Das Bergerlebnis auf Rädern wird immer beliebter

Der Schweizer Mountainbike-Tourismus läuft immer besser. Auch mehr Elektrobikes sind in den Bergen unterwegs. Das könnte das Feriensegment für ein noch grösseres Publikum erschliessen.

Andreas Lorenz-Meyer
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Zwei Mountainbike-Fahrer auf dem Weg von Leukerbad in Richtung Zermatt. (Bild: Marius Maasewerd/Keystone (14. September 2017))

Zwei Mountainbike-Fahrer auf dem Weg von Leukerbad in Richtung Zermatt. (Bild: Marius Maasewerd/Keystone (14. September 2017))

Flowtrail, so nennt sich ein Streckentyp beim Mountainbiking. Die Trail-Oberfläche ist eben, was ein flüssiges Fahren möglich macht. Daher auch das Flow im Namen. In den Kurven gibt es Aussenranderhöhungen. Enge Spitzkehren und grosse Steine fehlen. Arosa Tourismus baut gerade einen 7 Kilometer langen, einfachen Flowtrail im Gebiet rund ums Hörnli, den markanten Felszahn in den Plessuralpen.

Mountainbiking spielt eine immer wichtigere Rolle in dem Tourismusgebiet. Beim Ausbau stehen «niederschwellige Angebote» für Familien im Vordergrund, also leichte Touren, die auch Kinder schaffen, so Nicole Hemmi, Produktmanagerin Bike. Hinzu kommt die Infrastruktur jenseits der Strecken. Vier Hotels in Arosa haben sich auf das Bike-Segment spezialisiert. «Sie bieten einen abschliessbaren Raum für die Räder, für Werkzeug, Waschplatz, Trockenraum, Waschservice.» Weiter gibt es in Arosa zwei neue Bikeschulen und mehrere Bike­shops. Zusammen kommen Arosa und Lenzerheide auf 500 Kilometer beschilderte Trails. Die frequentieren hauptsächlich Schweizer, aber auch Gäste aus Deutschland, Benelux, Grossbritannien oder den nordischen Ländern.

Wanderer und Biker stören sich nicht

Wer Mountainbiking touristisch auf- oder ausbauen will, kann sich vom Unternehmen Allegra Tourismus aus Pontresina beraten lassen. Ziemlich viele Schweizer Destinationen tun das auf lokaler oder regionaler Ebene. Fribourg, Graubünden, Zentralschweiz, Zürich, Davos, Andermatt, Lugano, Locarno, St. Moritz, Poschiavo – dort begleitet Allegra gerade Projekte. Geschäftsführer Claude Balsiger geht es darum, Grundlagen für einen funktionierenden Mountainbiking-Tourismus zu schaffen. Bestimmte Fehler sollten vermieden werden. Familien und Kinder dürfen nicht auf eine langweilige Schotterstrasse den Fluss entlang geschickt werden. Für die Kinder braucht es spielerische Elemente am Trail oder Miniatur-Downhills. Mountainbikerinnen wiederum sollte man nicht als weibliche Gäste betrachten, die sich mehr für Shopping interessieren und nur nebenbei ein bisschen in die Pedale treten. Mountainbikerinnen sind Mountainbikerinnen – und so gehören sie auch angesprochen.

Was eine Destination auch wissen sollte: Zu viele Verhaltensregeln und Verbotsschilder nerven Mountainbiker. Von denen gibt es weltweit mehr als Skifahrer, bringt Balsiger das enorme touristische Potenzial auf den Punkt. In der Schweiz sind es laut der Studie «Sport Schweiz 2014» insgesamt 690 000 Mountainbiker. «Von denen machen gerade mal 20 Prozent regelmässig Ferien mit ihrem Mountainbike. 80 Prozent des bestehenden Marktes sind noch unangetastet.» Das Durchschnittsalter der Zielgruppe liegt um die 40, wobei der Anteil älterer und jüngerer Mountainbiker zunimmt.

Die Tagesausgaben von Mountainbikern betragen durchschnittlich 220 Franken. Ihre Hauptmotivation ist es, die Bergnatur zu erleben – vom Mountainbike aus. Grosse Chancen sieht Balsiger bei leichteren Angeboten für Familien und Anfänger. Hier können Tourismusregionen ansetzen. Ihr grosser Vorteil: Die Wertschöpfungskette mit Hotellerie, Gastronomie, Transportleistungen ist bereits etabliert. Das Mountainbike-Angebot muss nur noch darauf ausgerichtet werden. «Am Trail selbst verdient man nichts, aber er dient als Erlebnisträger und multipliziert die Wertschöpfung, wenn er attraktiv genug ist.» Dass sich Wanderer und Mountainbiker gegenseitig stören, findet Balsiger nicht. «Die Schweiz hat 22 000 Kilometer Bergwanderwege – da ist Platz für alle.» Wichtig sei eine saubere Planung und die Nutzerentflechtung, besonders in der Nähe von Bergbahnen oder auf viel genutzten Wegen. «Dann ist eine Co-Existenz sehr gut möglich.» E-Mountainbiking hält Balsiger für den Zukunftsmarkt. Bereits jetzt habe jedes vierte verkaufte Mountainbike einen Antrieb. Für Bergbahnen sieht er in dieser Entwicklung kein Problem. «Die Konkurrenz wird sich in Grenzen halten, weil Akkus auch in Zukunft eine beschränkte Leistung haben.» Überall kommt man mit Antrieb eben nicht hinauf. Schlussendlich sei ein E-Mountainbike eine Transporthilfe wie das Postauto oder die Bergbahn. «Und Postautos konkurrenzieren auch nicht mit Bergbahnen.»

Fahrten werden erfasst

In Andermatt spürt man die Zunahme an E-Bikes. Aktuell wird in der Region St. Gotthard, zu der die Ferienregion gehört, das Netz an Akku-Ladestationen ausgebaut und mit neuster Technik ausgerüstet. Flurin Riedi, Tourismusdirektor Andermatt, ist überzeugt: «E-Power wird das Mountainbike-Erlebnis für ein breiteres Publikum zugänglich machen.»

Vor sieben Jahren hatte Andermatt entschieden, den Sommertourismus mit der Schaffung eines Mountainbike-Angebots zu stärken. Daraus entstand der Masterplan Bike Trails Urserntal. Hier geht es nicht primär um die Schaffung von möglichst vielen Kilometern, sondern um ein qualitativ hochstehendes Angebot. Riedi: «Wir haben ein kleines, aber feines Angebot. Lieber ein paar Kilometer Trail weniger und dafür alles in Top-Zustand.» Im Urserntal soll das Mountainbikenetz dereinst rund 100 Kilometer umfassen. Hinzu kommen die Angebote in der Region St. Gotthard. Es gibt dort verschiedene Routen, die über die Pässe führen und von da Richtung Surselva, Goms, Tessin oder ins Urner Unterland.

«Die Trails mit Panoramablick auf den Lago Maggiore sind eine Stärke unserer Region», sagt Mariano Berri, Bike-Zuständiger bei der Organizzazione turistica Lago Maggiore e Valli. Sport und damit Mountainbike gehört zu den strategischen touristischen Säulen des Feriengebiets. Mittlerweile läuft die dritte Aufbauphase. Zusammen mit den Grundeigentümern ist man dabei, Lösungen für die vorgesehenen Routen zu finden. Alle im Gebiet anwesenden Parteien werden einbezogen. Zum Beispiel auch die Landwirte. Die Trails kommen bei den Planungen immer an erster Stelle, «da sie die Grundlage bilden für die weitere Wertschöpfung im Bike­hotel oder im Bikeshop.»

Momentan plant man einen neuen Flowtrail im Gebiet Cardada–Cimetta. Das Angebot wird zunächst im zentralen Gebiet rund um den See erweitert. Dort befinden sich die wichtigsten Hotels und Dienstleistungen. Danach geht der Streckenausbau weiter in die Täler hinein. Am Lago Maggiore achtet man auch auf Qualitätserhalt. Eigens für die Instandhaltung und Renovierung der Routen wurde in diesem Jahr eine Trail-Crew gegründet. Zwar steigt die Zahl der Mountainbiker, aber die genauen Werte waren bisher nicht bekannt. Das ändert sich. Der Verkehr auf den offiziellen Trails Cardada Bike, Alta Verzasca Bike und Alpe di Neggia Bike wird jetzt überwacht. Im Mai zählte man dort trotz oft regnerischen Wetters etwa 1000 Fahrten.