Wie weit soll Konzernverantwortung bei der Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards gehen? Darüber diskutierten Gegner und Befürworter der Initiative an der Universität Luzern.
US-Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman vertrat einst die Ansicht, dass die soziale Verantwortung von Unternehmen einzig im Gewinnstreben bestehe – «the business of business is business». Mit diesem Zitat hat am Montag Wirtschaftsprofessor Christoph Schaltegger einen Diskussionsabend zur Menschenrechtsverantwortung von Konzernen eröffnet. Während im Parlament weiter mit Hochdruck an einem Gegenvorschlag zur entsprechenden Initiative gearbeitet wird, rangen prominente Befürworter und Gegner in der Universität Luzern nicht nur um die besseren ethischen und politischen Argumente, sondern stellten sich auch grundlegenden rechtlichen Fragen.
Für die Initianten, vertreten durch Komitee-Co-Präsidentin und Strafrichterin Monika Roth sowie Unternehmer Dietrich Pestalozzi, ist klar, dass die Verantwortung von Firmen weit über die erwähnte Vorstellung Milton Friedmans hinausgeht. Sie wollen Schweizer Konzerne sowie deren ausländische Tochterfirmen dazu bringen, internationale Menschenrechts- und Umweltstandards nicht nur einzuhalten, sondern in all den Ländern, in denen sie tätig sind, zu fördern. Dafür soll eine Sorgfaltsprüfung sorgen, zu der Firmen verpflichtet würden. Schweizer Gerichte sollen demnach bei Versäumnissen Klagen von Geschädigten behandeln.
Für FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler und Karl Hofstetter, Präsident des Schweizer Verbands der Industrie- und Dienstleistungskonzerne SwissHoldings, geht vor allem letzter Punkt viel zu weit. «Ich befürchte eine Klageflut gegen Schweizer Konzerne. Und zwar nicht nur wegen möglicher eigener Verfehlungen, sondern weil sie in Staaten tätig sind, in denen Regierungen Menschenrechte missachten», sagte Hofstetter. Die Forderungen der Initiative umzusetzen, würde viele Konzerne und ihre Compliance-Abteilungen überfordern und könnte enorm teuer werden, so Hofstetter weiter. Für ihn sei ausserdem evident, dass sich bislang «99 Prozent der Firmen bereits heute an die entsprechenden Standards halten».
Spätestens mit dieser Aussage war eine emotional geführte Debatte, moderiert vom Chefredaktor dieser Zeitung, Jérôme Martinu, vor rund 150 Gästen lanciert. Monika Roth interessierte sich wenig für die von Hofstetter genannte Prozentzahl. Es gebe nun mal immer solche, die sich nicht an die Richtlinien hielten, so die Basler Strafrichterin. «All diejenigen, die die Standards jetzt schon einhalten, könnten doch sagen: Nehmen wir eben alle Schwarzfahrer mit in die Pflicht.» Von derartigen gesetzlichen Regulierungen, dazu noch so «breit formulierte» wie die Konzernverantwortungs-Initiative», sei Abstand zu nehmen, entgegnete Hans-Ulrich Bigler.
Er hält eine deutlich abgeschwächte Variante in Form eines indirekten Gegenvorschlags – verankert im Obligationenrecht – für ausreichend. Dafür verlangt er einen Rückzug der Initiative. Für Monika Roth steht ausser Frage, dass eine extreme Light-Version die Grundidee der Initiative zu stark verwässern würde. «Es ist ein legitimer Anspruch von Menschen, die über wenig Mittel verfügen, Recht in Anspruch zu nehmen, sofern sie geschädigt wurden.» Und dazu brauche es klare Zuständigkeiten von Gerichten. In diesem Falle in der Schweiz. Dietrich Pestalozzi relativierte dabei die Angst vor einer Klageflut, wie sie Karl Hofstetter kommen sieht: «Hauptanliegen der Initiative ist die Sorgfaltsprüfungspflicht der Unternehmen, und nicht die Klagemöglichkeit», so der Verwaltungsratspräsident des Zürcher Stahlhändlers Pestalozzi. Ausserdem gebe es gemäss dem Unternehmer keine Sammelklagemöglichkeit. «Und kann ein Unternehmen seine Sorgfaltsprüfung nachweisen, ist eine Klage vom Tisch.» Bei allen Dissonanzen und unterschiedlichen Interpretationen der Vorlage blieb jedoch ein Konsens unberührt. Selbst Liberale wie Bigler und Hofstetter anerkennen, dass Unternehmen ihren Zweck nicht nur mehr im Gewinnstreben erkennen dürfen, sondern ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen haben. Milton Friedmans Aussage von vor bald 50 Jahren stammt aus einer Zeit, in der menschenrechtliche Aspekte im Unternehmertum oft nur am Rande, umwelttechnische noch fast gar nicht existierten.