BANKEN: «Digital alleine reicht nicht»

Zuletzt ist die Zahl der Schaltertransaktionen bei der Valiant um einen Viertel eingebrochen. Verwaltungsratspräsident Jürg Bucher erklärt, wie die Bank reagiert. Und er fordert eine Teilprivatisierung der Postfinance.

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Jürg Bucher, Verwaltungsratspräsident der Valiant Bank. (Bild: Philipp Schmidli (Bern, 12. Dezember 2017))

Jürg Bucher, Verwaltungsratspräsident der Valiant Bank. (Bild: Philipp Schmidli (Bern, 12. Dezember 2017))

Interview: Maurizio Minetti

Jürg Bucher, Valiant hat dieses Jahr die Triba Partner Bank AG mit Niederlassungen in Triengen, Büron, Nebikon, Reiden und Sempach Station übernommen. Wie weit sind Sie mit der Integration?

Ende des dritten Quartals 2017 haben wir die Triba in der Bilanz der Valiant konsolidiert. Die Integration verläuft gut, es gibt keine Probleme und auch keine wesentlichen Kundenabgänge. Alle Mitarbeitenden haben ein Jobangebot, und die allermeisten haben den neuen Arbeitsvertrag bereits erhalten. Die rechtliche Fusion ist per Mitte 2018 vorgesehen, rückwirkend auf den 1. Januar 2018.

Was ändert sich für die Triba-Angestellten?

Es wird eine Reihe von Anpassungen geben für sie – angefangen bei neuen Arbeitsverträgen, einer neuen Organisation und neuen Prozessen. Auch das Produktangebot der Triba wird an jenes der Valiant angeglichen.

Was passiert mit dem Namen Triba?

Er wird verschwinden. Die Geschäfts­stellen werden bis Mitte 2018 auf den Markenauftritt der Valiant umgestellt.

Nicht alle Triba-Aktionäre haben ihre Aktien der Valiant verkauft. An der letzten Triba-GV in Sursee kritisierten Kleinaktionäre, der Deal sei sowieso schon beschlossene Sache.

Nach unseren Informationen gab es keine wirklichen Widerstände gegen die Übernahme. Mittlerweile haben wir 97,4 Prozent der Aktien übernommen. Das Angebot von 1450 Franken pro Triba-Aktie war denn auch fair für die Aktionäre. Einzelne Aktionäre haben sich nicht gemeldet und ihre Aktien nicht zum Kauf angedient, das erklärt den kleinen fehlenden Prozentsatz.

Triba gehörte zumindest gefühlt schon seit Jahren zur Valiant. Planen Sie darüber hinaus weitere Zukäufe?

Unsere Strategie ist klar: Wir wollen künftig vom Genfersee bis zum Bodensee präsent sein. Nur im Tessin, im Wallis und im Bündnerland haben wir im Moment keine Ambitionen. In erster Linie wollen wir organisch, also aus eigener Kraft, wachsen. Wenn es aber Möglichkeiten für Übernahmen gibt, schauen wir uns das durchaus an. Eine Bank müsste in unser Geschäftsmodell passen, und auch die Kultur müsste bei einer Übernahme stimmen. Der grossen Mehrheit der Regionalbanken geht es aber gut, und sie suchen nicht aktiv einen Käufer.

Sie haben im Sommer angekündigt, dass in den meisten Filialen der Bankschalter in den kommenden Jahren geschlossen werden soll. Davon sind Dutzende Mitarbeitende betroffen.

Es sind keine Kündigungen vorgesehen. Schaltermitarbeiter können sich weiterbilden lassen und intern neue Funktionen übernehmen, etwa in der Kundenberatung oder im Kundencenter. Unter dem Strich haben wir in den letzten Jahren Stellen geschaffen, allein dieses Jahr waren es rund ein Dutzend. Aber lassen Sie mich die Filialstrategie erklären: Das Verhalten der Bankkunden ändert sich grundlegend. In den letzten zwei Jahren ist die Zahl der Transaktionen an den Valiant-Schaltern um 25 Prozent zurückgegangen, und wir gehen davon aus, dass der Rückgang weitergeht. Vieles wird heute digital erledigt, da müssen wir als Bank an unseren physischen Standorten logischerweise reagieren. Darum haben wir entschieden, den klassischen Bankschalter teilweise mit digitalen Dienstleistungen zu ersetzen und in den Filialen verstärkt auf die persönliche Beratung zu setzen.

Wie passt die Expansion von Westen nach Osten dazu?

Digital alleine reicht eben nicht. Wir waren 2016 zwar die Ersten in der Schweiz, welche die Online-Kontoeröffnung ermöglicht haben, aber man muss ganz klar sehen: Deswegen rennen einem die Kunden nicht die Türe ein. Wir registrieren aktuell rund 90 Online-Kontoeröffnungen pro Monat, das sind nur ein paar Prozente im Verhältnis zu allen Kontoeröffnungen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Online-Kontoeröffnung läuft gut, und man muss digital Präsenz zeigen, aber wenn man expandieren will, muss man auch physisch beim Kunden präsent sein. Filialen und ihre Mitarbeitenden sind das Gesicht von Valiant.

In den neuen Filialen wird man aber als Erstes per Video begrüsst.

Ja, so ist das Konzept in den neuen Filialen in Brugg und Morges, aber nach der Videobegrüssung hat man die Möglichkeiten, mit Beratern aus Fleisch und Blut zu reden. Wir verbinden so die persön­liche Beratung mit der digitalen Welt.

Die Valiant ist eine ländliche Bank. Ihre Kunden machen auch Bargeldeinzahlungen oder wollen am Schalter Geld beziehen. Fürchten Sie nicht den Ärger der Kunden, wenn keine Menschen mehr am Schalter sind?

Darum gehen wir behutsam vor. Nächstes Jahr führen wir in Wohlen bei Bern, Neuenegg und Buchrain ein Pilotprojekt durch, um mit dem neuen Modell vorerst Erfahrungen zu sammeln.

Immer mehr Banken haben gar kein Bargeld mehr in den Filialen. Als ländliche Bank haben Sie aber eine bargeldaffinere Kundschaft.

Vorderhand haben wir in den bestehenden Filialen nach wie vor Bargeld, aber wenn das Pilotprojekt mit den drei Geschäftsstellen gut verläuft, führt in den kommenden Jahren kein Weg daran vorbei. Der Trend geht klar Richtung abnehmende Schaltertransaktionen – auch auf dem Land. Kunden werden für Ein- und Auszahlungen Bancomaten nutzen können. Die 20 grössten Valiant-Filialen werden aber auch weiterhin über Schalter und Bargeld verfügen, etwa jene am Berner Bundesplatz oder in Luzern.

Nicht nur die Zahl der Schaltertransaktionen ist rückläufig, auch die Margen werden kleiner, und die Zinsen sind nach wie vor tief. Dabei ist das Zinsdifferenzgeschäft Ihr Hauptpfeiler. Wie reagieren Sie auf die Ertragserosion?

Wir gehen davon aus, dass der Margendruck weitergeht, auch wenn die Zinsen langsam steigen sollten. Da muss man sich keine Illusionen machen. Für uns gibt es diverse Gründe dafür. Es gibt neue Wettbewerber wie Versicherungen und Pensionskassen, die andere Konditionen anbieten können als wir. In der Finanzbranche ist zudem die Transparenz gestiegen, das drückt den Preis. Vor diesem Hintergrund wollen wir versuchen, die Marge zu halten. Bei den Hypotheken und den KMU-Krediten haben wir die Devise Ertrag vor Volumen, auf der Passivseite wollen wir unsere Refinanzierungskosten senken, zum Beispiel mit den kürzlich lancierten Covered Bonds.

Sie haben den Konkurrenzdruck angesprochen. Viele Mitbewerber der Valiant haben entweder eine Staatsgarantie oder sind Too-big-to-fail-Grossbanken. Wie gehen Sie damit um?

Wir haben nicht gleich lange Spiesse. Gewisse Banken mit Staatsgarantie können Gelder zu Negativzinsen entgegennehmen und damit auch viel Geld verdienen. Wir können das nicht im gleichen Ausmass. Allerdings ist das auch kein nachhaltiges Geschäft.

Auch die Postfinance, die Sie als ehemaliger CEO gut kennen, ist seit zwei Jahren «too big to fail». Sie darf aber keine Kredite selbstständig vergeben und kooperiert deshalb seit 2009 unter anderem mit der Valiant. Wie läuft die Partnerschaft?

Der Vertrag zu den Hypotheken wird weiterlaufen. Bei den KMU-Krediten wird die Zusammenarbeit per Ende 2018 beendet.

Warum?

Das Volumen ist zu klein, es rentiert nicht. Das KMU-Geschäft war schon immer recht harzig. Es steht bei der Post­finance auch nicht zuoberst auf der Prioritätenliste.

Was bedeutet das Ende der Partnerschaft bei den KMU-Krediten für Valiant?

Bei den KMU-Krediten sieht die Partnerschaft vor, dass Postfinance die Kredite vermarktet und Valiant gegen eine Entschädigung das Kreditrisiko trägt. Der Wegfall dieser Erträge ab 2019 ist vernachlässigbar. Aber lassen Sie mich noch etwas zur Postfinance sagen.

Bitte.

Postfinance ist eine von der Politik behinderte Bank, die nicht vollumfänglich geschäften darf. Es kann doch nicht sein, dass man der Postfinance eine Bank­lizenz gibt, sie dann aber mit einem Kreditverbot zurückbindet. Die Postfinance hat von der Politik zwei Aufträge: Service public im Zahlungsverkehr und Steigerung des Unternehmenswertes. Was heute aber passiert, ist Vermögensvernichtung. Ich habe volles Verständnis dafür, dass die Bankenbranche sagt, die Postfinance dürfe keine Kredite vergeben, solange sie dem Bund gehört. Das heisst, dass man Postfinance mindestens teilprivatisieren sollte. Es geht nicht um die Vergabe von Hypotheken, sondern um die unternehmerische Freiheit. Ich denke da an das Modell Swisscom, bei dem der Bund nach wie vor die knappe Mehrheit hält.

Dafür gibt es derzeit wohl keine politische Mehrheit.

Darum muss man anfangen, auch dar­über zu diskutieren, was mit dem Geld passieren würde, das Post und Bund aus dem Verkauf einnehmen könnten. Die Postfinance ist derzeit rund 5 bis 8 Milliarden Franken wert. Eine Teilprivatisierung würde also zwischen 2,5 und 4 Milliarden Franken in die Post- und Bundeskassen spülen. Mit dem Geld könnte man zum Beispiel Investitionen in einen modernen Service public der Post oder in die Förderung der Digitalisierung in der Schweiz anstossen.

Wer folgt auf Bucher?

Weil Jürg Bucher dieses Jahr 70 geworden ist, muss er im nächsten Frühjahr das Verwaltungsratspräsidium bei der Valiant abgeben. Lange Zeit galt Vizepräsident Ivo Furrer, der frühere CEO von Swiss Life Schweiz, als heissester Kandidat für den Posten. Doch er verliess den Valiant-Verwaltungsrat, um ins Aufsichtsgremium der Privatbank Julius Bär zu wechseln. Seitdem wird über die Nachfolge von Bucher gerätselt.

«Der Verwaltungsrat wird im Verlauf des ersten Quartals im Rahmen der Anträge an die Generalversammlung darüber entscheiden», sagt Bucher. Und was macht er danach? «Ich habe noch einige Mandate, doch möchte ich diese in den kommenden zwei, drei Jahren schrittweise herunterfahren. Möglicherweise werde ich dann mehr Zeit haben für meine Hobbys Orientierungslauf, Biken, Ski alpin, Langlauf, Kunst und Kultur», sagt Bucher, der sich als Newsjunkie bezeichnet; er liest regelmässig «Bund», «NZZ», «FAZ», «New York Ti­mes» und verschiedene Online-Medien.

mim