Coop hat die Du-Form für sich entdeckt. Doch sich duzen eignet sich nicht für jede Branche und jede Situation. Denn: Ein «Du» fühlt sich nicht immer gut an. Eine Analyse von Lina Giusto.
Terence Hill sagt im Film «Nobody ist der Grösste»: «Komisch, bisher haben Sie mich immer geduzt, Sergeant! Nun könnte ich Sie duzen, aber ich sage weiterhin Sie zu Ihnen, die Umgangsformen müssen bleiben! Ich sage, Sie Arsch!»
Anders als Terence Hill halten es nun gewisse Schweizer Firmen. Nach Swisscom hat auch Coop die Du-Form für sich entdeckt. Die Coop-to-go-Filialen – Müesli-Theke am Morgen, Salat-Bar am Mittag – duzen ihre Kunden. Das To-go-Konzept richtet sich nach frischem, gesundem Essen, das man stehend an der Bar oder unterwegs verspeisen kann. Die Idee sorgt für frischen Wind im Hause Coop. Per Sie bleibt man aber in den Supermärkten und den Pronto-Shops.
Doch das sorgt für Diskussionen. Mit dem Du wird Nähe zum Kunden gesucht, eine Vertrautheit suggeriert, die nicht zutrifft. Denn in der Schweiz wird laut Benimmexperte Christoph Stokar dann geduzt, wenn man sich ein wenig näher steht. Sich fremde, erwachsene Personen siezen einander. Das Du anbieten darf, wer entweder höher im Rang ist – also ein Behördenvorsteher, ein Vorgesetzter, ein Gast oder Kunde, oder älter. Sind die Gesprächspartner in beidem gleich auf, dann darf die Dame vor dem Mann das Du anbieten. So Knigge.
Was nun Coop für sich entdeckt, machen Apple und Ikea schon länger. Swisscom hat mit ihren Kunden schon Ende 2013 Duzis gemacht. Amerikanische und englische Beratungsunternehmen wie Accenture und PricewaterhouseCoopers duzen ebenfalls. Im Zweifelsfall wenden sie sogar eine Mischform an: Sie siezen in Kombination mit dem Vornamen. Die Du-Form ist bei den angelsächsischen Unternehmen alltäglicher Usus. Und das hat einen einfachen Grund. Die englische Sprache kennt die Unterscheidung zwischen Du und Sie nicht. Diese beiden Formen sind eine der sprachlichen Besonderheiten im deutschsprachigen Raum.
Geduzt wird unter Kollegen, aber auch bei den Kunden vor allem in der Kreativwirtschaft. Sei dies in der Werbe- oder Filmbranche, auch die IT-Szene bevorzugt die kollegiale Anrede. Und wer kennt das nicht als Kunde in einem Kleiderladen, schnell einmal persönlich angesprochen zu werden.
Was sich bei der iPhone-Beratung an der Apple-Bar oder beim Check-in in ein Airbnb gut anfühlt, kann in anderen Situationen aufdringlich wirken. Stellen Sie sich vor, ihr Kundenberater auf der Bank duzt sie. Wie gross ist Ihr Vertrauen in seine Anlage-Empfehlung? Das Sie ist ein Zeichen von Professionalität, Kompetenz, höflicher und diskreter Distanz. Grundlegend vermittelt es Anstand und Respekt.
Deshalb ist die Du-Form bei Coop ein gewagter Schritt. Nicht in jeder Branche funktioniert die kumpelhafte Anrede. Ramón Gander, Sprecher von Coop, sagt zur neuen Anrede-Form: «Unsere Mitarbeitenden in den Coop-to-go-Läden haben das nötige Gespür, um abschätzen zu können, ob jemand geduzt werden möchte oder nicht. Falls dies mal nicht der Fall sein sollte, sind wir dankbar, wenn die Kunden die Mitarbeiter darauf aufmerksam machen.» Bis anhin seien die Rückmeldungen jedenfalls positiv.
lina.giusto@azmedien.ch