Mit Einführung des automatischen Informationsaustauschs liefert die Schweiz nicht nur Daten ans Ausland, sondern erhält auch welche. Die Informationen sollen auch den Kantonen zugespielt werden. Das wäre das Ende des inländischen Bankgeheimnisses.
Im Herbst soll es so weit sein: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verabschiedet einen weltweiten Standard für den automatischen Informationsaustausch (AIA). Bis heute haben sich gegen 50 Staaten bereit erklärt, daran teilzunehmen. Darunter ist auch die Schweiz. Ab 2017 könnten Daten ausländischer Kunden von Schweizer Banken an deren Fiskus fliessen.
Die Schweiz hat sich vor einigen Tagen zum automatischen Informationsaustausch bekannt. Das heisst: Die OECD-Länder dürften ab 2017 Informationen über die im Ausland verwalteten Vermögen von Schweizern nach Bern schicken. Steuerhinterziehung über ein Konto auf einer ausländischen Bank ist dann also nicht mehr möglich.
Theoretisch, wenigstens. Denn bisher gibts keine gesetzliche Grundlage, wie und ob überhaupt die vom Ausland gelieferten Steuerdaten ausgewertet werden sollen. Man will einfach mal sammeln. Aber das ist natürlich kein Zustand. Wenn die Daten in Bern einfach im Archiv verschwinden, wäre das eine Einladung zur Steuerhinterziehung. Das hiesse ja, dass der Schweizer Fiskus sich nicht um die im Ausland liegenden Vermögen kümmern würde. Alle Steuerhinterzieher brächten ihre Gelder schleunigst ins Ausland. Es wäre dann aber nur eine Frage der Zeit, bis ein Aufstand der politisch Empörten einer solchen Praxis den Garaus machen würde.
Das heisst: In Bern wird man die Steuerdaten aus dem Ausland nolens volens zur Auswertung an die Gemeinden und Kantone weitergeben müssen. Das wird aber den Druck auf das Bankgeheimnis im Inland erhöhen. Denn wenn der Fiskus die Bankkundendaten aus dem Ausland auswertet, so muss er das auch mit den Daten aus dem Inland tun. Sonst würden Steuerhinterzieher ihre Gelder einfach im Inland bunkern.
m.fischer@azmedien.ch
Die Debatte über die gesetzliche Grundlage zur Einführung des AIA wird hart. Laut dem Sprecher der Bankiervereinigung, Thomas Sutter, gelte es daher prioritär, den AIA mit dem Ausland politisch so schnell wie möglich durchzubringen. Frühestens dann könne darüber diskutiert werden, ob es in der Schweiz Anpassungen geben sollte: «Das ist in erster Linie Sache der Politik und der Steuerbehörden.»
Zu klären gibt es hier einiges. Zum einen fordern Banken und der Bund «Reziprozität». Länder, die Daten erhalten, sollen auch welche liefern. Ist der AIA eingeführt, übermitteln ausländische Finanzinstitute Informationen über Konten, Wertschriftendepots und den darauf erzielten Einkommen von Schweizer Kunden an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) in Bern.
Milliarden im Ausland parkiert
Dabei handelt es sich nicht um «Peanuts». Allein Liechtensteiner Geldhäuser verwalten mehrere Milliarden von Franken, die Schweizern gehören – darunter auch Schwarzgeld. «Die hochgelobte Steuerehrlichkeit der Schweizer ist nicht so ausgeprägt, wie man sie gerne darstellt», sagt BDP-Präsident Martin Landolt. Daher sei die Vermutung naheliegend, dass Schweizer in Liechtenstein oder im grenznahen Deutschland unversteuerte Gelder deponiert haben: «Gerade deutsche Banken warben aggressiv um Schweizer Kunden.»
Allerdings gelte es erst zu regeln, wie der hiesige Fiskus Informationen verwenden darf, welche die Schweiz wegen des AIA erhalte. Das bestätigt der Zuger Regierungsrat und Präsident der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren, Peter Hegglin.
Wie der automatische Informationsaustausch (AIA) durchzuführen ist, handeln teilnehmende Länder untereinander aus. In der Schweiz sammelt die Bankdaten die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) ein. Diese schickt sie beispielsweise ans deutsche Bundesfinanzministerium. Deren Mitarbeiter liefern sie an die Steuerbehörden der Kunden weiter. Umgekehrt sendet das Bundesfinanzministerium die Daten an die ESTV. Die Informationen über Konten, Depots und Kapitalgewinne dürfen nur zu Steuerzwecken verwendet werden. Die Finanzinstitute übermitteln dann, so FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann, den dafür zuständigen ausländischen Behörden die steuerrelevanten Daten über ihre Kunden. Denn die Banken müssen entsprechende standardisierte, elektronische Formulare ausfüllen. Daher sei man sich laut Portmann einig: «Weltweit müssen die technischen Vorgaben einheitlich sein. Nur dann ist der Aufwand dafür zu rechtfertigen.» (SEI)
Heute sei es noch so, sagt Hegglin, dass das geltende Steueramtshilfegesetz die Verwertung von Informationen untersage, die kantonale Steuerbehörden aufgrund eines ausländischen Steueramtshilfe-Ersuchens erhalten. Im Klartext: Ein Steuerkommissär darf Informationen nicht verwerten, die in der Schweiz dem aktuell gültigen Bankgeheimnis unterstehen.
«Gleich lange Spiesse für Finanzdirektoren»
Landolt sagt dazu: «Ich sehe keinen Grund dafür, warum die ESTV vom Ausland erhaltene Daten den betroffenen Behörden vorenthalten.» Der Bund würde «zweifellos» das Gleiche umgekehrt auch von den Kantonen erwarten. Dem pflichtet Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer zu: «Es kann nicht sein, dass Schweizer Behörden Bankdaten aus dem Ausland nicht verwenden dürfen.»
Obendrein soll das heute gültige Bankgeheimnis fallen. Die Baselbieter Sozialdemokratin verlangt, der AIA müsse ebenfalls in der Schweiz eingeführt werden: «Es braucht gleich lange Spiesse für die kantonalen Finanzdirektoren.» Eine Ungleichbehandlung ist für den Zuger Finanzminister Hegglin nicht nachvollziehbar: «Es kann nicht sein, dass ausländische Steuerbehörden mehr Rechte haben als inländische. Wenn der AIA eingeführt wird, muss er auch im Inland gelten.» Alles andere sei langfristig unhaltbar.
Auch für Landolt ist «schwer erklärbar», warum kantonale Steuerbehörden nicht die gleichen Daten von inländischen Kunden erhalten sollen. Zudem vereinfache die Einführung des AIA im Inland die Arbeit der Banken: «Sie müssen dann nicht zwei verschiedene Systeme betreiben.»
Daher gelte es vor der Einführung des AIA im Inland, allen Bürgern eine faire Chance zu geben, ihre steuerliche Situation zu bereinigen: «Zumindest müsste aktiv kommuniziert werden, dass der AIA dazu führt, dass Banken dann alle Vermögenswerte dem Fiskus melden, auch unversteuerte.» Eine solche, einmalige Möglichkeit gibt es: Steuersünder können eine Selbstanzeige machen, um Schwarzgeld nachzuversteuern, ohne eine Busse zahlen zu müssen.
Bankgeheimnis kommt vors Volk
Den AIA im Inland einzuführen, lehnt der Banker und FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann ab: «Im Inland wollen wir das Bankkundengeheimnis aufrechterhalten. Sichergestellt werden soll dies mit der Abstimmung über die ‹Initiative zum Schutz der Privatsphäre›.» Dabei gehe es nicht um den Schutz von Steuerhinterziehern. Es gebe bereits heute genügend Instrumente, um diese zu bekämpfen und unattraktiv zu machen: «Wir wollen verhindern, dass in Zukunft der Bürger dem Staat beweisen müsse, dass er ehrlich sei: «Wenn der Staat Verdacht auf ein Steuerdelikt hat, kann er ja heute schon Bankdaten einfordern.»
Die Initiative dürfte zustande kommen. Das letzte Wort hat also das Volk.