Prognose
Bruttoinlandprodukt: Grösster Einbruch seit der Erdölkrise

Eine neue Prognose rechnet mit einem Rückgang des Bruttoinlandprodukts von 6,7 Prozent.

Niklaus Vontobel
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Wie stark wird das Coronavirus die Wirtschaft treffen?

Wie stark wird das Coronavirus die Wirtschaft treffen?

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Dass das Bruttoinlandprodukt (BIP) dieses Jahr einbrechen würde, das war schon allgemein bekannt. Nun hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine Zahl zum Einbruch dazugestellt: Ein Minus von 6,7 Prozent, inflationsbereinigt. Das Seco kommentierte diese Prognose so: «Stärkster Rückgang des BIP seit Jahrzehnten erwartet.» Damit können nun historische Vergleiche angestellt werden.

Prognosen werden laufend nach unten angepasst

Mit einem Rückgang von 6,7 Prozent wäre die Coronakrise wirtschaftlich gesehen nicht in einer Kategorie für sich. Inmitten der Erdölkrise der 70er-Jahre gab es einen gleich grossen Einbruch: Der Verein der erdölexportierenden Länder drückt ab 1973 eine Versechsfachung des Ölpreises durch. 1975 geht in der Schweiz das Bruttoinlandprodukt um 6,7 Prozent zurück.

Leider ist das Risiko hoch, dass die Coronakrise den Ölschock hinter sich lassen wird. Denn die Experten des Seco fügen ihrer Prognose sogleich hinzu: für März und April stünden noch kaum harte Daten zur Verfügung. Man weiss also wenig darüber, wie tief die Wirtschaft in diesen Monaten tatsächlich gefallen ist. Auch für die kommenden Monate, so die Experten, sei die Unsicherheit «ausser­ordentlich gross».

Das Virus bestimmt den Gang der Wirtschaft. Das Seco muss seine Prognosen laufend anpassen. Im März rechnete es nur mit einer kurzen Rezession. Vor zwei Wochen veröffentlichte es zusätzlich zwei negative Szenarien. Diese Woche ist eines der negativen Szenarien bereits zu einem positiven Szenario geworden. Nun geht das Seco davon aus, dass es noch schlimmer kommt, eben ein Einbruch von 6,7 Prozent.

China kommt besser weg als die Schweiz

Im internationalen Vergleich leidet die Schweiz wirtschaftlich gar stärker als China, von wo das Coronavirus ausging. Wie Ronald Indergand, Chef der Konjunkturanalyse im Seco, auf den sozialen Medien schreibt, ist für die Schweiz im 2. Quartal ein Minus von über 10 Prozent zu erwarten. Das wäre deutlich stärker als der Einbruch von 6,8 Prozent, den China im ersten Quartal durchmachte.

Sollte in der Schweiz das Bruttoinlandprodukt am Ende noch stärker zurückgehen, bleibt nur noch der Vergleich mit der Grossen Depression der 1930er-Jahre. Was einst als Konjunkturdelle eingeschätzt wurde, würde eine der schwersten Wirtschaftskrisen der Geschichte werden. Andere Krisen müssten hinten anstehen.

Der Immobilien-Crash der 90er-Jahre hat seinen Platz im Horrorkabinett der Krisen dennoch verdient. Zwar gibt 1991 das Bruttoinlandprodukte nur um moderate 0,9 Prozent ab. Auf diesen ersten Einbruch folgt jedoch bis 1996 eine Stagnation. Die Wachstumsverluste jener Jahre sind erst 2006 wieder aufgeholt. Die Schrecken der ­Finanzkrise verblassen dagegen geradezu. Zumindest hierzulande hielten sich die Folgen ­damals in Grenzen, was das Wirtschaftswachstum betrifft. 2009 nimmt das Bruttoinlandprodukt noch ab, doch 2010 ist der Verlust aufgeholt.