Auf Ende Juni werden alle Arbeitsverträge gekündigt – in den verbleibenden OVS-Filialen versuchen Angestellte zu retten, was zu retten ist. Die Gewerkschaft Unia spricht von einem «unhaltbaren» Zustand.
Am Bahnhof Oerlikon parkiert ein Lastwagenanhänger, darauf prangt das Logo «Zalon by Zalando». 50 Meter entfernt hängen gelbe Schilder im OVS-Laden: 70 Prozent Rabatt auf alles, heisst es dort. Während der Onlineriese seine Mode auf leisen Sohlen nun auch vor Ort anbietet, sind in unmittelbarer Nähe die letzten Zuckungen von OVS zu sehen. OVS muss sein Abenteuer in der Schweiz abbrechen auch wegen der grossen Online-Konkurrenz. Was bleibt: Das zertrümmerte Erbe von Charles Vögele.
Am Dienstag schrieb OVS in einer internen Mitteilung den Mitarbeitern, dass es keine Möglichkeit gebe, das Unternehmen fortzuführen. Alle Arbeitsverträge werden darum bis Ende Juni «unter Berücksichtigung der Kündigungsfristen gekündigt», heisst es in der Mitteilung. Erst Ende Mai ging die Sempione Fashion AG, unter der OVS sein Geschäft zusammen mit privaten Geldgebern in der Schweiz führt, in provisorische Nachlassstundung. Einen Monat später nun die traurige Gewissheit: Alle der rund 1200 Angestellten müssen sich nach einem neuen Job umschauen.
Derweil geht der Ausverkauf in einigen der einst über 140 Läden von OVS weiter. In einer Ecke des Ladens beim Bahnhof Oerlikon stapeln sich die Kartonschachteln. Es sind Reste von anderen Filialen in der ganzen Schweiz, welche bereits dichtgemacht haben. Im Laden tummeln sich ein paar wenige Schnäppchenjäger, die Regale sind noch passabel gefüllt. Überall hängen die gelben Hinweisschilder für den Ausverkauf an den Wänden. «Wir versuchen noch so viel zu verkaufen wie möglich, damit wir einen Teil unseres Lohns bekommen. Hoffentlich», sagt eine OVS-Angestellte, welche anonym bleiben will. Noch ist nicht klar, wann ihr letzter Arbeitstag sein wird. Doch schon jetzt muss sie sich damit befassen, etwas Neues zu suchen. Offenbar wurden auch Mitarbeiter aus der Zentrale in die Läden geschickt, um den Abverkauf zu unterstützen. «Noch sind wir motiviert. Wir können ja nicht in einer Ecke sitzen und traurig sein», sagt die Mitarbeiterin. «Die Kunden haben es lieber, wenn wir sie freundlich bedienen.» Einsatz bis zum Schluss also.
Im Jahr 2016 war OVS hoffnungsvoll bei Charles Vögele eingestiegen: Damals, im November, übernahm der italienische Modekonzern das Schweizer Traditionshaus. Charles Vögele hatte sein Modeimperium während 40 Jahren aufgebaut. Der Patron verkaufte sein Unternehmen Ende der 1990er-Jahren. Das Geschäft florierte, bald einmal war Vögele an der Börse zwei Milliarden Franken wert. Doch nach und nach verlor die Firma an Wert, bis schliesslich OVS-Chef Stefano Beraldo einstieg. Der neue Chef krempelte das Unternehmen um. Der Name Charles Vögele verschwand. Die Läden baute er für 40 Millionen Franken um. Nur wenige Monate später ging der Firma das Geld aus.
Die Gewerkschaft Unia geht hart ins Gericht mit OVS. Der Modekonzern habe auf keine einzige der Forderungen der Unia reagiert, schreibt die Gewerkschaft in einer Mitteilung. «Dass sich OVS jeglicher Kooperation entzieht, ist unhaltbar», heisst es weiter. Zudem habe der Betrieb das Personal nicht genügend informiert, was ein Verstoss gegen das Konsultationsverfahren sei. Und nicht nur vonseiten der Unia droht Ungemach: Elarof Trust, mit 20,5 Prozent an Sempione Fashion beteiligt, zieht rechtliche Schritte gegen OVS in Betracht. Details wollte das Family-Office der Sandoz-Erben auf Anfrage nicht preisgeben.
Derweil arbeiten die Angestellten in Oerlikon weiter, packen palettweise Waren aus, sortieren sie, hängen sie an Bügel und rollen die Kleiderständer in den Verkaufsraum. «Wie würden Sie sich an unserer Stelle fühlen», kontert eine Angestellte die Frage des Journalisten. Das Ende von OVS in der Schweiz kommt näher.