BESCHÄFTIGUNG: Fragiles Gleichgewicht zwischen den Kleinen und den Grossen

Zwei Drittel aller Schweizer Beschäftigten arbeiten bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Doch der starke Franken gefährdet das Zusammenspiel zwischen KMU und Grossunternehmen.

Daniel Zulauf
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Daniel Zulauf

Die Diskussion um die Unternehmenssteuerreform zeigt: Schweizer Wirtschaftspolitik dreht sich immer auch um die KMU. Eine Überraschung ist das nicht. Den KMU kommt eine grosse wirtschaftliche Bedeutung zu. Gut zwei Drittel aller Beschäftigten in der Schweiz arbeiten in einem Betrieb, der weniger als 250 Mitarbeiter zählt. Fast die Hälfte sind für Firmen mit weniger als 50 Angestellten tätig (siehe Grafik). Der Anteil der Grossunternehmen an der Wertschöpfung ist im Vergleich zur Beschäftigung zwar überproportional hoch, was sich positiv auf den Wohlstand im Land auswirkt. Aber auch hier beläuft sich der Beitrag der KMU auf über 50 Prozent.

Neue Arbeitsplätze sind aber vor allem in staatsnahen Dienstleistungssektoren (Bildung, Gesundheit usw.) entstanden. Demgegenüber hat der zweite Frankenschock (Aufhebung des Euro-Mindestkurses am 15. Januar 2015) in der traditionell exportstarken Maschinen- und Metallindustrie (Mem-Branche) rund 10 000 Arbeitsplätze wegradiert. Zwar zeigen die Exportstatistiken robuste Zahlen, aber immer deutlicher kommt darin das Gewicht der sehr produktiven und beschäftigungsarmen Pharmaindustrie zum Ausdruck. Die Beobachtung ist geeignet, die KMU-Schützer in der Politik auf den Plan zu rufen.

Vier von fünf neuen Stellen entstehen in KMU

Diese vertreten die Auffassung, KMU bildeten das Rückgrat der Wirtschaft. Zahlreiche internationale, wissenschaftliche Untersuchungen neueren Datums stützen diese Sicht. KMU werden in solchen Studien oft als Jobmaschinen gepriesen. Die Schweiz scheint perfekt in dieses Bild zu passen. Vier von fünf neuen Stellen entstehen in den KMU, sagt die Statistik. Die Bedeutung der Grossunternehmen ist also abnehmend. Das Beratungsunternehmen Ecoplan weist in einer aktuellen, vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in Auftrag gegebenen Untersuchung nach, dass die Schweiz überdurchschnittlich viele wachstumsstarke Kleinunternehmen zählt: 12 Prozent aller Firmen ab zehn Beschäftigten steigern ihre Belegschaft in einem Dreijahresvergleich um mehr als 10 Prozent. 3,5 Prozent der Betriebe erhöhen ihre Mitarbeiterzahl im gleichen Zeitraum sogar um 20 Prozent.

Doch wie passt dieser Befund zum Frankenkater der Mem-Industrie, in der sich typischerweise viele KMU-Betriebe betätigen? Eine Hypothese lautet, dass neue Jobs vor allem von jungen KMU geschaffen werden. Die Vorstellung dreht sich um Betriebe, die sich in kurzer Zeit mit neuen Technologien in neuen Märkten ausbreiten. Ein Beispiel ist der Medikamentenhersteller Actelion. Die Firma wurde vor 20 Jahren von vier Personen mit einem Startkapital von 5 Millionen Franken gegründet und wechselt nun mit 2500 Mitarbeitern für 30 Milliarden Dollar die Hand. Eine wachsende Zahl von Studien will belegen, dass dieser Gruppe der KMU eine überproportionale Bedeutung zukommt. Ein solcher Nachweis lässt sich in der Schweiz zwar nicht erbringen. Immerhin aber kann die Ecoplan-Studie zeigen, dass es in der Schweiz viele solcher Jungunternehmen gibt. Die Autoren schätzen, dass 80 bis 400 Start-ups in weniger als drei Jahren nach ihrer Gründung den Mitarbeiterbestand um mehr als 20 Prozent steigern konnten.

Vielfalt als Rückgrat der Wirtschaft

Das sind eindrückliche Zahlen, die allerdings auch kritisch hinterfragt werden können. Frühere Untersuchungen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich haben gezeigt, dass der gesamtwirtschaftliche Effekt solcher Start-ups auf das Stellenwachstum aufgrund der tiefen Ausgangsbasis (höchstens vier Mitarbeiter) sehr gering bleibt. Demgegenüber konnte Bak Basel vor zwei Jahren nachweisen, dass Grossunternehmen in Technologiebranchen einen starken Einfluss auf die Beschäftigungsstruktur im Land haben. Von 2000 bis 2012 wurden in der Schweiz 55000 neue Stellen in den Technologiebranchen geschaffen, während in den traditionellen Industriezweigen 60000 Stellen verloren gingen. Treiber dieses Wandels waren gemäss Bak Basel vor allem Grosskonzerne. Diese Feststellung schmälert allerdings nicht die Bedeutung der Jungunternehmen. Sie mindert aber auch nicht die Wichtigkeit einer soliden Basis an innovativen KMU, die zentrale Vorleistungen für grössere Exporteure vor Ort erbringen können. Vermutlich ist es vor allem diese Vielfalt, die das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft bildet. Der Frankenschock ist eine akute Gefahr für dieses fragile Gleichgewicht.