DATENSCHUTZ: Riskantes Spiel mit Patientendaten

Es herrscht Unsicherheit, welche Daten von Spitex, Ärzten oder Apotheken an Dritte weitergegeben werden dürfen. Deswegen konnten ganze Patientenakten in den Händen einer Inkassofirma landen.

Raphael Bühlmann
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Ärzte dürfen grundsätzlich keine sensiblen Dokumente wie Krankenakten von Patienten weitergeben. (Bild: Christian Beutler/Keystone)

Ärzte dürfen grundsätzlich keine sensiblen Dokumente wie Krankenakten von Patienten weitergeben. (Bild: Christian Beutler/Keystone)

Raphael Bühlmann

Ein Datenleck bei der Firma EOS offenbart: Schweizer Ärztinnen und Ärzte lassen Inkassofirmen nicht nur Namen oder Adressen, sondern gleich ganze Kranken­akten zukommen. Dies zumindest geht aus Daten hervor, die der «Süddeutschen Zeitung» zugespielt worden sind.

Ein absolutes No-Go, findet der oberste Schweizer Datenschützer. Wer Inkassounternehmen sensible Dokumente wie Krankenakten zur Verfügung stellt, begehe nicht nur eine Dummheit, sondern auch eine Straftat, stellt der Schweizer Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger gegenüber der «Süddeutschen Zeitung» unmissverständlich klar. Grund dafür ist die ärztliche Schweigepflicht. Bis ins Jahr 2004 war klar, dass die Weitergabe von jedwelchen Pati­entendaten eine Entbindung von der Schweigepflicht voraussetzt.

Ein Grundsatz, der das Bundesgericht mit einem Urteil 2004 für gewisse Situationen relativierte: In einem vergleichbaren Fall betreffend Anwaltsgeheimnis entschied es nämlich, dass bestimmte Angaben nicht zwingend auf ein Mandatsverhältnis hinweisen. Der Vermerk «Honorarnote» oder «Rechnung» auf dem Betreibungsbegehren lasse auch den Schluss einer anderen Geschäftsbeziehung zu.

Inkassofirmen sollen nicht mehr einfordern als nötig

Die Ärztevereinigung betont aber, dass es immer auch in der Verantwortung der Leistungserbringer liege, dass heikle Patientendaten nicht weitergegeben werden. «Wir raten unseren Mitgliedern zu äusserster Zurückhaltung», erklärt Jürg Schlup, Präsident des Ärzteverbandes FMH.

Im FMH-Leitfaden zu den rechtlichen Grundlagen der Praxisarbeit heisst es: «Das Berufsgeheimnis kann bereits dann verletzt werden, wenn bekannt wird, dass ein Behandlungsvertrag mit einem bestimmten Patienten besteht.» Schon wenn Hinweise wie «Behandlung von (...)» gestreut würden, werde das Berufsgeheimnis sicher verletzt. Inkassofirmen sollten daher ausdrücklich nur der Name und die Adresse des Schuldners, das Rechnungsdatum und der Rechnungsbetrag bekanntgegeben werden. Die FMH ist aber auch der Meinung, dass ein Inkassobüro nicht mehr als diese wenigen Daten einfordern dürfe. «Das Bundesgericht hat hier die Grenzen des Berufsgeheimnisses klar gesetzt», sagt Schlup und fügt an, dass die Entbindung vom Berufsgeheimnis im Laufe des Betreibungsverfahrens unerlässlich werden könne: «Sobald ein gerichtliches Verfahren folgt, dann, und erst dann, könnten präzisere Angaben zur Forderung nötig werden.» Dass diesbezüglich Unsicherheit herrscht, zeigt auch der Umstand, dass einige Kantone ihre Ärzte per Gesetz vom Berufsgeheimnis entbunden haben, wenn es um säumige Schuldner geht.

So schrieb der Kanton Luzern in sein Gesundheitsgesetz, dass Personen, die zur Geheimhaltung verpflichtet sind, zur Durchsetzung von streitigen Forderungen aus dem Behandlungsverhältnis gegenüber der beauftragten Inkassostelle und den zuständigen Behörden vom Berufsgeheimnis befreit sind. Das Luzerner Kantonsspital schreibt auf Anfrage, dass man bei Schuldnern mit Wohnsitz in der Schweiz die Debitorenbewirtschaftung selber und ohne die Dienste eines Inkassobüros erledigen würde. «Nur wenn Schuldner mit Wohnsitz im Ausland den Zahlungsauffor­derungen nicht nachkommen, arbeiten wir mit einem Inkassobüro zusammen», schreibt Simona Benovici, Kommunikations- und Medienbeauftragte des Kantonsspitals Luzern. In diesen Fällen würde dem Inkassobüro jeweils die in Verbindung mit den ausstehenden Zahlungen geführte Geschäftskorrespondenz zwischen dem Spital und dem betreffenden Patienten, jedoch keine Berichte oder Befunde zum Patienten weitergegeben.