Das Traditionsunternehmen aus Altdorf erleidet einen Leistungsabfall – und räumt Fehler in der Vergangenheit ein.
Er wolle die Erwartungshaltungen nicht unnötig in die Höhe schrauben, Dätwyler befinde sich nun mal in einer riesigen Reorganisation, sagte Dirk Lambrecht gegen Ende seiner Präsentation, die am Donnerstag anlässlich der Veröffentlichung des Jahresberichts in Zürich stattfand. Zuvor hatte der Konzernchef den anwesenden Investoren, Analysten und Journalisten rund eineinhalb Stunden lang zu erklären versucht, wieso der Verlust des Urner Traditionsunternehmens im Geschäftsjahr 2019 noch umfangreicher ausgefallen war als im Vorfeld befürchtet – und wieso sie sich dennoch keine Sorgen um dessen Zukunft zu machen brauchten.
Auf Stufe Konzernergebnis hat Dätwyler im vergangenen Jahr einen Verlust von 86,6 Millionen Franken eingefahren (siehe Tabelle unten). Zurückzuführen ist dies vor allem auf die Sonderkosten von 190 Millionen Franken, die wegen des bereits angekündigten Verkaufs der beiden Elektrohandelsmarken Distrelec und Nedis anfallen.
Zu schaffen machten Dätwyler aber auch die geringeren Gewinnbeiträge aus den fortgeführten Aktivitäten. In diesem Bereich resultierte ein bereinigtes Betriebsergebnis (Ebit) von 168,7 Millionen Franken, was im Vergleich zu den entsprechenden Zahlen des Vorjahres einem Rückgang von 8 Prozent entspricht.
Dätwyler gehört zu jenen Unternehmen, die die Flaute im Automobilsektor zuletzt besonders zu spüren bekommen haben. Und auch in den kommenden Monaten sei in diesem schwierigen Markt «keine wirkliche Trendwende erkennbar», sagte Lambrecht am Donnerstag. Deshalb wolle man den Verkauf von Distrelec und Nedis unbedingt noch im ersten Quartal des laufenden Jahres über die Bühne bringen.
Fokussierung heisst das neue Schlagwort bei Dätwyler. «Fokussierung auf langfristig profitabel wachsende Märkte» lautete denn auch der Titel des Schreibens, das Dätwyler am Donnerstag an seine Aktionäre verschickte. Übersetzt heisst das: Die Diversifikationsstrategie des Konzerns ist gescheitert. Nach dem Verkauf der Handelssparte soll von den derzeit noch bestehenden zwei Divisionen – vor 15 Jahren hatte Dätwyler noch deren fünf – nur noch eine übrig bleiben: Die Sealing Solutions, sprich das Geschäft mit Dichtungskomponenten, die unter anderem in Nespresso-Kapseln oder im medizinischen Bereich zum Einsatz kommen.
In diesem hoch spezialisierten, wenig zyklischen Feld verspricht sich Dätwyler die grössten Wachstumschancen. Hier wolle man mit Hilfe von kleineren Zukäufen künftig auch in neue Bereiche, beispielsweise die Luft- und Raumfahrt, vordringen, deutete Lambrecht an, ohne jedoch Details zu nennen.
Angesprochen auf die unglückliche Expansion des Konzerns in den Handel mit Elektronikteilen, den das Management unter der Leitung des damaligen Konzernchefs und heutigen Verwaltungsratspräsidenten Paul Hälg vorangetrieben und 2016 auch noch durch ein milliardenschweres Angebot für den britischen Konkurrenten Premier Farnell auszubauen versuchte, zeigte Lambrecht Verständnis für die enttäuschten Aktionäre:
«Wir haben Fehler gemacht, das ist richtig. Aber falsche Entscheidungen gehören zum Unternehmersein dazu», sagte er, und richtete den Blick sogleich nach vorne: «Wir glauben, den richtigen Schritt zu einem modernen Technologieunternehmen gemacht zu haben. Die Welt von morgen ist auf Spezialisten wie uns angewiesen.»
Der Ausblick auf das laufende Jahr fällt dennoch zurückhaltend aus. So hat sich Dätwyler zum Ziel gesetzt, den Umsatz 2020 um 2 bis 5 Prozent zu steigern. Nicht mit eingerechnet seien darin zudem die Folgen des Corona-Virus, sagte Lambrecht. Aktuell stünden die Werke in China still. Er gehe allerdings davon aus, dass die Produktion am Sonntag wieder aufgenommen werden könne.