Kurt Haerri
China-Experte zu Seidenstrasse-Projekt: «Die Chancen für die Schweiz überwiegen klar»

China-Experte Kurt Haerri sagt, warum auch Schweizer Unternehmen vom Seidenstrasse-Projekt profitieren.

Fabian Hock
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Kurt Haerri glaubt an die Chancen der neuen Seidenstrasse. KEY

Kurt Haerri glaubt an die Chancen der neuen Seidenstrasse. KEY

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China drängt über die neue Seidenstrasse nach Europa. Was bedeutet das für die Schweiz?

Kurt Haerri: Für ein Land wie die Schweiz, welches sehr vom internationalen Handel lebt, sind Investitionen in eine effizientere Infrastruktur grundsätzlich sehr positiv zu werten.

Werden die Chinesen bald in der Schweiz Brücken und Flughäfen bauen?

Glücklicherweise sind wir noch selbst in der Lage, wichtige Investitionen in neue, effiziente Verkehrswege wie beispielsweise die Neat selber finanzieren zu können. Das hingegen können bei weitem nicht alle Länder dieser Welt von sich behaupten.

Worin unterscheidet sich die Schweizer Rolle von jener anderer europäischer Staaten?

Der Schweizer Anteil am Chinesischen Aussenhandel beträgt weniger als ein halbes Prozent. Aufgrund des weitaus grösseren Anteils ist die EU strategisch für China viel wichtiger.

Überwiegen die Chancen oder die Risiken?

Die Chancen für die Schweiz überwiegen klar. Wir sind sehr auf den Zugang zu den weltweiten Märkten angewiesen und somit sind Investitionen in eine verbesserte Verkehrsinfrastruktur für die Schweiz nur von Vorteil. Aufgrund unserer guten Wettbewerbsfähigkeit schafft der Handel für unser Land Arbeit und Wohlstand.

Bundespräsident Ueli Maurer sagt, dass besonders die Banken von der chinesischen Initiative profitieren könnten. Wie genau?

Wenn der internationale Handel blüht, dann müssen auch Zahlungen in verschiedensten Währungen abgewickelt werden. Davon profitieren selbstverständlich auch die Banken, und das ist gut so. Bei der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung, eine der Stärken unserer Banken, bin ich im Zusammenhang mit China eher zurückhaltend. Diese Öffnung steht nicht unmittelbar bevor.

Können auch KMU profitieren?

Vor allem die KMU profitieren! Die grösseren Konzerne sind längstens vor Ort und produzieren vieles lokal in China. Das geht gar nicht anders. Wenn nun die Verkehrswege nach China ausgebaut werden, dann profitieren insbesondere unsere Schweizer KMU. Das ist für deren Exportgeschäft äusserst wichtig.

Was erhofft sich die Wirtschaft von Maurers Teilnahme am Seidenstrassen-Forum in Peking Ende Woche?

Dieser bilaterale Austausch auf höchster Ebene ist wichtig, insbesondere mit China, da sehr viele wichtige Impulse für die Wirtschaft von der chinesischen Regierung ausgehen. Eines dürfen wir nicht vergessen: Die Schweiz braucht China, China braucht die Schweiz viel weniger. Gerade wegen des guten Dialogs mit China haben die Schweiz und die hiesigen Unternehmen in China immer wieder offene Türen und ein gutes Klima vorgefunden. Deshalb ist die Chinareise von Bundesrat Maurer ein weiterer Mosaikstein dieses guten Dialogs und somit sehr wichtig für unser Land.

Gefährdet das Schweizer Engagement nicht das Verhältnis zu den USA, die die Initiative der Chinesen sehr kritisch sehen?

Nein, das glaube ich nicht. Wir halten uns ja an die international geltenden Regeln des Welthandels. Natürlich sind gute wirtschaftliche Beziehungen zu den USA auch sehr wichtig. Vielleicht geht ja die nächste Reise unseres Finanzministers über den Atlantik. Für ein Land wie die Schweiz ist der Zugang zu den grossen Märkten dieser Welt überlebensnotwendig. Das ist eine Realität und der Bundesrat handelt danach.

Sehen Sie eine Öffnung Chinas in letzter Zeit?

Ja, beispielsweise in der Automobilindustrie. Bis heute darf ein ausländisches Unternehmen nur maximal 50 Prozent an einem ortsansässigen Automobilhersteller besitzen, die anderen mindestens 50 Prozent mussten bis in diesem Jahr einem staatli- chen Unternehmen gehören. Diese Beschränkung wird nun schrittweise bis im Jahr 2022 abgebaut.