Technologie
Apple am Pranger: iPhone soll Kinder süchtig machen

Investoren setzten Apple unter Druck, weil das iPhone für Kinder und Jugendliche ein grosses Suchtpotenzial habe.

Renzo Ruf, Washington
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Schadet der Dauer-Gebrauch des iPhone der Gesundheit von Kindern?

Schadet der Dauer-Gebrauch des iPhone der Gesundheit von Kindern?

imago/Westend61

Die Börsianer gaben sich vorerst unbeeindruckt. Der Kurs der Apple-Aktie gab gestern zu Handelsbeginn nur leicht nach, nachdem der Konzern übers Wochenende unter Druck aktivistischer Anteilseigner gekommen war. In einem offenen Brief forderte der Hedgefonds Jana Partners im Gespann mit der Pensionskasse der Lehrer im Staat Kalifornien, Apple müsse dem Missbrauch von iPhones durch Kinder und Jugendliche einen Riegel schieben.

Die Aktionäre besitzen Apple-Aktien im Wert von 2 Milliarden Dollar. Sie fordern, dass der Konzern eine neue Software entwickelt, die es Eltern ermöglicht, besser zu kontrollieren, wie häufig ihre Kinder zum iPhone greifen. Zudem fordern die Investoren eine Studie, die aufzeigt, wie sich der dauerhafte Gebrauch von Smartphones auf die geistige Gesundheit von Minderjährigen auswirkt.

Anlass für diese Kampagne sind Studien anerkannter Fachleute, in denen in einem zunehmend alarmistischen Tonfall über junge Amerikaner und ihre Beziehung zu Smartphones gesprochen wird. Die Psychologin Jean Twenge, die an der San Diego State University in Kalifornien forscht, prägte in diesem Zusammenhang den Begriff «iGen», um das Sozialverhalten der amerikanischen Teenager zu beschreiben.

Twenge ist der Meinung, dass Jugendliche süchtig nach ihren Smartphones seien, was erschreckende Auswirkungen auf ihre Gesundheit habe. So ist die Zahl der klinischen Depressionen und Selbstmorde seit 2011 massiv gestiegen. «Ich glaube, wir lieben unsere Telefone mehr als Menschen aus Fleisch und Blut», zitiert Twenge in ihrem aktuellen Buch eine Teenagerin. Das Werk ist unter dem Titel «Me, My Selfie and I: Was Jugendliche heute wirklich bewegt» erschienen und wird nun auch auf Deutsch übersetzt.

Unterstützung durch Sting

Apple solle diese bedrohliche Entwicklung endlich ernst nehmen, schreiben die Investoren – und im Silicon Valley eine Vorreiterrolle spielen. Falls der Konzern das Problem ignoriere, dann drohe nicht nur die Reputation der Firma Schaden zu nehmen, sondern auch ein Zerfall des Aktienkurses.

Apple ist mit einem Börsenwert von fast 900 Milliarden Dollar derzeit mit Abstand die wertvollste US-Firma. Das iPhone wiederum ist die Stütze der Firma, die 2017 laut Schätzungen einen Gewinn von mehr als 48 Milliarden Dollar erwirtschaften dürfte.

Eine Antwort von Apple auf den ungewöhnlichen Appell eines namhaften Aktionärs steht noch aus. Die beiden Grossaktionäre deuteten in ihrem offenen Brief aber an, dass sie hartnäckig ihre Ziele verfolgen werden. So gelang es den Investoren, nebst Professor Jean Twenge und anderen Fachleuten auch den Sänger Sting, seine Gattin Trudie Styler sowie die katholische Ordensschwester Patricia Daly einzuspannen. Letzte erlangte Bekanntheit, weil es ihr gelang, dem Erdölkonzern Exxon Mobil umweltpolitische Zugeständnisse abzuringen.