Finanzbranche
Das Bankgeschäft im Wandel: «Die Margen sinken»

Barend Fruithof, Schweiz-Chef der Privatbank Julius Bär, über die Umwälzungen in der Finanzbranche. Erst letztes Jahr verliess er als Leiter der Schweizer Firmenkundschaft die Credit Suisse und ging zu Julius Bär.

Roman Seiler
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Barend Fruithof: «Mein Vorteil ist, dass ich mal etwas anderes gemacht, im Dreck gewühlt habe.»

Barend Fruithof: «Mein Vorteil ist, dass ich mal etwas anderes gemacht, im Dreck gewühlt habe.»

Mario Heller

Er ist «Secondo» mit holländischen Wurzeln. Er ist aber auch Zehnkämpfer und Bauer. Ja, Barend Fruithof (49) kann Kühe melken. Dass er sich erst später zum Betriebsökonom weitergebildet und ins Bankfach gewechselt hat, bereut er nicht: «Mein Vorteil ist, dass ich mal etwas anderes gemacht, im Dreck gewühlt und etwas von der Schweiz mitbekommen habe.» So habe er gelernt, sich für mehr als zwei Themen zu engagieren.

2015 verliess der Banker die Credit Suisse, wo er das Schweizer Firmenkundengeschäft geleitet hatte. Seit Oktober ist er auf der anderen Seite der Zürcher Bahnhofstrasse bei der Bank Julius Bär für das Schweizer Vermögensverwaltungsgeschäft zuständig. Heute argumentiert er so, als sei er seit Jahren bei den «Bären». Er ist nun der «Aussenminister» der Privatbank, gibt dem Geschäft im Heimmarkt ein Gesicht.

Berater sind gefordert

Was denn nun spannender sei an der Arbeit, hält er für die falsche Frage. Das Firmengeschäft sei zwar inhaltlich komplexer, weil die Kunden eine breitere Palette an Produkten nachfragten: «Im Private Banking ist dafür die Managementaufgabe herausfordernder. Die Angestellten verfügen über mehr Einfluss.» Sie betreuen in der Regel ein Portfolio von 150 bis 250 Millionen Franken. Deren Besitzer seien oft stärker mit ihren Beratern «verlinkt» als mit der Bank.

Bauer und Banker

Seit Oktober ist Barend Fruithof (49) als Geschäftsleitungsmitglied der Bank Julius Bär & Co. AG für das Geschäft mit in der Schweiz wohnenden vermögenden Kunden zuständig. Der Bereich mit 13 Geschäftsstellen zählt 400 Mitarbeiter. Zuvor war der einstige Zehnkämpfer bei der Credit Suisse für das Schweizer Firmenkundengeschäft zuständig. Von 2004 bis 2007 war Fruithof Finanzchef der Raiffeisen-Gruppe. Ursprünglich war er Bauer, dann absolvierte er Ausbildungskurse zum Betriebsökonom und Eidgenössisch Diplomierten Marketingleiter und besuchte an der Uni St. Gallen den Managementkurs zum Master of Business Administration.

Wechseln sie den Arbeitnehmer, nehmen sie Kunden und damit deren Depots mit. Also muss man die Berater näher an die Bank binden. Ihr Job ist anspruchsvoller geworden. Der gesamte Beratungsprozess wird umgekrempelt. Das Service-Modell ist bei Julius Bär rundum erneuert worden. Zuerst umgesetzt wird es im Heimmarkt.

Zu den Aufgaben eines Vermögensverwalters gehört zwar weiterhin, auch einmal mit den einen Kunden ins Theater oder die Oper zu gehen, so Fruithof, oder mit anderen bei einem Mittagessen eine schöne Flasche Bordeaux zu trinken. Im Zentrum steht aber ganz klar der Anspruch der Kunden, umfassend beraten zu werden. Sie wollen ihr Geld nicht nur verwalten lassen, um eine gute Rendite zu erwirtschaften: «Der Berater muss in der Lage sein, mit dem Kunden eine Beziehung aufzubauen, die sich im Hinblick auf die Vermögens- und Steuerplanung über alle seine Lebenszyklen hinwegzieht.»

Der Banker muss eine Meinung haben, sagt Fruithof: «Er muss wirtschaftliche Zusammenhänge erklären können. Auch politische Themen gewinnen an Bedeutung.» Veränderte Rahmenbedingungen beeinflussen die Erfolgsrechnung eines Unternehmens und damit dessen Aktienkurs. Der schlägt sich in der Rendite der Kundendepots nieder. «Wer nicht über diese Kompetenzen verfügt, kann keine auf Vertrauen basierende Beziehung zum Kunden aufbauen.»

Bankgeschäft im Wandel

Nach der Finanzkrise und dem Abschied vom Bankgeheimnis wurde das Vermögensverwaltungsgeschäft umgepflügt. «Es befindet sich mitten in einem Transformationsprozess», sagt Fruithof: «Die Margen sinken.» Der Konkurrenzdruck verschärft sich, die Kosten steigen wegen neuer Regulierungen, besonders im Geschäft mit ausländischen Kunden.

Die Messlatte liegt daher für Fruithof hoch. Seine Aufgabe ist, den Anteil der Privatbank am stark fragmentierten Schweizer Private-Banking-Markt zu steigern. Aktuell liegt dieser bei vier Prozent von 1000 Milliarden Franken. Das sind Gelder von Kunden mit einem Vermögen von mehr als einer Million Franken. Die angelaufene Konsolidierung wird sich weiter verstärken. Daher schliesst Fruithof Übernahmen nicht aus.

Zentraler ist für ihn aber, interne Talente zu fördern sowie gezielt Berater mit attraktiven Kundenportfolios abzuwerben. Der CS spannte er ein ganzes Team aus. Dessen Chef setzte er als Leiter der neu geschaffenen Einheit für Superreiche ein. Bei den Grossbanken gilt in diesem Geschäft eine Schwelle von 50 Millionen Franken, bei Bär reicht die Hälfte. Der Start sei zufriedenstellend verlaufen, sagt Fruithof: «Allein der Entscheid, diese Einheit zu schaffen, hat dazu geführt, dass sich neue Kunden bei uns gemeldet haben.»

Wachstumspotenzial ortet er auch bei Kunden, die sich heute noch von unabhängigen Vermögensverwaltern, oder über Anwälte betreuen lassen. Zudem will Fruithof, mehr Kunden akquirieren, die eine bis drei Millionen Franken besitzen. «Dieses Segment ist bisher eher vernachlässigt worden», sagt er. Und letztlich hat ihn Bär-CEO Boris Collardi auch angeheuert, um Firmenchefs oder Top-Manager von den Dienstleistungen der Bank zu überzeugen. In diesen Kreisen verfügt Fruithof über ein exzellentes Netzwerk.

Umkämpftes Kundensegment

Nur Banker zu sein, reicht Fruithof nicht. Er setzt sich dafür ein, der Politik klar zu machen, wie wichtig der Finanzplatz für die Schweiz ist. Unser Land liegt dem «Secondo» am Herzen: «Wir haben in über 100 Jahren etwas ganz Einmaliges aufgebaut. Dem sollten wir Sorge tragen und uns dafür auch starkmachen.» Daher mahnt der Freisinnige: «Wir müssen wieder fähig werden, die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen und für die Probleme Lösungen anzubieten.»

Um Politiker zu werden, sei er aber «zu direkt», fügt er an. Lieber betätigt er sich in der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik. Als Präsident des Vereins Esisuisse etwa kämpft Fruithof dafür, dass die Einlagensicherung der Banken eine Selbstregulierungsorganisation bleibt. Sie kommt zum Zug, wenn ein Geldhaus kollabiert. Zudem präsidiert er «Arbeitgeber Banken» und vertritt die Branche im Vorstandsausschuss des Schweizerischen Arbeitgeberverbands. Diese Aufgabe nehme er sehr ernst: «Ich beteilige mich an jeder Sitzung.»