Altdorf
Homeoffice kurbelt Kaffeekonsum an: Dätwyler erhöht Dividende

Dätwyler leidet zwar im Industriebereich unter der Pandemie, doch in der Gesundheitsbranche und im Geschäft mit Nespresso-Kapseln boomt das Geschäft.

Maurizio Minetti
Drucken
Der Dätwyler-Standort in Schattdorf im Jahr 2018.

Der Dätwyler-Standort in Schattdorf im Jahr 2018.

Bild: Dätwyler-Archiv

Der Urner Industriekonzern Dätwyler befindet sich noch immer in einer Transitionsphase, wie die am Dienstag veröffentlichten Zahlen zeigen. Blickt man nur auf die fortgeführten Geschäftsbereiche, war das Jahr 2020 für Dätwyler trotz Pandemie solide: Der Umsatz sank nur leicht auf etwas mehr als eine Milliarde Franken und unter dem Strich resultierte gar ein um fast 21 Prozent höherer Nettogewinn von 118,9 Millionen Franken. Rechnet man aber den Verkauf diverser Tochtergesellschaften ein, musste Dätwyler einen Verlust von 346,3 Millionen Franken hinnehmen.

Dätwyler spricht in einer Mitteilung von einer «gesteigerten Ertragskraft» und von «vielversprechenden Perspektiven», welche es dem Verwaltungsrat ermöglichen, an der Generalversammlung eine erhöhte Dividende von 3.20 Franken pro Inhaberaktie und von 64 Rappen pro Namenaktie zu beantragen. Dies entspricht einer Ausschüttungsquote von 45,8 Prozent des Nettoergebnisses des fortgeführten Geschäfts. Letztes Jahr hatte Dätwyler die Dividende bei 3 Franken je Inhaberaktie und 60 Rappen je Namenaktie belassen.

Langfristiger Deal mit Nespresso sorgt für Jobs

Der Konzern mit Hauptsitz in Altdorf hatte vor rund einem Jahr den Verkauf der beiden Distributionsunternehmen für elektronische Komponenten Distrelec und Nedis beschlossen, um sich auf die Branchen Gesundheitswesen, generelle Industrie, Mobilität, Öl und Gas sowie Nahrungsmittel und Getränke zu fokussieren. Der Verkauf wurde schliesslich im März abgeschlossen, im Mai folgte der Verkauf des Civil-Engineering-Geschäfts. Die Veräusserung dieser Tochterunternehmen führte zu einem Buchverlust von 464,5 Millionen Franken.

Blickt man auf die fortgeführten Segmente, zeigt sich ein markanter Rückgang in den Industriebereichen, die wegen der Pandemie während mehrerer Monate wesentliche Umsatzrückgänge hinnehmen mussten. Auf der anderen Seite profitierte der Geschäftsbereich Healthcare Solutions von einer höheren Nachfrage nach Covid-19-Impfstoffen. Dätwyler stellt Dichtungslösungen zum Beispiel für vorgefüllte Spritzen, Verschlüsse für Flaschenbehälter für Medikamente oder andere Komponenten für die Blutentnahme oder für Kartuschen her. Für 2021 erwartet Dätwyler im Healthcare-Geschäft ein «deutlich zweistelliges Umsatzwachstum».

Das Homeoffice sorgte zudem für eine stärkere Nachfrage nach elektronischen Geräten und Zubehör, was den Umsatz des Online-Distributors Reichelt angekurbelt hat. Doch auch Reichelt soll früher oder später verkauft werden. Der Konsum von Kapselkaffee im Homeoffice hat zudem das Nespresso-Geschäft von Dätwyler beflügelt. Seit 2007 produziert Dätwyler in Schattdorf Dichtungen für Nespresso-Kapseln, seit 2012 auch die Kapseln selbst. Ende 2020 hat Dätwyler seine strategische Partnerschaft mit Nespresso verlängert. Der neue Mehrjahresvertrag läuft bis 2030 und sieht ein kontinuierliches Volumen- und Umsatzwachstum vor. Zudem gelang es Dätwyler im letzten Jahr, ein weiteres Unternehmen aus dem Getränkesektor als Kunde zu gewinnen. Den Namen des neuen Kunden in der Business Unit Food & Beverage darf Dätwyler nach wie vor nicht nennen. In dieser Business Unit rechnet Dätwyler dank dem Nespresso-Mehrjahresvertrag und dem zusätzlichen Kunden für die nächsten Jahre mit einem starken Wachstum.

Letztes Jahr gab Dätwyler zudem bekannt, insgesamt 20 Millionen Franken in Schattdorf zu investieren. Unter anderem entsteht ein neues Kompetenzzentrum für Oberflächenbeschichtungen. Damit will der Konzern auch seine Position für Mehrkomponententeile in Verbindung mit Elastomeren stärken. Diese Produkte spielen insbesondere in Systemen für elektrische Fahrzeuge eine wichtige Rolle.

CEO Dirk Lambrecht sagte an der Medienkonferenz, er rechne mit einem Aufbau von neuen Jobs in Schattdorf. Heute beschäftigt der Konzern in der Fabrik für Dichtungskomponenten in Schattdorf 560 Personen. Hinzu kommen im Heimmarkt Uri die rund 300 Angestellten von IT Infra (ehemals Dätwyler Cabling Solutions) in Altdorf – dabei handelt es sich um eine eigenständige Schwesterfirma des Unternehmens. IT Infra musste 2020 einen Rückgang des Umsatzes von 230,3 auf 212,4 Millionen hinnehmen. Der grösste Teil des Umsatzrückgangs erkläre sich durch die Erstarkung des Frankens und durch die Veränderung des Kupferpreises, teilte IT Infra am Dienstag separat mit. Zählt man unterstützende Funktionen am Konzern-Hauptsitz in Altdorf hinzu, beschäftigen alle Dätwyler-Firmen im Kanton Uri aktuell knapp 900 Personen.

Wechsel im Verwaltungsrat

Weiter teilte Dätwyler mit, dass Zhiqiang Zhang der Generalversammlung 2021 nicht mehr für eine Wiederwahl in den Verwaltungsrat zur Verfügung steht. Martin Hirzel werde zur Wahl als neuer Verwaltungsrat und weiterer Vertreter der Publikumsaktionäre vorgeschlagen. Martin Hirzel ist Präsident von Swissmem, dem Branchenverband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, Verwaltungsrat von Bucher Industries und war von 2011 bis 2019 CEO von Autoneum.