Kolumne
Die Deutsche Bank: Arroganz pur – nicht nur dort

In Zeiten der Veränderung zählen bei Unternehmen der Umgang, der Stil und die Haltung. Die Deutsche Bank gilt hierbei als Negativbeispiel.

Monika Roth
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Monika Roth.

Monika Roth.

Die Deutsche Bank baut, Sie haben das sicher gelesen, 18 000 Stellen ab, jeder fünfte Arbeitsplatz geht verloren. In London hat sich in diesen Wochen bei der Bank etwas ereignet, was man sich in Ruhe zu Gemüte führen muss: Dort wurde Hunderten von Bankern gekündigt. Diese mussten, wie das so üblich geworden ist und den hohen Respekt vor Mitarbeitenden bezeugt (es fällt mir schwer, nicht sarkastisch zu werden), sofort ihre Büros räumen.

Zur selben Zeit wurden zwei Schneider eines sehr teuren Geschäfts beobachtet, wie sie mit grossen Kleidersäcken in der Hand die Zentrale der Deutschen Bank in London verliessen. Sie hatten zeitgleich mit den Kündigungen zwei hochrangige Vertreter des Instituts besucht: Sie nahmen an ihnen Mass für neue Anzüge. Noch deutlicher, noch krasser kann man Gleichgültigkeit und letztlich Unsensibilität kaum ausdrücken. Allerdings: Man fragt sich, wie solche «Söldner des Geldes» («Süddeutsche Zeitung») zu ihren bestens bezahlten Jobs kamen. Das ist nur mit einer Kultur zu erklären, in der es egal ist, ob Du wirklich integer bist, was Deine Motivation ist und wie viel Rückgrat und echte Menschlichkeit Du besitzt.

Wenn der aktuelle Chef der Bank, Christian Sewing, gesagt haben soll, die beiden Banker hätten sich respektlos verhalten und «uns ist der innere Kompass verloren gegangen», so hat er Recht – keine Frage. Er hat seine beiden noch nicht neu eingekleideten Kollegen offenbar angerufen und ihnen den Tarif durchgegeben. Er gehe, so sagte er danach, davon aus, dass die beiden den Anruf nicht vergessen werden. Wahrscheinlich denken die, wen kümmert’s, das geht vorbei. Scham ist von ihnen kaum zu erwarten. Ihr Selbstbild ist so überhöht, dass dafür gar kein Raum bleibt, obgleich das Investment Banking und die Geschichte, wie die Deutsche Bank überhaupt dazu kam, ein unendliches Versagen von unsäglichen Wichtigtuern belegt.

In der Presse finden sich Stimmen, die sagen, mit den entlassenen Mitarbeitern im Investment Banking müsse man kein Mitleid haben. Dazu ist festzuhalten, dass nicht jeder, der dort arbeitet, grosse Kasse macht. Auch dort gibt es die lokalen, normal Entlöhnten, deren erster Gedanke am Morgen sich nicht auf den Bonus bezieht. Sie sind von den Entlassungen härter betroffen, weil sie sich nicht die Polster schaffen konnten wie die angeblichen «Rainmakers», die kurzfristig Erfolgreichen.

Die Debatte über die Geschichte der Deutschen Bank, die dank Grössenwahnsinn in den Abgrund blickt (Milliarden wurden versenkt, nichts ist ausgestanden), könnte ein Fall sein, mit dem sich Gerichte auseinandersetzen müssen. Im Fokus: Die Frage der Verantwortlichkeit.

In Frankreich fand während zwölf Wochen ein Prozess statt, der eine andere Branche als den Bankensektor betraf. Gegen den Telekommunikations-Giganten France Télécom (heute Orange) und gegen ehemalige leitende Angestellte wird das Pariser Strafgericht am 20. Dezember 2019 ein Urteil fällen. Mit massivem Druck und Zwangsversetzungen soll versucht worden sein, einen Stellenabbau durchzusetzen. Ab 2006 hatte France Télécom 22 000 Jobs gestrichen, die innert drei Jahren abgebaut werden sollten.

Zwischen 2006 und 2011 sollen viele Angestellte dem Druck des Unternehmens nicht standgehalten und Selbstmord verübt haben. In der Beweisaufnahme sind 39 Fälle gelistet, davon 19 Suizide. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten die Entwicklung einer Belästigungsstrategie vor beziehungsweise moralische Belästigung. Also schikanöses Verhalten, welches in Frankreich einen Straftatbestand erfüllt.

Was hat das mit der Deutschen Bank zu tun? Vieles. In Zeiten der Veränderung zählen speziell der Umgang, der Stil, die Haltung. Dafür braucht man keine neuen Anzüge – auch der letzte Modeschrei endet, wie mal gesagt worden ist, im Abfallsack.

Monika Roth ist Professorin für Compliance und Finanzmarktrecht an der Hochschule Luzern.