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Schätzungsweise rund 64 Milliarden Dollar werden heutzutage im Kunstmarkt rund um die Welt umgesetzt. Nun gibt es gar erste Anleihen, die durch Kunstobjekte unterlegt werden.
Nicht zuletzt nach der Finanzkrise haben Reiche und Superreiche ihre Liebe zu Kunstwerken entdeckt. Dies allerdings nicht mehr nur aus Freude an Bildern und Plastiken, sondern vermehrt als Mittel zur Diversifikation ihrer Finanzanlagen. Schätzungsweise rund 64 Milliarden Dollar werden heutzutage im Kunstmarkt rund um die Welt umgesetzt, Tendenz – nach zwei Schwächejahren – wieder steigend.
In der aktuellsten Marktuntersuchung beziffern die Grossbank UBS und die Art Basel das Umsatzplus auf 12 Prozent im vergangenen Jahr. Mit einem Highlight: Das Gemälde «Salvator Mundi» von Leonardo da Vinci brachte es im Auktionshaus Christie’s auf rekordhohe 450 Millionen Dollar.
Die aufblühenden Kunstmärkte haben eine ganze Reihe von Folgegeschäften zum Leben erweckt. Eines davon sind Darlehen, für die Kunstwerke als Sicherheit dienen. Die Darlehensnehmer verschaffen sich damit Liquidität – zum Kauf weiterer Gemälde, Grafiken und Plastiken, für betriebliche Investitionen, zur Überbrückung finanzieller Engpässe oder was auch immer. Man kennt dies von Pfandhäusern, aber Kunst im Besitz von Millionären und Milliardären überfordert sie.
Banken mit vermögender Kundschaft – etwa die Deutsche Bank – akzeptieren Kunstobjekte nur im Rahmen der allgemeinen Bonitätsprüfung. Manche jedoch beleihen teure Gemälde von Vincent van Gogh, Pablo Picasso oder Andy Warhol als eigenständige Sicherheiten.
In den Vereinigten Staaten, dem grössten Kunstmarkt der Welt, tut sich zum Beispiel die Citibank mit «art loans» ab 5 Millionen Dollar hervor. Sie betätigt sich dabei auf einem Markt, den die Beratungsgesellschaft Deloitte auf 17 bis 20 Milliarden Dollar schätzt.
Kunstdarlehen sind gleichwohl ein Nischenmarkt. Bezeichnend ist, dass in Deutschland ein vergleichsweise kleines Institut wie die Privatbank Berlin von 1929 zu den bekannteren Adressen zählt. Die Beleihungsgrenze für die Kunstwerke reicht bis 40 Prozent des Marktwertes, das Mindestdarlehen beträgt 500 000 Euro bei einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren.
Besonders wichtig: Das Darlehen wird auf Non-Recourse-Basis gewährt. Der Fachbegriff bedeutet, dass ein Kreditnehmer allein mit den Kunstwerken haftet. Seine Bonität wird nicht von Kopf bis Fuss durchleuchtet.
Mit einer zusätzlichen Variante wirbt die Genfer Privatbank Reyl & Cie. Dort können Investoren Wertpapiere, sogenannte «Notes» zeichnen, die durch Kunstwerke – von Museen, Kunstgalerien und privaten Sammlern – besichert sind. Dies geschieht im Verbund mit der in Luxemburg ansässigen Verbriefungsplattform Griffin Art Partners und der Beratungsfirma Link Management, welche die angebotenen Gemälde auf Echtheit prüft und den Marktwert schätzt.
Die Beleihungsgrenze liegt zwischen 30 und 50 Prozent des Marktwerts eines Objekts. Auch hier haftet der Kreditnehmer nur mit seiner Kunst. Auf der anderen Seite engagieren sich die Zeichner der Schuldscheine, darunter reiche Privatleute und Family Offices, für die vergleichsweise kurze Spanne von 12 bis 36 Monaten und können dennoch einen beachtlichen Zinscoupon zwischen 5 und 10 Prozent erwarten.
Der Grund dafür liegt auf der Hand. «Das Risiko ist natürlich höher als etwa bei guten Staatsanleihen», sagt Xavier Ledru, der zuständige Managing Director von Reyl, im Gespräch mit dieser Zeitung. Im Klartext: Die Kunstwerke, welche die gezeichnete Anleihe unterlegen, können plötzlich an Wert verlieren. Da nützt auch das externe Depot nichts, in dem die Werke während der Anleihedauer gelagert und damit dem Zugriff des Kreditnehmers entzogen sind.
Weiter ist zu beachten, dass für die Notes als Privatplatzierungen kein organisierter Sekundärmarkt mit laufendem Handel existiert. Vertragspartner der Investoren ist jeweils ein Verbriefungsvehikel, in welches die jeweiligen Objekte eingebracht wurden. In Streitfällen können Anleger wohl zunächst nur gegen das Verbriefungsvehikel, nicht aber direkt gegen Griffin, Link und Reyl Ansprüche geltend machen.
Laut Aude Lemogne von Link Management bilden in Europa Grossbritannien, die Schweiz, Deutschland und Luxemburg die wichtigsten potenziellen Absatzmärkte für solche «Asset-backed Notes». Die Käufer erhielten Informationen über die Art von Kunstwerken, in die sie investieren, nicht jedoch über die Kreditnehmer und einzelne Objekte.
Das wachsende Problem der Fälschungen soll hingegen keines sein. «Falls in unserer Prüfung (Due Diligence) nur die leisesten Zweifel an der Echtheit eines Objekts auftauchen, lehnen wir es ab», sagt Aude Lemogne. Für Reyl ist Xavier Ledru zuversichtlich: «Bisher haben wir drei «Asset-backed Notes» zu unterschiedlichen Bedingungen für jeweils einen Sicherheitspfandwert zwischen fünf und zehn Millionen Franken vertrieben.
Jetzt sind Volumina von 15 und 40 Millionen Franken geplant.» Das freut die Bank, bedeutet aber für Investoren, dass sie sich nicht wie bei den drei früheren Schuldscheinemissionen mit niedrigen sechsstelligen Beträgen engagieren können.
Dass Griffin, Reyl und Link Management auf Grossbritannien zielen, kommt nicht von ungefähr. Die Insel verkörpert den grössten Kunstmarkt in Europa. Aber die Musik spielt woanders. Nach den Schätzungen von Art Basel und UBS hat 2017 China das Vereinigte Königreich als grössten Markt nach den Vereinigten Staaten überholt. Auf Käufer aus Asien entfallen heute 15 Prozent der Händlerumsätze. Welch ein Boom: 2016 betrug ihr Anteil erst 4 Prozent.