Wenn die Aktienbörsen verrückt spielen, bringen sie die Sparer ins Schwitzen. Wer bei der freiwilligen Altersvorsorge seiner Lebenssituation gerecht anlegt, kann es gelassener nehmen.
Im Sommer und im Herbst war es wieder so weit: Pure Hektik schüttelte die Börsen durch, einzelne Aktientitel verloren kurzzeitig über einen Drittel ihres Wertes. Inzwischen hat sich die Lage zwar wieder beruhigt. An der Zürcher Börse liegen die Aktien der zwanzig grössten Schweizer Unternehmen (SMI) seit Jahresbeginn 8,8 Prozent im Plus. Auch die Aktien der meisten übrigen börsenkotierten Schweizer Unternehmen haben sich gut erholt.
Nur: Was nützt das einer Frau, deren Pensionierung exakt in eine Phase des Kurszerfalls fällt und die fest eingeplant hat, ihre Säule 3a dann zu beziehen? Oder einem Angestellten, der sein Arbeitspensum mit 60 herunterfährt und die Lohneinbusse mit der freiwilligen Vorsorge 3a auszugleichen gedenkt? Und dessen runder Geburtstag genau in eine Zeit fällt, in der bei den Börsenhändlern Ausverkaufsstimmung herrscht?
«Der Vorsorgesparer muss sich bewusst sein, dass Wertschriftenlösungen Kursschwankungen unterliegen und daher nur bei mittel- und langfristigem Anlagehorizont zum Einsatz kommen sollten», sagt Sina Zemp, Geschäftsstellenleiterin der Bank Valiant in Luzern. Sie würde der Frau und dem Angestellten empfehlen, die Ersparnisse in der Säule 3a auf einen normalen Anlagefonds zu verschieben und zu warten, bis sich das Geschehen an der Börse erholt hat. Es bieten sich aber auch Möglichkeiten, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. «In den Jahren vor dem Bezug ist es sinnvoll, den Aktienanteil sukzessive zu reduzieren», sagt Philipp Heer, Geschäftsbereichsleiter beim VZ Vermögenszentrum Luzern.
Beide Experten betonen, die Frage eines sinnvollen 3a-Sparens stelle sich je nach Lebenslage und -planung unterschiedlich – und dementsprechend unterschiedlich seien auch die tauglichen Antworten (siehe Text unten).
45-Jährige, die steuergünstig in die dritte Säule einzahlen, brauchen bei nervösen Zuckungen der Finanzwelt nicht unruhig zu werden. Sie kommen frühestens in 14 (Frauen) oder 15 Jahren (Männer) an ihre Sparsummen ran. Über einen so langen Zeitraum lässt sich an Aktien recht gut verdienen. Der SMI zum Beispiel legte trotz diverser Wochen mit Wetterleuchten in den letzten zwei Jahren eine Performance von stattlichen 30,5 Prozent hin. Mit einem Aktienanteil der erlaubten 50 Prozent lässt sich über einen langen Sparhorizont gut daran teilhaben.
Hinzu kommt die Steuerersparnis, welche die dritte Säule bietet. In diesem Jahr sind es für Angestellte maximal 6739 Franken, die sich sparen und gleichzeitig vom Einkommen abziehen lassen. Für das kommende Jahr liegt die Obergrenze bei 6768 Franken. Beim Bezug gilt zudem ein deutlich tieferer Tarif als bei der Einkommenssteuer.
Die Experten
Philipp Heer, Geschäftsbereichsleiter VZ Vermögenszentrum, Luzern
Sina Zemp, Geschäftsstellenleiterin Bank Valiant, Luzern
Er hat vor, bis 60 voll durchzuarbeiten und in den letzten fünf Arbeitsjahren auf ein Arbeitspensum von 50 bis 70 Prozent zu reduzieren. Die Lohneinbusse will er aus seiner privaten Vorsorge finanzieren. Der Mann arbeitet als Sachbearbeiter bei einer Versicherung, verdient 7200 Franken brutto monatlich und hat in zwei 3a-Vorsorgedepots bereits insgesamt 80 000 Franken angespart.
Philipp Heer: Da Aktien grossen Schwankungen unterliegen, könnten die Kurse ausgerechnet dann im Keller sein, wenn das 3a-Guthaben bezogen werden muss. Ich empfehle deshalb, den Aktienanteil in den verbleibenden fünf Jahren bis zum Bezug des Geldes sukzessive zu reduzieren. Für den Aktienanteil sind ETF (passiv verwaltete Fonds) und andere Indexfonds ratsam. Sie sind deutlich kostengünstiger als aktiv gemanagte 3a-Fonds.
Sina Zemp:Der Aktienanteil ist abhängig von der Risikobereitschaft und -fähigkeit. Aufgrund der geplanten Teilpensionierung und der Budgetergänzungen aus der Vorsorge wird bereits in 5 Jahren (Alter 60) der erste Vorbezug getätigt. Dem Anlagehorizont entsprechend sollte ein geringer Aktienanteil gewählt werden. Da defensive Anlagen jedoch in letzter Zeit kaum einen besseren Ertrag brachten als die Kontolösungen, könnte ein Wechsel zur Kontolösung zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll sein.
Zwei der Kinder stehen bereits im Berufsleben, das dritte hat eben das Studium aufgenommen. Die Eltern werden noch fünf Jahre für den Jüngsten finanziell aufkommen müssen. Der Vater (59) arbeitet als Handwerker, die Mutter (58) in Teilzeit bei einem Detailhändler. Zusammen verdienen sie 10 000 Franken brutto monatlich. Auf ihren beiden 3a-Vorsorgekonti haben sie bis jetzt 40 000 Franken angespart. Sie finanzieren mit der Säule 3a in erster Linie das Studium ihres Sohnes.
Philipp Heer: Das Ehepaar möchte seine 3a-Guthaben in wenigen Jahren beziehen. In dieser Situation
empfehle ich, die Guthaben auf dem 3a-Zinskonto zu belassen und die beiden Konten allenfalls zu einem Anbieter zu transferieren, der einen höheren Zins zahlt. Zwischen den Anbietern bestehen beträchtliche Zinsunterschiede. Der Transfer von 3a-Guthaben ist jederzeit möglich und kostet meistens
nichts.
Sina Zemp: Das Ehepaar wird zur Finanzierung des Studiums zum frühestmöglichen Zeitpunkt das erste Konto auflösen müssen. Die Möglichkeit besteht ab 5 Jahren vor Erreichen des ordentlichen Pensionsalters. Aufgrund des sehr geringen Anlagehorizonts ist von einer Investition in Wertschriften abzusehen. Ein gestaffelter Bezug ist ratsam, um die Progression der Kapitalsteuer zu brechen, denn bei Ehepaaren werden die Bezüge von Mann und Frau im selben Jahr für die Satzbestimmung addiert.
Sie arbeitet in einem Fitness-Center und verdient 6800 Franken brutto. Gespart hat sie noch nichts.
Sie eröffnet aus steuerlichen Gründen nun ein 3a-Vorsorgedepot, hat aber noch keine klaren Vorstellungen, ob sie das Geld später für eine vorzeitige Pensionierung oder als Zustupf im Rentenalter
verwenden will.
Philipp Heer: Der Anlagehorizont dieser Frau beträgt 15 bis 20 Jahre. Bei ihr ist es vertretbar, für das 3a-Guthaben einen Aktienanteil zu wählen. Die Höhe des Aktienanteils ist abhängig von der persönlichen Risikobereitschaft. Auch hier sind kostengünstige ETF (passiv verwaltete Fonds) oder Indexfonds zu bevorzugen. Dank den tiefen ETF-Gebühren lassen sich gegenüber klassischen Anlagefonds mehrere tausend Franken Gebühren sparen.
Sina Zemp: Grundsätzlich ist auch hier der Aktienanteil abhängig von der individuellen Risikobereitschaft
und -fähigkeit. Der lange Anlagehorizont spricht für einen Fonds mit dem maximalen Aktienanteil von 50 Prozent. Die Kundin sollte die Einzahlungen in den 22 Jahren gleichmässig auf verschiedene Vorsorgelösungen verteilen. Der dadurch ermöglichte gestaffelte Bezug von 59 bis 64 Jahre bringt beachtliche Steuervorteile mit sich und sollte entsprechend geplant werden.