Die grosse Konsolidierungswelle in der Eurozone dürfte noch länger auf sich warten lassen. Credit Suisse kann das nur recht sein.
«Wenn wir nicht schon im Ausland zugekauft hätten, würden wir heute vermutlich nicht damit anfangen», sagte der frühere UBS-Manager und aktuelle Unicredit-Chef Andrea Orcel vergangene Woche auf einer Konferenz des europäischen Lobbyverbandes AFME in Frankfurt.
Der Italiener ist mit seiner Haltung nicht allein. Ähnlich äusserten sich an der Veranstaltung auch andere Spitzenmanager europäischer Grossbanken wie etwa die Finanzchefin der französischen Société Générale, Claire Dumas, oder ihr Kollege Antoni García Canter vom spanischen Institut Santander.
Dafür gibt es vor allem einen Grund: Das Projekt zur Schaffung einer europäischen Bankenunion kommt nicht vom Fleck. Im Mai hatte der Präsident der Eurogruppe, der irische Finanzminister Paschal Donohoe, einen neuen Vorstoss unternommen, um das seit Jahren brachliegende Vorhaben endlich in Schwung zu bringen. Inzwischen ist klar, dass auch dieser Versuch gescheitert ist.
So hatte der deutsche Finanzminister Christian Lindner vor zwei Wochen am Rande eines Eurogruppen-Treffens in Luxemburg klargestellt, dass Deutschland keiner Bankenunion zustimmen werde, welche die Marktposition der Sparkassen und Genossenschaftsbanken beschädigen würde. Ein europäisches System der Einlagensicherung, das zu einer vollständigen Vergemeinschaftung der Haftungsrisiken führe, stehe für Deutschland nicht zur Debatte, zitierte die Frankfurter «Börsen-Zeitung», den Minister.
Die Bankenunion ist der zentrale Pfeiler zur Schaffung eines gemeinsamen Marktes für Bankdienstleistungen in den Ländern der Eurozone. Sie besteht aus einem zentralen Aufsichtsregime und einem Mechanismus, unter dem insolvente Banken abgewickelt werden können. Die Verantwortung dafür hat die Europäische Zentralbank schon vor geraumer Zeit übernommen. Die pièce de résistance ist die Schaffung eines gemeinschaftlichen Einlagensicherungssystems. Das Ziel eines solchen Systems besteht darin, die nationalen Systeme zur Sicherung von Einlagen von bis zu 100’000 Euro pro Person so zu harmonisieren, dass sich die Sparer im ganzen Euroraum darauf verlassen können, unabhängig wo sie leben und bei welcher Bank sie Kunde sind.
Damit ein gemeinschaftliches europäisches Einlagensicherungssystem aber glaubwürdig sein kann, braucht es ein europäisches Rückversicherungssystem, das die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der nationalen Systeme ausgleichen kann. So könnten mindestens in der Theorie Schalterstürme vermieden werden, wie sie in der Finanzkrise beispielsweise in Griechenland vorgekommen waren und zu Destabilisierung des gesamten europäischen Finanzsystems führten.
Doch angesichts der immer noch schwachen finanziellen Verfassung vieler europäischer Banken und im Blick auf die erheblichen und aktuell wieder zunehmenden Divergenzen zwischen den Volkswirtschaften im Euro-Raum hält sich die Solidarität unter Europas Banken in engen Grenzen. So sehen etwa die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken ihr eigenes Einlagensicherungssystem als einen klaren Vorteil im Wettbewerb mit anderen Banken. Die Lust auf eine Vergemeinschaftung der Haftungsrisiken hält sich bei diesem Banken dementsprechend in engsten Grenzen.
Der Status quo bei den europäischen Einlagensicherungssystemen führt dazu, dass die Euro-Länder Steuerzahler mit spezifischen Kapital- und Liquiditätsanforderungen an die im eigenen Land tätigen Banken schützen. So sind europaweit tätige Banken wie die italienische Unicredit gezwungen, in den von ihnen bearbeiteten nationalen Märkten deutlich mehr Kapital vorzuhalten, als dies unter einem gemeinschaftlichen Einlagensicherungssystem nötig wäre. Grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen bleiben deshalb unattraktiv, obschon die schwache Profitabilität vieler europäischen Banken ein starkes Argument dafür wäre, Skaleneffekte und Grössenvorteile auszuspielen und eine Konsolidierung des fragmentierten europäischen Bankenmarktes voranzubringen.
Der Credit Suisse kann der regulatorische Stillstand in Europa nur recht sein. Die Bank ist im Zug der jüngsten Krisen zu einem Zwerg geschrumpft und geriete im Zug einer paneuropäischen Konsolidierungswelle wohl so weit ins Hintertreffen, dass ein Aufholen des Rückstandes aus eigener Kraft kaum mehr zu bewerkstelligen wäre. So aber gewinnt das Institut noch etwas mehr Zeit, die Probleme zu bewältigen und als selbstständiges Institut vielleicht einen Neuanfang zu schaffen.
Derweilen geht die UBS bei amerikanischen Grossinvestoren mit dem Argument hausieren, man sei kein europäisches sondern ein globales Finanzinstitut, das eine Börsenbewertung verdiene, die jener amerikanischer Grossbanken näher kommen müsste. Tatsächlich ist die UBS in den vergangen zwölf Monaten in der Rangliste der nach Börsenwert grössten Banken Europas vom dritten in den ersten Rang aufgestiegen.