Luzerner Start-up will E-Sport-Liga für Ü40-Jährige starten

Ein Luzerner Start-up will über 38-Jährigen die Tür zum E-Sport öffnen. Es ist ein lukrativer Markt, der an der Milliardengrenze kratzt.

Federico Gagliano
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«Senior E-Sports»-Botschafter Daniel Gygax und Liga-Gründer René Merkli.Bild: Nadia Schärli (Meggen, 29. August 2019)

«Senior E-Sports»-Botschafter Daniel Gygax und Liga-Gründer René Merkli.
Bild: Nadia Schärli (Meggen, 29. August 2019)

René Merkli spielt gerne Videospiele – am liebsten online mit Freunden. Das Problem: Als 42-jähriger zweifacher Vater mit einer Vollzeitstelle findet er nur selten die Zeit dafür. Und wenn, folgt bald darauf der Frust: Denn in der digitalen Arena wartet eine Horde Teenager, mit deren Reaktionszeit Merkli und sein Team kaum mithalten können.

Im professionellen E-Sport gilt: Ab 25 ist man zu alt, die ­Reaktionszeit zu langsam im ­Vergleich zu jungen Talenten. Dem will Merkli nun mit seinem in Meggen gegründeten Start-­up entgegenwirken: «Senior E-Sports» soll eine Plattform für alle Männer ab 38 sein, die E-Sport-Luft schnuppern wollen. Und was ist mit den Frauen? «Für Frauen in der Liga sind wir natürlich offen», sagt Merkli, «leider haben sich bislang keine angemeldet. Der Fokus liegt ­deshalb für den Anfang bei den Männern.» Das Potenzial sei da, ist Merkli überzeugt: «In der Schweiz besitzen 518000 der über 40-Jährigen eine Konsole. Von PCs ganz zu Schweigen.» Laut einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften spielt rund ein Drittel der 30- bis 59-Jährigen wöchentlich Videospiele. Das Hobby beschäftigt demnach nicht nur Kinder und Jugendliche.

Junge Gamer als Trainer

Seit Mai dieses Jahres ist die Webseite der Liga online, bisher haben sich etwa 90 Spieler angemeldet. Gespielt wird die Fussballsimulation «Fifa», Rennsimulator «Gran Turismo» und «Rocket League», welches Fussball und Autos verbindet: Im Spiel versucht man, mit kleinen Fahrzeugen Tore zu erzielen. Senior E-Sports funktioniert dabei nach dem Vorbild der deutschen Electronic Sports League (ESL). Interessierte können sich kostenlos anmelden und an den Online-Turnieren teilnehmen. Kostenpflichtige Premiummitgliedschaften erlauben den Zugang zu speziellen Ligen und Coachings, in denen man neue Tricks von jungen Gamern lernen kann.

Noch befindet sich das Projekt im Anfangsstadium. Merkli sucht nach Investoren und Sponsoren. Deshalb stellt er sein Vorhaben am Dienstag im Rahmen des Digitaltags am «esports.business.forum» in St.Gallen vor. Das Ziel sei der Aufbau einer professionellen Liga und ein eigenes Team. Am 8.September folgt ein Offline-Turnier in Zürich, wo die Spieler sich gegenüberstehen werden. Mit dabei: Der «Senior E-Sport»-Botschafter und ehemalige Nati-Spieler Daniel Gygax, der unter anderem beim FCZ und dem FCL gespielt hat. Auch er ist begeisterter Gamer: «Mit meinen Kindern spiele ich natürlich Fifa, ist ja naheliegend», erzählt er lächelnd. Alleine spiele er aber gerne auch Shooter- oder Strategiespiele. Deshalb habe ihn Merklis Idee sofort begeistert. Online hätte man inzwischen keine Chance, das mache keinen Spass.

Können nun auch ältere Gamer von grossen Preisgeldern träumen? Ende Juli gewann ein 16-Jähriger drei Millionen Dollar an der «Fortnite»-Weltmeisterschaft in New York. Bei der «Dota 2»-WM vergangene Woche wurden insgesamt 34 Millionen Dollar unter den Gewinnern verteilt. «Es wird auch bei uns Preisgelder geben, aber mit amerikanischen Turnieren werden wir nicht mithalten können», sagt Merkli. Spass und der Austausch zwischen Gleichaltrigen stehe an vorderster Front. Trotzdem hat Merkli klare Ziele: «Wenn alles glatt läuft, werden wir in drei Jahren in den US-Markt einsteigen.»

Der weltweite E-Sports-Umsatz beläuft sich auf etwa 865 Millionen Dollar. Marktforscher prognostizieren, dass dieser Wert sich in den nächsten drei Jahren mehr als verdoppeln wird. Swisscom, UPC und Post sind bereits auf die E-Sport-Welle aufgesprungen. Kann man da als Start-up mithalten? «Ich wurde mit offenen Armen empfangen», sagt Merkli, «das hat mich überrascht.» Da die Zielgruppen unterschiedlich seien, sei er auf reges Interesse gestossen. Auch mit einigen Teams sei er in Kontakt. «Sie suchen nun nach Ü40-Gamern, um ein eigenes Team für Senior E-Sports zu stellen», so Merkli.

In Deutschland nicht als Sport anerkannt

Trotzdem musste die Szene erst kürzlich einen Rückschlag hinnehmen: Der Deutsche Olympische Sportbund lehnt die Anerkennung von E-Sport als Sport ab. Die Anforderungen an den Körper seien nicht gross genug. Die Diskussion darüber tobt seit Jahren. Laut Merkli braucht es diese Anerkennung aber gar nicht, E-Sport sei seine eigene Sache. Auch Manuel Oberholzer, Mitgründer der Berner E-Sports-Agentur MYI Entertainment, sieht das ähnlich: «Ganz allgemein gesehen braucht der E-Sport diese Anerkennung nicht: E-Sport floriert und boomt auch ohne staatliche Anerkennung.» Es bräuchte eine Graswurzelbewegung in Form von Jugendförderungen oder Eltern-Aufklärung. Kommerzielle Akteure hätten wenig Interesse daran, diese zu schaffen – staatliche Institutionen könnten die Initiative ergreifen.

Bei Swiss Olympic hat man sich ebenfalls mit der Frage befasst: «Natürlich beobachten wir, wie das Thema national und international diskutiert und bewertet wird. Eine Position, ob es sich dabei um eine Sportart handelt oder nicht, hat Swiss Olympic aber nicht bezogen», sagt Alexander Wäfler, Mediensprecher bei Swiss Olympic, auf Anfrage. Es werde aber sicherlich dazu kommen, «falls der Schweizer E-Sport-Verband Mitglied von Swiss Olympic werden möchte und ein Aufnahme­gesuch stellt», so Wäfler. Bis jetzt sei allerdings noch kein solches Gesuch eingetroffen.