Alternative Anlagen sind gefragt. In der Zentralschweiz sind vor allem die Kantone Zug und Schwyz beliebte Standorte für Venture-Capital-Fonds.
Über Start-ups wird ziemlich oft geschrieben. Wer für seine Idee wie viel Geld erhalten hat, ist meist rasch nachzulesen. Doch wer sind die Investoren, die – gerade in der Zentralschweiz – Millionen für Ideen sprechen oder in bereits am Markt agierende Jungunternehmen stecken? Auf der anderen Seite, sozusagen, stehen sogenannte Venture-Capital-Firmen oder -Fonds (siehe Kasten unten). Höchste Zeit für einen Überblick über diese Wagnis- oder Risikokapitalgeber-Szene, die in der Zentralschweiz mit den Kantonen Zug und Schwyz ein aktives Zentrum besitzt.
So vermeldete vor einem Monat die Schwyzer Risikokapital-Gesellschaft VI Partners, dass sie durch zwei kurz zuvor verkaufte Beteiligungen mit Rekordeinnahmen von bis zu 105 Millionen Franken rechnet. Die Firma mit Sitz in Altendorf hat gemäss eigenen Angaben seit 2001 über ihren Fonds Venture Incubator 208 Millionen Franken in 48 Schweizer Start-ups investiert. 28 dieser vor allem aus dem Gesundheits- und Technologiebereich stammenden Gesellschaften hat VI Partners inzwischen wieder veräussert. Dabei nahm die Firma insgesamt 240 Millionen Franken ein.
Man adressiere den gesamten Schweizer Markt sowie angrenzende europäische Regionen, sagt Benedikt Luhmann von VI Partners. «Unser Headquarter im Kanton Schwyz ist hierfür ein idealer Standort». Die Investments verteilten sich über alle Finanzierungsphasen. «Wir haben uns und werden uns auch in Zukunft stark im Bereich der Frühphaseninvestitionen bewegen. Wir planen mit Investitionen von etwa 20 Prozent Seed-Stage, 50 Prozent Early-Stage und 30 Prozent Late-Stage», erklärt Luhmann. Unter der Seed-Stage oder Seed-Phase versteht man die Finanzierung mit Eigenkapital in der Phase der Vorgründung und der Gründungsphase eines Start-ups. In der Seed-Phase erhalten diese in der Regel kaum Bankkredite, da sie über keine Sicherheiten verfügen.
In der folgenden Early-Stage-Phase hingegen ist das Produkt bereits entwickelt, und erste Kunden sind vorhanden. Venture Capital dient hier gezielt dem Aufbau der Organisation und der Kundengewinnung. In den Later-Stages – oder der Wachstumsphase – geht es um das Wachstum.
Als Investmentklasse ist Venture Capital aktuell beliebt. Laut dem jährlich erscheinenden «Swiss Venture Capital Report» wurde im vergangenen Jahr zum ersten Mal überhaupt über 1 Milliarde Franken in Schweizer Jungunternehmen investiert (siehe Grafik). Knapp 1,24 Milliarden waren es – eine Steigerung von knapp 32 Prozent zu 2017. Ein Grund dafür dürfte der Negativzinskurs der Schweizerischen Nationalbank sein. Die Negativzinsen lassen Investoren – gerade auch die institutionellen wie Pensionskassen – nach Alternativen Ausschau halten. Diese Entwicklung sieht auch Benedikt Luhmann. Bei VI Partners habe man in den vergangenen zwei bis drei Jahren zahlreiche andere Fonds beobachtet, welche Rekordsummen einnahmen.
Laut Eugen Stamm von der Verve Capital Partners AG mit Sitz in Baar und weiteren Büros in Zürich und Genf nehmen Investments in Start-ups in der Schweiz «seit Jahren mit 30 Prozent jährlich zu und werden bald die 2-Milliarden-Grenze überschreiten». Das liege einerseits «an der zunehmenden Professionalisierung des Sektors und andererseits auch an der Suche der Investoren nach Anlagen mit einem interessanten Risiko-Rendite-Profil und geringer Korrelation mit traditionellen Anlagen», sagt Stamm. Verve Capital Partners betreibt das Portal Investiere.ch. Dieses vermittelt Investoren und Start-ups, übernimmt beispielsweise die Prüfung von Hightech-Start-ups und präsentiert die besten Anlagemöglichkeiten auf ihrer digitalen Plattform. Investoren aus der ganzen Welt können sich auf der Website registrieren. Investments sind ab 10'000 Franken möglich; auf den investierten Betrag erhebt der Venture-Capital-Spezialist eine Gebühr.
Im letzten Jahr haben die Baarer rund 30 Millionen Franken vermittelt. Seit der Gründung 2010 waren es laut Stamm allein von Privatinvestoren über 60 Millionen, und mit institutionellen Investoren über 80 Millionen Franken. Bezüglich Branche sei man nicht auf eine bestimmte Industrie oder nur Software-Start-ups fixiert. «Unter den 70 Start-ups, die Investiere.ch bisher finanziert hat, finden sich viele verschiedene Bereiche: Life Sciences, Informations- und Kommunikationstechnik oder Industrie/Hightech.» Auffällig sei die grosse Zahl von Spin-offs der ETH und der EPFL im Portfolio. Laut Stamm wurden via Investiere.ch über 30 Millionen Franken in solche Jungunternehmen investiert. Die Mehrheit der bisher finanzierten Start-ups stamme aus der Schweiz.
Als Venture Capital wird ein Investment bezeichnet, welches zur Finanzierung eines Jungunternehmens (Start-ups) eingesetzt wird, das noch keinen Gewinn schreibt. Der Begriff Venture Capital kommt aus dem Englischen und kann mit Wagnis- oder Risiko-/(Chancen)-Kapital übersetzt werden. Die deutsche Bezeichnung deutet an, dass es sich um eine Investmentform handelt, bei der für Investoren ein gewisses Risiko besteht, ihr Geld ganz oder zu grossen Teilen zu verlieren. Mit einer Investition in einen Venture-Capital-Fonds kann jedoch aufgrund der Diversifikation das Risiko deutlich reduziert werden. Venture Capital stellt kein Kredit dar, sondern ist eine Form der «Entwicklungshilfe» für eine Geschäftsidee oder ein bereits fortgeschrittenes Projekt. Zur Finanzierung werden Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Finanzierungsinstrumente eingesetzt. Wird das Produkt oder die Dienstleistung ein Erfolg, können Investoren mit dem Verkauf ihrer Anteile – etwa an einen Grosskonzern – an der Jungfirma Gewinne erzielen. Venture Capital im engeren Sinne ist eine Form von Private Equity, also privaten Kapitalanlagen; es wird an meist junge, innovative und nicht börsenkotierte Firmen mit erkennbarem Entwicklungs- und Wachstumspotenzial vergeben. (lb)
Auf Schweizer Start-ups ausgerichtet ist auch das im letzten Dezember gegründete Venture-Capital-Unternehmen Spicehaus Partners mit Sitz in Zug. Denn: Bei Investitionen in Start-ups im frühen Stadium sei «das Gründerteam das wichtigste Kriterium für eine Investition, neben dem Produkt, dem Marktumfeld und der Strategie», sagt Spicehaus-Partner und -Gründer Teddy Amberg. «Naturgemäss können wir das in unserem Heimmarkt am besten einschätzen, weil wir mit der lokalen Kultur vertraut sind und gegebenenfalls in unseren persönlichen Netzwerken auch Referenzen einholen können.»
Der Fokus von Spicehaus Partners liegt auf Early-Stage-Projekten. Amberg: «Wir investieren, sobald ein Start-up den ‹Proof-of-Concept› erbracht hat, das heisst, über ein fertiges Produkt oder eine fertige Dienstleistung und über erste zahlende Kunden verfügt. Das ist in der Regel in den ersten zwei bis drei Jahren nach der Gründung der Fall. Alle unsere Investitionen liegen in diesem Bereich.» Amberg und sein Team haben gemäss eigenen Angaben seit Jahresbeginn «einen siebenstelligen Frankenbetrag» investiert. Man bevorzugte Start-ups «mit echten Geschäftsmodellen, welche in einigen Jahren nachhaltig selbsttragend sein können, im Vergleich zum ‹Unicorn-Hunting›, so Amberg, der mehrere Jahre beim Baarer Investmentspezialisten Partners Group tätig war.
Dabei hat Spicehaus vor allem die Sektoren Fintech (Banken und Versicherungen, inklusive Regulierungssektor), Immobilien, Aus- und Weiterbildung sowie Human Resources im Auge. Gründer Amberg sagt: «In diesen Sektoren ist die Schweizer Wirtschaft stark und wir haben hierzulande eine Vielzahl grosser Unternehmen als Kunden, als mögliche Käufer und als Talentschmiede für erfahrene Gründerteams. Zudem hat die Digitalisierung in diesen Sektoren erst begonnen und es besteht ein enormes Aufholpotenzial, das innovative Startups nutzen können.»
Bereits seit 2001 und in anderen Dimensionen ist der Zuger Vermögensverwalter und Investmentspezialist HBM Partners als Venture-Capitalist aktiv, und dies weltweit. Sein grösstes Investmentvehikel ist die HBM Healthcare Investments, eine Beteiligungsgesellschaft, welche an der Schweizer Börse kotiert ist. Mehr als 2000 Aktionäre zählt sie mittlerweile. «Rund 45 Prozent unserer verwalteten Vermögen sind in privaten Unternehmen investiert, welche zur rund der Hälfte bereits über Produkte auf dem Markt verfügen oder profitabel sind. Das entspricht etwas mehr als 600 Millionen Franken», sagt Thomas Heimann von HBM Partners. Dabei konzentriert sich das Zuger Investmenthaus auf den Gesundheitssektor; Venture-Capital/-Growth-Investments seien klar der Fokus, so Heimann. «Pro Jahr investieren wir hier 80 bis 120 Millionen.»
Das Gesamtportfolio von HBM Healthcare Investments beläuft sich aktuell auf ein Nettovermögen von rund 1,4 Milliarden Franken. Laut Heimann hat HBM in den letzten zehn Jahren über 40 erfolgreiche Unternehmensverkäufe und Börsengänge realisiert.
Neben den genannten Akteuren gibt es in der Region zahlreiche weitere Wagniskapitalinvestoren, beispielsweise Tenderloin Ventures aus Zug. Die Firma investiert in einem frühen Stadium in Technologie-Firmen. «Wir investieren Geld und verbringen Zeit mit den Start-ups in dieser frühen Phase um in einer späteren Phase unsere Anteile zu einem höheren Preis zu verkaufen. Da nicht jedes Start-up erfolgreich ist, tun wir das mit zehn oder mehr Firmen gleichzeitig», sagt Cédric Waldburger von Tenderloin. Sein Unternehmen habe bisher knapp 5 Millionen Franken in Firmen in der Schweiz und Deutschland investiert. Tenderloin plane, in den nächsten Jahren «bis zum Fünffachen davon» zu investieren, sagt Waldburger.
In Zug agiert seit knapp einem Jahr die Aktiengesellschaft CV VC als «Starthelfer» für Jungfirmen – allerdings ausschliesslich für solche aus dem Blockchain-Bereich. CV VC steht für Crypto Valley Venture Capital. Start-ups, die von CV VC ausgewählt werden, erhalten 125'000 US-Dollar und werden während dreier Monate in Zug von Experten gecoacht. Weiter zum Paket gehören auch Arbeitsplätze und Übernachtungsmöglichkeiten in Zug.
Ebenfalls als Venture-Capitalist engagiert ist die Schwyzer Kantonalbank, die mit einem Innovationsfonds eigenes Kapital, also nicht jenes von Kunden oder Investoren, hauptsächlich in Jungfirmen im Technologiebereich investiert.