Infrastrukturkosten Baselland
Beton-Kanton Baselland verbaut am meisten Steuergelder

Die Baudirektion erklärt die hohen Infrastrukturkosten mit Bevölkerungswachstum, die Finanzdirektion mit Zentralismus. Alle aber stellen klar: Die Bildung kommt deswegen nicht zu kurz.

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Infrastrukturkosten Kanton Baselland

Infrastrukturkosten Kanton Baselland

Schweiz am Sonntag

Von Daniel Ballmer

Jürg Wiedemann hat es schon immer geahnt: «Baselland hat extrem viele Bauvorhaben.» H2, Chienbergtunnel, Justizzentrum . . ., zählt der Birsfelder Grünen-Landrat auf. «Das sind riesige Dimensionen, alles bis zu dreistellige Millionenkosten.»

Für Wiedemann steht ausser Frage: Baselland steckt pro Einwohner deutlich mehr Geld in Infrastrukturbauten als seine Nachbarkantone - und davon mit 60 Prozent überproportional viel in den Tiefbau. Folge: «Auf der einen Seite wird mit der grossen Kelle angerührt, auf der anderen Seite muss kräftig gespart werden.»

Vergleiche zwischen Kantonen sind schwierig. Alle haben ihre Eigenheiten, finanzieren ihre Infrastruktur etwas anders. Und doch: Landrat Wiedemann scheint mit seiner Vermutung richtig zu liegen. Betrachtet man das Baselbieter Investitionsprogramm der vergangenen fünf Jahre, ergibt sich ein Total von 985,5 Millionen Franken. Bei rund 270 000 Einwohnern ergibt dies Infrastrukturkosten von rund 730 Franken pro Kopf und Jahr - deutlich mehr als in den Nachbarkantonen.

Da hätten wir Basel-Stadt: Für die Bereiche Stadtentwicklung, Allmendinfrastruktur und ÖV hat er in den vergangenen fünf Jahren gut 354 Millionen Franken ausgegeben. Zu den grössten Brocken zählten dabei die Nordtangente, die Sanierung der Kanalisation oder Investitionen in die Infrastruktur von BVB und Regio-S-Bahn.

Bei 190 000 Einwohnern verbleiben unter dem Strich Ausgaben von 373 Franken pro Kopf und Jahr. Im Kanton Solothurn waren es von 2004 bis 2008 über 643 Millionen - 512 Franken pro Kopf und Jahr. Und im Aargau? Hier hat jeder der 587 000 Einwohner jährlich 487 Franken berappt.

Nicht überrascht von diesen Zahlen zeigt sich die Baselbieter Baudirektion (BUD). Gar als «logisch» bezeichnet es BUD-Sprecher Adrian Baumgartner, dass Baselland in der Nordwestschweiz verhältnismässig am meisten Geld in Hoch- und Tiefbauten steckt. Einwohner- und Arbeitsplatzzahlen hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten stark entwickelt - von 175 000 Einwohnern anno 1970 auf 271 000 Einwohner 2007.

Dazu brauche es zusätzliche Infrastruktur aller Art. Und schliesslich sei eine gut ausgebaute und unterhaltene Infrastruktur ein wesentlicher Punkt für die Standortattraktivität für Einwohner und Wirtschaft, was den Einwohnern erst ein Auskommen ermögliche.

Landrat Wiedemann aber macht noch weitere Gründe aus für die hohen Kosten: «In der Vergangenheit sind die Kosten bei Grossaufträgen beinahe immer ausser Kontrolle geraten.» Die Effizienz dagegen habe meist zu wünschen übrig gelassen.

Doch: Eine von den Grünen geforderte Expertengruppe, welche Planung und Bau von Grossprojekten überwachen sollte, wurde «vom bürgerlich dominierten Parlament» abgelehnt. Wiedemann: «Es stellt sich die berechtigte Frage, ob die Vermeidung von Kostenüberschreitungen den Bürgerlichen weniger wichtig ist als den Grünen.»

Dabei hält es auch Wiedemann nicht für grundsätzlich falsch, wenn der Kanton gerade in Krisenzeiten Investitionen tätigt. Es falle aber auf, dass sich diese durch relativ wenig Nachhaltigkeit auszeichneten. Wiedemann erwähnt den «unnötigen» Bau der H2 oder den geplanten Spitalneubau auf dem Bruderholz, «der ein massives Überangebot an Spitalbetten produziert mit unüberschaubaren Folgekosten».

Wesentlich sinnvoller fände Lehrer Wiedemann verstärkte Investitionen etwa in den Bildungsbereich. Dabei zählt er eine Erhöhung der Anzahl Schulstandorte auf, den Ausbau des Schulsozialdienstes oder ein erweitertes Angebot der Schulsozialarbeiter. Frappant sei, dass vom 2003 in Kraft getretenen neuen Bildungsgesetz aus Kostengründen vieles noch immer nicht realisiert sei.

So habe auch die SVP einen Vorstoss zur Senkung der Klassengrössen eingereicht. Bildungsdirektor Urs Wüthrich aber habe erklärt, dass sich der Kanton dies nicht leisten könne. Für Wiedemann ist klar: «Das ist eine Folge der Mammut-Ausgaben im Baubereich.»

Offensichtlich habe die «bürgerlich dominierte Regierung wenig Interesse an innovativen Investitionen im Bildungsbereich». Eine gute Ausbildung aber sei das Kapital für die Zukunft, mit ausgesprochen nachhaltiger Wirkung.

Ganz anders beurteilt wird die Situation von der Baselbieter Finanzdirektion. Die Kantonsausgaben seien gemeinsam mit jenen der Gemeinden zu betrachten. «Ein Vergleich der reinen Pro-Kopf-Kantonsausgaben ergibt ein verzerrtes Bild», argumentiert Finanzverwalterin Yvonne Reichlin. «Denn die Aufgabenteilung im Baselbiet ist im Vergleich sehr stark zentralisiert.»

So ergebe sich für Baselland immer ein höheres Niveau. Nur Basel-Stadt, Uri, Genf und Appenzell-Innerrhoden seien noch zentraler organisiert. Laut Statistik der Finanzdirektion landet Baselland im Mittelfeld - mit durchschnittlichen Ausgaben von 1305 Franken pro Kopf und Jahr. Zum Vergleich: Basel-Stadt kommt so auf 1485 Franken, Aargau auf 1341 Franken und Solothurn auf 1242 Franken.

Und Bildungsdirektor Urs Wüthrich: «Ich halte es für absurd, einen direkten Zusammenhang zwischen Investitionen und knappen Mitteln für die Bildung zu konstruieren.» Abgesehen von den vom Landrat 2005 beschlossenen Budgetkürzungen, die den Bildungsbereich «mit einschneidenden Kostensenkungsmassnahmen konfrontierten», sei in den letzten Jahren ein kontinuierliches Wachstum ermöglicht worden.

«Die Entwicklung der Bildungsausgaben zeigt, dass diese überdurchschnittlich zugenommen haben», ergänzt Reichlin. «Weder in der Erfolgs- noch in der Investitionsrechnung ist ein Sparkurs erkennbar.» Dies zeigten auch die im Investitionsprogramm angemeldeten Grossprojekte für die Uni Basel und die Fachhochschule Nordwestschweiz.

Ein Grossteil der Aufträge des Bildungsgesetzes sei mittlerweile umgesetzt. «Natürlich braucht es Zeit, bis der Kulturwandel zu teilautonom geleiteten Schulen in der Praxis überall gelebt wird», schränkt Wüthrich ein.

Doch: Während sich die Ausgaben pro Schüler auf Primarstufe in Baselland, Aargau und Solothurn auf vergleichbarer Höhe bewegten, investiere Baselland auf Sekundarstufe deutlich mehr als seine Nachbarn. Einzig in Basel-Stadt lägen die Bildungskosten auf allen Schulstufen deutlich höher - «sicher nicht, weil tiefere Infrastrukturinvestitionen ausgewiesen werden».