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Am Freitag stimmen die Aktionäre von Holcim über die Fusion mit dem französischen Konkurrenten Lafarge ab. Entstehen wir der weltgrösste Zementhersteller. Der ehemalige Konzernchef von Holcim, Markus Akermann, erklärt, warum er die Fusion unterstützt
Markus Akermann: Ich stehe der Fusion positiv gegenüber. Dahinter steht eine industrielle Logik. Die Unternehmen ergänzen sich geografisch und fokussieren auf das gleiche Geschäftsmodell.
Eine derartige Fusion bedarf immer der Überzeugungsarbeit bei den Aktionären. Das nun vorliegende Austauschverhältnis von 9 zu 10 ist ein gutes Verhandlungsergebnis und die Bonusdividende ist eine attraktive Zugabe.
Natürlich könnte Holcim im Alleingang auch freie Mittel an die Aktionäre zurückführen. Für mich als langfristig ausgerichteter Aktionär besteht jedoch ein entscheidender Unterschied. Ich werde an einem schweizerischen Baumaterialkonzern, der auf Jahre der globale Branchenleader sein wird, beteiligt sein. Im Alleingang wäre diese Positionierung nicht erreichbar. Lafarge-Holcim kann sich voll auf die Effizienzsteigerungen, die Synergien und das organische Wachstum konzentrieren. Externes Wachstum wird kaum ein Thema sein. Der hohe freie Cashflow wird primär für Schuldenreduktion und Dividenden zur Verfügung stehen.
Relevant ist für mich vor allem, ob Holcim mit Lafarge strukturell schwache Positionen erwirbt. Schwankungen in einem globalen Portefeuille, sei es aus konjunkturellen oder politischen Gründen – Beispiel Naher Osten – sind ein zyklisches oder temporäres, jedoch nicht ein strukturelles Problem. Unter diesem Blickwinkel bringt Lafarge sehr attraktive Aktiven in die Ehe ein.
Das höchste Gebäude der Schweiz, der sogenannte «Prime Tower» an der Zürcher Hardbrücke, wird im Innern zusammengehalten von Holcim-Zement. Hunderte Tonnen schwarz gefärbten Betons des Aargauer Unternehmens bilden die Struktur hinter der gläsernen Fassade des 126-Meter-Kolosses. Neben dem Prime Tower stammen auch der Beton des Ceneri-Basistunnels der Neat und die riesige Staumauer des Pumpspeicherkraftwerks Linth-Limmern von Holcim. Prestigeprojekte hat das Unternehmen reichlich.
Das bei weitem grösste Holcim-Projekt wird aller Voraussicht nach an diesem Freitag an der ausserordentlichen Generalversammlung in Form gegossen: die Fusion mit dem französischen Konkurrenten Lafarge. Es entsteht der grösste Zementkonzern der Welt. Absehbar war das nicht, als Adolf Gygi im Februar 1912 die «Aargauische Portlandcementfabrik» gründete. Zwei Jahre später übernahm das Unternehmen die Rheintalische Cementfabrik Rüthi AG. Beteiligt an Rüthi war Ernst Schmidheiny senior. 1921 übernahm dieser das Präsidium des Verwaltungsrates der Firma. Die Familie Schmidheiny verlieh der Firma später eine internationale Ausrichtung. Im Jahr 1930 wurde die «Aargauische Portlandcementfabrik» geteilt: in die «Holderbank» Financière Glarus AG und die Cementfabrik Holderbank-Wildegg AG. Der Konzern bekam den Namen: HCB Holderbank Cement und Beton. 2001 kam die Umbenennung in Holcim Ltd. Das Unternehmen beschäftigt heute über 60 000 Mitarbeiter.
Der Konzern bleibt von Kritik nicht verschont – die Strukturen der Zementbranche gelten seit je als kartellistisch, ein Werk in Indien brachte Holcim Schwierigkeiten ein. Der neueste Vorwurf kommt von Gewerkschaftern und zielt auf die aktuelle Fusion: Diese sei kapitalistisch motiviert und biete keine Vorteile für die Mitarbeiter. Die Logik hinter der Fusion ist indes klar: In der Zementbranche ist Grösse einfach alles. (fho)
Ja. Dank der einmaligen und ausgewogenen geografischen Präsenz hat Lafarge-Holcim nun die Chance, die Investitionen niedrig zu halten und sich auf organisches Wachstum, Effizienzsteigerungen und die Synergien zu konzentrieren. Damit sind die Voraussetzungen für eine angemessene Kapitalrendite sehr gut.
Holcim und Lafarge sowie die gesamte Industrie haben sich in den letzten 20 Jahren verändert. Entsprechend haben sich die Unternehmungskulturen bei beiden Unternehmen verändert.
Risiken bestehen bei jeder Akquisition oder Fusion. Holcim und Lafarge sind über Jahrzehnte akquisitorisch und teilweise über Fusionen gewachsen. Beide haben gezeigt, dass sie das «Integrationshandwerk» in den unterschiedlichsten Kulturen verstehen. So wie ich einzelne Mitglieder des Verwaltungsrates und der Konzernleitung über Jahre kennen gelernt habe, bin ich der Überzeugung, dass diese kritische Aufgabe mit Respekt angegangen und erfolgreich gelöst werden wird. Entscheidend wird sein, dass sich die Mitarbeiter von Lafarge-Holcim mit der neuen Unternehmung, ihren Werten und ihrem Marktauftritt identifizieren können.
Genau. Ein zweiter entscheidender Faktor ist die Realisierung der definierten Synergien im Umfang von 1,4 Milliarden Euro. Das anvisierte Ziel ist ambitiös. Wenn es dem CEO gelingt, und die Voraussetzungen dazu scheinen nun gut zu sein, die Führungsteams auf allen Ebenen hinter sich zu scharen, sollten diese Synergien erreichbar sein. Es ist klar, dass der Verwaltungsrat und die Konzernleitung hier gegenüber den Aktionären in der Pflicht stehen.