Beim Zentralschweizer Wirtschaftsforum ging es um die rasante Veränderung in der Bildung und in der Arbeitswelt. Hochschulprofessor Stefan Michel sieht eine ganze Branche vor dem grossen Umbruch.
Ernst Meier
Wenn derzeit über die Veränderungen in der Gesellschaft gesprochen wird, fallen Stichworte wie Digitalisierung, Industrie 4.0, soziale Medien oder Automatisierung. Diesen Trends widmete sich auch das gestrige 7. Zentralschweizer Wirtschaftsforum auf dem Pilatus. Die Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz (IHZ) als Veranstalterin des Anlasses stellte jedoch den Menschen ins Zentrum des Wirtschaftstreffens, das zur Weiterbildung und zum «Netzwerken» dient.
Wie die Digitalisierung und die weltweite Vernetzung durch Onlinemedien das Bildungswesen verändern, gab es in einem unterhaltsamen Referat von Stefan Michel zu hören. Der Ökonom und frühere Professor an der Hochschule Luzern ist heute Dekan am internationalen Institut für Managemententwicklung in Lausanne. Seinen Erfahrungsschatz bringt er seit 2011 auch als Verwaltungsrat bei der Zuger Bossard-Gruppe ein.
«Die Hochschulen sind heute dort, wo die Zeitungen vor 20 Jahren standen», sagte Stefan Michel, der bereits mehr Studierende via Onlinevorlesungen erreicht als im Hörsaal. Learning 4.0 nennt man die gegenwärtige Revolution im Bildungswesen. «Die Digitalisierung der Lerninhalte und die Verbreitung via Plattformen wie Youtube führen zu ganz neuen Möglichkeiten», erklärte Michel. «Sie verstehen den Satz des Pythagoras nicht?», fragte er rhetorisch. Seine Kinder schauten für eine Erklärung bei Google und Youtube nach, bevor sie ein Lehrbuch öffnen würden. «Sie finden zu allen möglichen Themen ein erklärendes Video im Internet.»
Mit Learning 4.0 halte ein weiterer Trend Einzug im Bildungswesen, so Michel: «Aus- und Weiterbildung, die bis anhin viel Geld kostete, wird plötzlich allen zugänglich und ist zunehmend gratis.» Die weltweit besten Professoren würden heute schon dank Onlinevideos Tausende Studierende unterrichten. Michel sieht deshalb gerade die sehr teuren US-amerikanischen Colleges unter Druck kommen.
Eine weitere grundlegende Veränderung komme auf die Personalbranche zu, seit im April das Karrierenetzwerk Linkedin das Internetunternehmen Lynda.com kaufte. Der Videodienst bietet über 6000 Onlinekurse und rund 70 000 Videos zum Selbststudium an. «Für die Personalbranche wird sich vieles ändern», ist Michel überzeugt. Zumal Linkedin mittlerweile Microsoft gehört. «Linkedin wird zum Amazon der Personalbranche, was globale Ausdehnung und Einflussnahme betrifft.» Das Karriereportal zählt 450 Millionen Nutzer, die ihren Lebenslauf online präsentieren.
Was bedeuten die digitalen Veränderungen für die künftigen Arbeitnehmer, Vorgesetzten und Firmenchefs? «Die Lernmenge wird grösser, die Zeit weniger», erklärt Stefan Michel. Die Führungskräfte seien herausgefordert, das Wissen ins Unternehmen zu integrieren.