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Am Freitag löst António Horta-Osório Urs Rohner als Präsident der Schweizer Grossbank ab. Es ist eine bittere Stabsübergabe.
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Anwalt Urs Rohner wechselt von der Medien- in die Bankbranche. 2004 wird der CEO von Prosieben Sat1 Chefjurist der Credit Suisse. Als zwei Jahre später die Ablösung von CS-Chef Oswald Grübel eingeleitet wurde, vermuteten Insider, dass Rohner zum ganz grossen Karriereschritt ansetzt. Er galt als Ziehsohn des mächtigen Präsidenten Walter Kielholz. Doch nicht Rohner, sondern der Amerikaner Brady Dougan machte das Rennen – Kielholz sparte sich Rohner für eine spätere Rolle im Verwaltungsrat auf.
Die damalige CS-Überfigur, Walter Kielholz, zieht im Hintergrund die Fäden, als Rohner für das Präsidium in Stellung gebracht wird. Kielholz holt ihn 2009 erst als vollamtlichen Vizepräsidenten in den Verwaltungsrat. Präsident wird Hans-Ulrich Doerig, eine Übergangslösung. Als Rohner dann 2011 als Präsident übernimmt, ist Kielholz noch im Verwaltungsrat. 2014 verlässt Kielholz die CS und konzentriert sich auf sein Amt als Präsident des Rückversicherers Swiss Re. Die Überfigur ist weg, Rohner muss sich bewähren.
Im Mai 2014 erreicht die Credit Suisse einen Tiefpunkt, und mit ihr Urs Rohner. Die stolze Schweizerische Grossbank mit ihrer über 150 Jahre alten Geschichte bekennt sich in den USA «krimineller Aktivitäten» schuldig. Sie habe Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet. Die Bank bezahlt eine Busse von 2,7 Milliarden US-Dollar. Vom Schweizer Fernsehen SRF wird Rohner gefragt, ob er und sein damaliger CEO Brady Dougan denn eine weisse Weste hätten. Rohners damalige Antwort hängt ihm bis heute an. «Persönlich haben wir sicher eine weisse Weste. Eine ganz andere Frage ist die der Bank insgesamt über die vergangenen Jahrzehnte.»
In diesen zwei Sätzen sahen viele Beobachter quasi Rohners gesamte Amtszeit zusammengefasst. Die Bank durchlebte einen ihrer dunkelsten Momente. Und ihr eigener Präsident setzte sich von ihr ab. Auch später sollte es immer wieder solche Momente geben. Die CS in der Krise, Rohner hat damit irgendwie nichts zu tun.
Brady Dougan, unter dem die Grossbank die Finanzkrise zwar mit geringeren Schäden als die Konkurrenz «durchschifft» hatte, kam immer stärker in die Kritik. Der amerikanische Manager wollte das Investmentbanking der CS nicht ähnlich stark zusammenstreichen wie die UBS. Doch wegen neuen Regulierungen schrumpften die Margen. Und schliesslich wurde Dougan auch als Hauptverantwortlicher für die Milliardenbusse der amerikanischen Behörden im US-Steuerstreit gesehen. Rohner zog ihm den Stecker. Mit Tidjane Thiam rückt ein Nicht-Banker an die Spitze der zweitgrössten Schweizer Bank. Thiams grosse Erfahrung in der Vermögensverwaltung wurde als Strategiewechsel weg vom Investmentbanking gesehen. «Ein Präsident hat in seiner Amtszeit nur einmal die Möglichkeit, seinen Wunsch-CEO zu installieren», sagte Rohner in einem Interview.
Mitte Februar 2020 musste Tidjane Thiam nach fast fünf Jahren als Konzernchef den Hut nehmen. Es war das vorläufige Ende der Beschattungsaffäre, welche die Grossbank mehrere Monate in Atem hielt und in einer Führungskrise gipfelte. Entzündet hatte sich die Führungskrise an einer filmreifen Beschattung des früheren Star-Managers Iqbal Khan in der Zürcher Innenstadt. Auf offener Strasse stellte Khan einen Detektiv, der ihn verfolgt hatte. Kurz darauf stellte sich heraus, dass die Credit Suisse die Beschattung des früheren Chefs der Vermögensverwaltung angeordnet hatte, nachdem dieser zum Konkurrenten UBS gewechselt war.
Nach einer internen Untersuchung machte das Institut den Thiam-Vertrauten und operativen Chef Pierre-Oliver Bouee für die Massnahme verantwortlich. Thiam selbst habe von alldem nichts gewusst. Doch nach einem zweiten, ähnlichen Fall wurden Zweifel an dieser Aussage laut. Wegen des immer grösseren Reputationsschadens sahen sich Rohner und der Verwaltungsrat zum Handeln veranlasst. «Wir haben gesehen, dass die Situation sich nicht verbessert und dass wir einen Wechsel vornehmen müssen, um wieder in ein normales Fahrwasser zu kommen», sagte Rohner in einem Radio-Interview. Obwohl sich einige Grossaktionäre auf die Seite Thiams schlugen und den Rücktritt von Urs Rohner forderten, blieb der Verwaltungsratspräsident im Amt. Nachfolger von Thiam wurde Credit-Suisse-Urgestein Thomas Gottstein.
Die Beschattungsaffäre war ausgestanden. Rohner wird wohl eine gewisse Erleichterung verspürt haben. Der neue CEO, Thomas Gottstein, wollte für 2021 nun eine «neue Ära» einleiten. Rohner hätte sich an seiner letzten Generalversammlung einigermassen in Würde verabschieden können. Daraus wurde nichts. Rohner wird die Generalversammlung inmitten zweier Skandale leiten müssen.
Der erste Schlag kam mit der Pleite von Greensill. Das Fintech-Startup wollte das «Supplychain-Finance» revolutionieren. Dabei kaufte Greensill die Forderungen auf, die Lieferanten an ihre Kunden hatten. Diese Forderungen wurden verbrieft, in Fonds gepackt und voila: Supperreiche hatten inmitten von Niedrigzinsen etwas Neues, was mehr Rendite versprach. Die Credit Suisse bewarb die neuen Fonds fleissig. Doch die Forderungen, die Greensill aufkaufte, waren Forderungen an nicht sonderlich erfolgreiche Stahlkonzerne. Als diese Stahlkonzerne die Forderungen nicht begleichen konnten, war der schöne Fintech-Schein dahin. Die Superreichen hatten schlussendlich nicht in visionär klingendes Supplychain-Finance investiert, sondern bloss in veraltete Stahlwerke in Grossbritannien.
Der Greensill-Skandal war nicht vorbei, da durchrüttelte der nächste Skandal die westliche Finanzwelt. Und mittendrin war wiederum die Credit Suisse. Der Hedgefonds Archegos hatte Milliarden in einige wenige Unternehmen gesteckt. Dabei hatten ihm mehrere Banken fleissig geholfen, besonders fleissig war die Credit Suisse. Die CS schloss mit Archegos so genannte Total Return Swaps ab.
Diese Swaps wurden beispielsweise auf die Aktien des Medienkonzerns Discovery abgeschlossen. Ging diese Discovery-Aktie zum Beispiel von 20 Dollar auf 30 Dollar hoch, musste die CS an Archegos 10 Dollar. Wäre die Aktien von 20 auf 10 Dollar gesunken, wäre es umgekehrt: Archegos muss an die CS dann 10 Dollar zahlen. Und so oder so musste Archegos der CS für diesen Swap eine im Voraus festgelegte Gebühr zahlen. Um sich in diesem Deal abzusichern, kaufte die CS selber zig Aktien von Discovery. Dieser Aktienkauf war für die CS ja kein Problem. Banken schwimmen in billigem Geld, das irgendwo angelegt werden will.
Das ging so lange gut, bis es schief ging. Einige der Firmen, auf die Archegos einen Swap abgeschlossen hatten, verloren an der Börse an Wert. Archegos hätte den Banken entsprechend Geld zahlen müssen. Oder sonstige Sicherheiten geben müssen. Das überstieg die Mittel von Archegos schon. Also machten sich die Banken daran, alle Swaps aufzulösen und ihre Aktienpakete mit Verlust zu verkaufen. Die CS hatte wohl besonders viele Swaps abgeschlossen. Am Ende war ein Verlust von rund 5 Milliarden Franken. Gottsteins neue Ära, die er 2021 einläuten wollte, war schon im März wieder beendet.
Es hätte ein Abgang mit Applaus und Blumen sein können, stattdessen prägen Milliardenverluste das Karrierenende von Rohner. Die Generalversammlung zum Schluss dürfte für den langjährigen Präsidenten noch einmal zur Tortur werden. Immerhin muss Rohner sich wegen Corona nicht stundenlange Kritik von Aktionärsvertretern und Kleinaktionären im Hallenstadion anhören. Mehrere Grossaktionäre aber haben in den letzten Tagen bekannt gegeben, dass sie an der GV gegen die Wiederwahl von Verwaltungsräten stimmen werden. Wohlweislich hat die CS die Décharge für den Verwaltungsrat nicht einmal traktandiert. Und zum Schluss verzichtet Urs Rohner freiwillig auf sein Vorsitzhonorar von 1,5 Millionen Franken. Interviewanfragen lehnte Urs Rohner ab.