Die Einführung der Negativzinsen hat die Nachfrage nach 1000er-Noten sprunghaft ansteigen lassen. Anleger horten ihr Geld im Bankschliessfach statt auf dem Konto — oder im eigenen Tresor.
Roman Schenkel
Seit Mitte Januar bittet die Schweizer Nationalbank (SNB) die Banken zur Kasse. Im Kampf gegen den starken Schweizer Franken erhebt die SNB einen Negativzinssatz von 0,75 Prozent auf ihren Girokonten. Damit will die Nationalbank ausländischen Anlegern die Flucht in den Schweizer Franken abspenstig machen. Die Banken geben die Negativzinsen bis jetzt nur vermögenden und institutionellen Kunden wie beispielsweise Pensionskassen weiter. Kleinsparer sind davon nicht direkt betroffen – noch nicht. Da aber zahlreiche Banken den Strafzins via erhöhte Kontogebühren weitergeben, muss für ein Sparkonto dennoch vielerorts etwas draufbezahlt werden.
Aus Angst vor den Strafzinsen und zusätzlichen Gebühren fliehen Anleger zunehmend in Bargeld. Dies zeigen die Zahlen der SNB. Insbesondere die 1000er-Note, die wertvollste Note weltweit, ist begehrt. Im ersten Halbjahr stieg der Wert der 1000-Franken-Noten laut Zahlen der SNB stark an – auf rund 41,8 Milliarden Franken (siehe Grafik). «Noch nie waren so viele 1000er-Noten im Umlauf wie heute – rund 60 Prozent des Bargeldumlaufs besteht aus 1000er-Noten», sagt Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin. Wegen der Negativzinsen erscheine das Halten von Bargeld manchen Anlegern, die risikoreichere Finanzmarktprodukte meiden wollen, attraktiv, erklärt Junius den Anstieg.
«Die Zunahme an 1000er-Noten war insbesondere in den Monaten Januar, Februar, März und April überdurchschnittlich», sagt Maxime Botteron, Ökonom bei der Credit Suisse. Auch er führt dies auf die Einführung der Negativzinsen durch die SNB zurück. «Die Anleger können auf diese Weise die Negativzinsen vermeiden, beziehungsweise sie laufen nicht Gefahr, irgendwann solche zu bezahlen.» Auch in den Monaten Juni und Juli nahm die Menge an 1000er-Noten zu. Die Zunahme lag aber laut Botteron im durchschnittlichen Bereich. Er vermutet, dass es vor allem private Anleger sind, die ihr Geld nun in Bargeld umschichten. «Würden es auch Institutionelle wie beispielsweise Pensionskassen tun, wäre der Anstieg viel ausgeprägter», erklärt er.
Laut der Nationalbank deute der hohe Anteil der grossen Noten darauf hin, dass Banknoten nicht nur als Zahlungsmittel, sondern in erheblichem Umfang auch als Wertaufbewahrungsmittel verwendet würden. Die SNB bezeichnet die allgemeine Bargeldnachfrage seit der Einführung der Negativzinsen im Dezember 2014 jedoch als «normal». «Es gab allerdings einige wenige Anfragen nach ausserordentlichen Bargeldbezügen», sagt SNB-Sprecherin Silvia Oppliger. Der Anstieg der Bargeldmenge an sich ist auch kein Anlass für Sorge. «Für die Finanzstabilität ist die aktuelle Zunahme kein Problem», sagt Maxime Botteron von der CS. Es sei eine Begleiterscheinung, die mit der Einführung der Negativzinsen auftrete. Dass die Bargeldmenge sich von Monat zu Monat ausweite, sei ebenfalls normal. «Die Wirtschaft wächst, das braucht Geld», sagt er. «Würde die Nationalbank die Zinsen aber nochmals weiter senken und die Banken, die diese an die Retailkunden weiterreichen, dann dürfte die Situation doch etwas anders aussehen», sagt Botteron. Es sind nicht nur die Negativzinsen, die zu einem Anstieg der Bargeldmenge und zu einer stärkeren Nachfrage nach 1000er-Noten führt.
Auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten kann man eine Zunahme beobachten. «Beim Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers liess sich ebenfalls ein starker Anstieg bei den 1000er-Noten feststellen», sagt der CS-Ökonom Botteron. Das Halten von Bargeld hat natürlich auch seine Kosten. Eine im Frühling durchgeführte Studie des Bankdienstleisters Moneyland zeigte aber, dass kleine Bankschliessfächer bereits für einen Pauschalbetrag von 50 bis 200 Franken jährlich zu mieten sind. Laut der Studie sind die kleinsten Schrankfächer in Schweizer Bankfilialen mehrheitlich mindestens vier Zentimeter hoch und 20 Zentimeter breit. Somit lassen sich darin deutlich mehr als eine Million Schweizer Franken verstauen. Denn mit einer Fläche von 18,1x7,4 cm und einer Dicke von rund 0,1 mm sind die 1000er-Noten äusserst platzsparend. Ein Bündel im Wert von 100 000 Franken ist gerade einmal einen Zentimeter hoch. Nicht nur die Schliessfächer bei Banken boomen, auch Tresore sind gefragt. «Die Nachfrage nach Tresoren ist derzeit sehr hoch», bestätigt Ronny Zaugg von Zaugg Schliesstechnik in Luzern. Allerdings seien die Verkaufszahlen bei Tresoren schon seit längerer Zeit sehr gut. «Der Zusammenbruch von Lehman Brothers im September 2008 und die nachfolgende Finanzkrise haben einen veritablen Verkaufsschub ausgelöst», erzählt Zaugg. Dieser sei ungebremst. «Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ist Bargeld stärker nachgefragt und für dessen Aufbewahrung logischerweise auch Tresore», sagt Zaugg. Zumindest für die Tresorverkäufer haben die Negativzinsen so auch ihre positive Seite.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ersetzt nächstes Jahr die seit 1995 bestehende Notenserie. Anders als etwa der amerikanische «Greenback» hat das Schweizer Papiergeld seine Gestalt im Laufe der Zeit mehrmals gewandelt. Seit die ersten Banknoten in der Schweiz zirkulierten, gab es verschiedene Serien – allerdings nicht immer aus Sicherheitsgründen.
Bis Ende des 19. Jahrhunderts war es noch Sache der Kantone, die Banknoten herauszugeben. Die erste Banknote in der Schweiz gab die «Deposito-Cassa der Stadt Bern» 1825 zur Sanierung des Staatshaushalts aus. Bis Ende des 19. Jahrhunderts zirkulierten in der Schweiz Noten von rund 60 Kantonal- und Privatbanken. 1891 wurde mit einer Verfassungsrevision dem Bund das Banknotenmonopol übertragen. Mit der Eröffnung der Nationalbank 1907 trat dieses in Kraft. Seither gab es verschiedene Serien, um die Fälschungssicherheit zu gewährleisten. Zu diesem Zweck gab die SNB sogar Reservenoten in Auftrag. Die letzten Serien zeichnen sich durch benutzerfreundliche und maschinenlesbare Formate sowie besondere Prägungen für Sehbehinderte aus. Dank verschiedener Sicherheitselemente konnte der Fälschungsschutz verbessert werden.
Die Massnahmen zeigen Erfolg. Bei den gefälschten Schweizer Banknoten blieben die Zahlen im vergangenen Jahr gemäss dem Bundesamt für Polizei (Fedpol) auf tiefem Niveau stabil – im Gegensatz zu den gefälschten Fünflibern.
Das Fälschen von Schweizer Banknoten sei für professionelle Fälscher schlicht nicht attraktiv, weil der Währungsraum zu klein sei und die Sicherheitsmerkmale schwierig zu kopieren, hiess es damals beim Bund. Professionell im Offsetdruckverfahren produzierte Fälschungen seien schon seit Jahren nicht mehr aufgetaucht.
(sda)