Subventionen zur Rettung der Energieinfrastruktur war die Rede, oder von einem Staatsfonds, mit dem gleichen Zweck oder auch von einer Ausweitung des Geltungsbereichs der Lex Koller, um die Gefahr eines Ausverkaufs ans Ausland zu verhindern.

Zu 88 Prozent schweizerisch

Drei Jahre später spricht kaum ­jemand mehr von Ausverkauf. Im Gegenteil: Bald ist die Schweizer Stromwirtschaft fast ganz allein in Schweizer Hand. Das letzte ­Kapitel einer seit 20 Jahren andauernden Renationalisierung haben am Freitag die Aktionäre von Alpiq aufgemacht. Aussteigen wird Electricité de France (EDF).

Die Franzosen sind Schlüsselaktionäre der ersten Stunde in der vor 10 Jahren aus dem Zusammenschluss der Lausanner Energie de l’Ouest Suisse (EOS) und der Oltener Aare-Tessin AG für Elektrizität (Atel) hervorgegangenen Alpiq. Sie hatten damals ihre Rechte am Walliser Speicherkraftwert Emosson gegen einen Anteil von 25 Prozent eingebracht. EDF zeigte vor allem Interesse an den Kapazitäten der Schweizer Pumpspeicherkraftwerke, zumal sie mit ihren Kernkraftwerken selber vor allem Bandenergie erzeugen. Aber die Franzosen schielten auch auf die Möglichkeit, sich am Bau eines neuen Schweizer Kernkraftwerkes zu beteiligen, was bis 2011 noch eine realistische Option gewesen war.

Doch solche Ideen haben sich inzwischen erübrigt. EDF verkauft mehr als ein Jahr bevor der Aktionärsbindungsvertrag abgelaufen ist. Aus diesem Grund muss der Verkauf zunächst innerhalb des bestehenden Konsortiums der Alpiq Minderheitsaktionäre abgewickelt werden. Am Ende gelangt der EDF-Anteil aber in den Besitz einer Schweizer Investmentgesellschaft für Energieinfrastrukturen namens CSA, welche die Anlagen von 135 einheimischen Pensionskassen poolt und von Credit Suisse verwaltet wird. Am Ende der Transaktion ist Alpiq zu 88 Prozent schweizerisch beherrscht. Und auch die 12 Prozent der Aktien, die sich noch im Publikum befinden, sollen so bald als möglich zurückgekauft werden. Für einen Gegenwert von 489 Millionen Franken oder 70 Franken pro Aktie sagt EDF der Schweiz Adieu.

Die Nationalisierung der Schweizer Stromwirtschaft ist schon seit Jahren im Gang. 2001 verstärkten die Nordostschweizerischen Kraftwerke (NOK) ihren Einfluss auf die Stromwirtschaft, in dem sie die Anteile der Energie Baden Württemberg (EnBW) an der Energieholding Watt AG mit starken deutschen Aktionären übernahm. Die kurz darauf gegründete Axpo kaufte nur wenige Monate später die ganze Watt AG und zahlte deren zweiten Grossaktionär, die Münchner Eon-Gruppe, aus. So gelangte Axpo fast vollständig in den Besitz der Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW) und der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL). Zwei Jahre später renationalisierte UBS ihre Tochtergesellschaft Motor Columbus, indem sie dem deutschen Stromkonzern RWE dessen 20-Prozent-Anteil abkaufte. Motor Columbus war zu jenem Zeitpunkt Mehrheitseigentümerin von Atel, einer Vorgängergesellschaft von Alpiq gewesen.

Renationalisierung sei wenig überraschend

Die Grossbank und ihre Rivalin Credit Suisse hatten in den Jahren davor für einige Verunsicherung in Politik und Wirtschaft ­gesorgt, als sie im Zug der ersten Phase der Strommarktliberalisierung in der EU (1996) ihre jahrzehntealten Interessen in der Schweizer Stromwirtschaft an die genannten ausländischen Investoren veräussert hatten. In der Folge kam es innerhalb und ausserhalb der Branche zu heftigen Debatten über die volkswirtschaftliche Bedeutung der Schweizer Stromwirtschaft.

An diesen Diskussionen war auch der auf Energiethemen spezialisierte Journalist Hanspeter Guggenbühl an vorderster Front beteiligt. Für ihn kommt der Abschluss der Renationalisierung der Schweizer Stromwirtschaft nur im Zeitpunkt überraschend. «Exponenten der Stromwirtschaft haben zwar immer viel über Privatisierung geredet und einen Ausverkauf ans Ausland an die Wand gemalt, aber passiert ist das Gegenteil. Die Kantone und damit der Staat haben ihren Besitzanteil an den Elektrizitätsunternehmen weiter erhöht.» Im Zug des inzwischen wieder deutlich gestiegenen Strompreises hat sich auch die wirtschaftliche Situation bei den Stromproduzenten deutlich entspannt. Die Risiken für die öffentliche Hand sind kleiner geworden, allerdings ist auch das nur eine Momentaufnahme.