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Philosophie: Wirkung trifft’s besser als Nutzen

Wenn es um die Effekte der Philosophie geht, ist der Begriff der Wirkung angemessener als der des Nutzens.

Magdalena Hoffmann
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Magdalena Hoffmann.

Magdalena Hoffmann.

Selten ändere ich das Thema meiner Kolumne in buchstäblich letzter Minute. Eigentlich habe ich eine Kolumne zu «Kompromissbereitschaft» schreiben wollen (schliesslich war der 1. August und etwas mehr Kompromissbereitschaft täte der Politik und uns allen ganz gut, finde ich). Das passende philosophische Buch habe ich auch schon gelesen (für die, die es interessiert: «Spielarten des Kompromisses» von Véronique Zanetti). Und dann ging nichts mehr. Jeder Satz, den ich niedergeschrieben habe, war so dröge, dass ich beim Schreiben selbst fast eingeschlafen wäre.

Also schickte ich meine Gedanken auf einen kleinen Spaziergang. Dabei kamen mir immer wieder die vielen Beratungsgespräche und Informationsanlässe der vergangenen Monate in den Sinn. Als Studienleiterin dreier Weiterbildungsstudiengänge mit philosophischem Profil habe ich bei solchen Gelegenheiten selbstverständlich auch die Frage nach dem Nutzen solcher Weiterbildungen zu beantworten. Das ist richtig so, schliesslich investiert man viel Geld, Zeit und Mühe in eine Weiterbildung und hat jedes Anrecht darauf zu erfahren, was das Ganze bringen soll.

Allerdings ertappe ich mich regelmässig dabei, dass ich bei meinen Ausführungen den Begriff des Nutzens eher vermeide und stattdessen lieber von Wirkung spreche. Denn die intensive Auseinandersetzung mit der Philosophie, ihren Methoden wie auch ihren Inhalten, entfaltet eher eine ganzheitliche, manchmal auch überraschende Wirkung, als dass sie auf einen klar bezifferbaren Nutzen zu reduzieren wäre. Die Nennung eines quantifizierbaren Nutzens suggeriert eine Messbarkeit, die der Komplexität dessen, wie sich Weiterbildungen auf die Berufspraxis auswirken können, nicht hinreichend gerecht wird.

Dies dürfte nach meiner Einschätzung und mehrjährigen Erfahrung auf drei Gründe zurückzuführen sein. Erstens: Philosophie schult das Denken und den Sprachgebrauch. Man lernt das 1x1 des Argumentierens und das Vermeiden von Argumentationsfehlern. Man wird präziser und sorgfältiger in seiner Wortwahl. Diese Effekte schlagen sich dann entsprechend bei Meetings und auch Gesprächen mit den Mitarbeitenden, Kunden und anderen Stakeholdern nieder. Doch wie lässt sich das sinnvoll messen?

Zweitens: Die Themen der Philosophie sprechen den ganzen Menschen an. Auch wenn die Inhalte so ausgewählt sind, dass sie zentrale Anliegen von Führungskräften in ihrem Berufsalltag aufgreifen, berühren sie auch viele andere Kontexte. Konzepte wie «Vertrauen» oder «Autonomie» betreffen auch das jeweilige Individuum, nicht nur den Rolleninhaber. Eine profunde Auseinandersetzung mit den entsprechenden philosophischen Texten und Theorien hat das Potenzial, sich nicht nur im Umgang mit beruflichen Herausforderungen zu zeigen, sondern auch darüber hinaus. Doch wie lässt sich das sinnvoll messen?

Drittens: Philosophie bzw. eine philosophische Weiterbildung macht man nur aus intrinsischer Motivation. Welcher Mensch würde sich mit Philosophie beschäftigen, wenn er es nicht wirklich wollen würde? Die intrinsische Motivation bedingt einen hohen Lerneffekt. Es gibt einfach kaum einen besseren Dünger für die Früchte des Lernens als eine intrinsische Motivation. Im besten Fall äussert sich diese positive Lernerfahrung in einem gesteigerten intellektuellen Selbstvertrauen. Doch wie lässt sich das sinnvoll messen? Wie ich es auch drehe und wende: Wenn es um die Effekte der Philosophie geht, halte ich den Begriff der Wirkung für angemessener als den des Nutzens. Nicht, weil die Philosophie nicht nützlich wäre, sondern weil sie mehr als nur nützlich ist.

Magdalena Hoffmann ist Studienleiterin der CAS-Weiterbildung «Diskurskompetenzen für Führungskräfte» an der Universität Luzern.

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