Mit Verzögerung trifft der Corona-Virus nun auch die Aktienmärkte. Weltweit sind die Kurse am Montag ins Rutschen geraten. Die Konjunkturforschungsstelle hat ihre Einschätzung angepasst – sie geht von stärkeren negativen Effekten aus.
Noch vor einer Woche versuchten Analysten zu erklären, weshalb die Börsen trotz Corona immer höher kletterten. Nach einem kurzen Einbruch Anfang Februar schienen sie das Thema Corona bereits abgehakt zu haben. Die Börsen hätten sich schon seit längerem von der Realwirtschaft abgekoppelt, hiess es beim Kieler Institut für Weltwirtschaft. Bankenanalysten wiederum erklärten die Widerstandskraft der Börse mit einer unverändert lockeren Geldpolitik. Notenbanken würden die Märkte mit billigem Geld fluten, was die Börsen beflügle.
Mit der Sorglosigkeit ist es seit Montag vorbei. Als sich das Corona-Virus auf einmal beschleunigt verbreitete und auch Norditalien erfasste, brachen weltweit die Aktienmärkte ein. Der italienische Leitindex FTSE MIB sackte um rund 4 Prozent ab. Auch Frankfurt (DAX) und Paris (CAC 40) verloren beide um mehr als 3 Prozent, der Londoner FTSE fiel um 2,5 Prozent. Der Swiss Market Index (SMI) hatte am Ende des Handelstages ganze 3,6 Prozent eingebüsst. Bei Börsenschluss stand der Index bei 10 712 Punkten. Zum Vergleich: Als die Nationalbank am 15. Januar 2015 den Mindestkurs zum Euro aufgab, verlor der SMI 8,7 Prozent.
Am stärksten sanken in der Schweiz am Montag zunächst die Aktien von Uhren- und Schmuckherstellern, die stark vom asiatischen Wirtschaftsraum abhängig sind. Am Nachmittag erholten sich Swatch Group (-3,8 Prozent) und Richemont (-2,8 Prozent) aber etwas. Zugleich trennten sich Anleger vermehrt von Aktien des Industriekonzerns ABB (-4,8 Prozent) und des Chemieunternehmens Sika (-6,3 Prozent). Zu den grössten Verlierern zählten die beiden Grossbanken. Die UBS büsste 4,9 Prozent ein, die Credit Suisse -5,1 Prozent. Tagesverlierer war der Stellenvermittler Adecco (-6,7 Prozent).
Der Schweizer Franken musste wieder einmal als sicherer Hafen dienen. Im Tagesverlauf fiel der Euro zeitweise unter die Schwelle von 1.06 Franken. Am Nachmittag liess der Aufwertungsdruck etwas nach und der Euro schloss über der Marke von 1.06 Franken. Ob die Nationalbank intervenieren musste, verrät sie bekanntlich nicht. So oder so bleibt der Franken unter Aufwertungsdruck, was verschiedenen Branchen zu schaffen macht – allen voran dem Tourismus und der Exportindustrie, die wegen des Corona-Virus teils ohnehin Einbussen einstecken müssen.
In Europa dürfte es vor allem in Deutschland zu Einbussen kommen sowie in Italien, Frankreich und Spanien. Diese Länder setzen stark auf von China abhängigen Sektoren, wie: Auto, Maschinenbau, Chemie oder Elektroindustrie. Weitere betroffene Branchen sind der Tourismus, die Luftfahrt, die Uhren- und die Modeindustrie. Letztere rechnet etwa mit teureren Herbstkollektionen. Auch Medikamenten-Engpässe könnten sich zuspitzen. In China sind die Schäden bereits beträchtlich. Verletzlich sind aufgrund von unterbrochenen Lieferketten vor allem Südkorea, Thailand, Vietnam, Japan und Taiwan. Diese Länder haben in ihren Exportgütern besonders hohe Anteile chinesischer Halbfabrikate, wie Ökonomen gegenüber der NZZ sagten
Derweil rätseln die Ökonomen über die Folgen der Corona-Epidemie auf das Wirtschaftswachstum. Der Internationale Währungsfonds übt sich in Zweckoptimismus. Die Weltwirtschaft werde wegen des Corona-Virus nur um 0,1 Prozentpunkte weniger wachsen. Doch die Prognose beruht auf der Annahme, dass China im zweiten Quartal eine Rückkehr zur Normalität gelingt.
Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) sagte der Schweizer Wirtschaft zunächst nur leichte Wachstumseinbussen von 0,1 Prozent voraus. Ihre Einschätzung von Mitte Februar hat sie am Montag jedoch angepasst. Neu geht sie von «stärker negativen Effekten» aus. «Sollte sich eine eigenständige Ansteckungskette in einem europäischen Land gebildet haben, wäre dies ein ‹game changer› für unsere Prognose», lässt sich Heiner Mikosch, Leiter Sektion Internationale Konjunktur, zitieren. «Die Behörden dürften mit Grenzschliessungen innerhalb Europas reagieren. Der innereuropäische Handel würde hierdurch massiv gestört werden. Davon wäre auch die Schweiz massiv betroffen.»