Der E-Bike-Boom ruft immer mehr grosse branchenfremde, internationale Antriebshersteller auf den Plan. Doch auch innovative Schweizer Firmen finden ihre Nische.
Das Geschäft mit Elektrovelos brummt weiterhin hochtourig: 2018 wurden in der Schweiz rund 111000 Stück verkauft, womit der Gesamtbestand auf über 600000 angewachsen ist. Und in Europa wurden letztes Jahr geschätzte drei Millionen E-Bikes abgesetzt. An der letzten Velomesse Eurobike wurden über 60 E-Bike-Antriebe gezeigt.
Zunehmend stärker präsent ist die Automotive-Industrie. Das war zwar schon vor einem Jahrzehnt der Fall, als der Autozulieferer Magna mit BionX eine der beiden Pioniermarken übernahm; der andere führende Anbieter war mit Panasonic ein Elektronikkonzern. Nun aber steht eine gute Handvoll grosser Automobilzulieferer in der Tür, um nach Brose dem Branchenprimus Bosch Konkurrenz zu bieten: Amprio (Rheinmetall), Mahle, Marquardt, Oechsler und ZF.
Allerdings ist der Vorsprung von Bosch enorm. Über 70 Marken und etwa jedes dritte im Fachhandel verkaufte E-Bike in Europa sind Bosch-angetrieben. «Bosch hat die Messlatte sehr hoch gesetzt und Bosch hat den Markt ‹gemacht›. Ohne diese Marke hätte sich das E-Bike nicht so rasant entwickelt», erklärt Ivica Durdevic, der von 2009 bis 2012 erster Projektleiter bei Bosch eBike Systems war und seit 2013 Entwicklungschef bei Flyer in Huttwil ist. Claus Fleischer, Geschäftsleiter von Bosch eBike Systems, geht davon aus, dass schon in wenigen Jahren jedes zweite verkaufte Fahrrad elektrisch angetrieben sein wird. Bosch hat mit der soeben vorgestellten vierten Motoren-Generation nicht nur einen grossen technologischen Vorsprung, sondern dank des grössten Service-Netzes auch einen logistischen. Gemäss Durdevic werden der Service und der Zugang zum Velomarkt auch matchentscheidend sein, ob es Newcomern gelingt, sich mit neuen Antrieben zu etablieren. Die Chance packen will die ZF (Zahnradfabrik) in Friedrichshafen, ebenfalls einer der weltgrössten Automobilzulieferer: An der letzten Eurobike präsentierte sie unter dem wieder belebten Traditionsnamen Sachs (seit 2001 im Besitz von ZF) einen neuen E-Bike-Antrieb.
Gleichwohl muss es kein Gigant aus der Automotive-Industrie sein – Maxon aus Sachseln beweist, dass es auch «The Swiss way» gibt. Innovative Schweizer Firmen haben ja eine Tradition in der Herstellung von Antrieben für Elektrovelos: Anfang der Neunzigerjahre Michael Kutter mit seinem Dolphin (dem ersten schnellen E-Bike) und zwei Jahrzehnte später Electragil, die aber für ihren leistungsstarken Motor «Impuls» zu wenig Hersteller als Abnehmer fand und Konkurs ging. Die Firma Maxon hingegen ist ein weltbekannter Produzent von Mikromotoren für die Medizinaltechnik und Industrieautomation. Mit ihrem grossen Mechatronic-Knowhow wagte sie vor drei Jahren mit Bikedrive, einem Radnabenmotor, den Einstieg ins E-Bike-Geschäft. Diese Wahl war für CEO Eugen Elmiger klar: «Der Radnabenmotor bietet mit seinem Direktantrieb den besten Wirkungsgrad.» Fachleute bescheinigten ihm denn auch eine gute Performance – doch die klobige Akkubox war optisch alles andere als up-to-date, weshalb das Obwaldner Kraftpaket erst von wenigen Nischenanbieter wie Aarios und zur privaten Nachrüstung verwendet wird.
Weil in den letzten Jahren ein starker Trend zu rahmenintegrierten Akkus einsetzte, entwickelt Maxon nun ebenfalls einen integrierten Akku und dazu einen Mittelmotor. Derzeit läuft die Erprobung und Elmiger ist zuversichtlich, dass ab 2020 endlich mehrere Erstanbieter auf Maxon setzen. Er ist aber auch offen für eine allfällige Kooperation mit einem grossen Autozulieferer.
Was beim Automobil längst Selbstverständlichkeit ist, steht jetzt vor dem Einzug beim E-Bike: das ABS. Kein Wunder, kommt mit Bosch erstmals ein Produzent aus der Autoindustrie damit auf den Markt, allerdings ist er dafür eine Partnerschaft mit Bikebremsen-Spezialist Magura eingegangen. Grössere Verbreitung könnte ein ABS des schwäbischen Bikekomponenten-Herstellers Brakeforce One finden, da dieses mit verschiedenen Systemen kompatibel ist. Zudem geht es noch einen Schritt weiter als das Bosch-System – es wirkt nicht nur aufs Vorder-, sondern auch aufs Hinterrad. Ein solches ABS soll verhindern, dass das Vorderrad blockiert (was auf nassem Boden schnell geschehen kann) oder das Hinterrad abhebt.