Mega-Fusion
Ehemaliger Holcim-Chef: «Die Konzernleitung ist jetzt in der Pflicht»

Am Freitag stimmen die Aktionäre von Holcim über die Fusion mit dem französischen Konkurrenten Lafarge ab. Entstehen wir der weltgrösste Zementhersteller. Der ehemalige Konzernchef von Holcim, Markus Akermann, erklärt, warum er die Fusion unterstützt

Andreas Schaffner
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Markus Akermann war von 2002–2012 CEO von Holcim und bis 2013 Verwaltungsrat. Akermann gilt als «Dealmaker». Er baute Holcim zum Zementriesen auf, war jedoch nicht in die Fusionsgespräche mit Lafarge involviert.

Markus Akermann war von 2002–2012 CEO von Holcim und bis 2013 Verwaltungsrat. Akermann gilt als «Dealmaker». Er baute Holcim zum Zementriesen auf, war jedoch nicht in die Fusionsgespräche mit Lafarge involviert.

KEYSTONE

Herr Akermann, wie stehen Sie generell zur Fusion von Holcim und Lafarge?

Markus Akermann: Ich stehe der Fusion positiv gegenüber. Dahinter steht eine industrielle Logik. Die Unternehmen ergänzen sich geografisch und fokussieren auf das gleiche Geschäftsmodell.

Wieso hat es länger gedauert, die Holcim-Aktionäre zufriedenzustellen?

Eine derartige Fusion bedarf immer der Überzeugungsarbeit bei den Aktionären. Das nun vorliegende Austauschverhältnis von 9 zu 10 ist ein gutes Verhandlungsergebnis und die Bonusdividende ist eine attraktive Zugabe.

Nicht alle sind zufrieden: Einige finden immer noch, Holcim würde alleine finanziell gesünder dastehen.

Natürlich könnte Holcim im Alleingang auch freie Mittel an die Aktionäre zurückführen. Für mich als langfristig ausgerichteter Aktionär besteht jedoch ein entscheidender Unterschied. Ich werde an einem schweizerischen Baumaterialkonzern, der auf Jahre der globale Branchenleader sein wird, beteiligt sein. Im Alleingang wäre diese Positionierung nicht erreichbar. Lafarge-Holcim kann sich voll auf die Effizienzsteigerungen, die Synergien und das organische Wachstum konzentrieren. Externes Wachstum wird kaum ein Thema sein. Der hohe freie Cashflow wird primär für Schuldenreduktion und Dividenden zur Verfügung stehen.

Holderbank stand lange für Holcim Simon Läuchli, Ammann von Holderbank, tauscht am Samstag 31. März 2001, die bisherige Ortstafel mit der Aufschrift «Holderbank» mit dem neuen Namen «Holcim» aus. Anlass dafür ist der Zementkonzern Holderbank, der seinen Namenswechsel bekanntgegeben hat.
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Holcim: Der Zementriese kommt aus dem Aargau
Einlauf der Kalksteinmasse in den Zementofen im Jahr 1945.
Thomas Schidheiny: Dieser Familienname ist untrennbar mit der Holcim verbunden. Thomas Schmidheiny hier als Holderbank-Verwaltungsratspräsident am 24. April 1997, vor der Presse in Zürich.
Der Zementofen der HCB Holderbank in Siggenthal-Station (AG) am Mittwoch, 22. September 1999.
Auch in Rekingen war die Holcim - auch wenn sie damals noch nicht so hiess: Gesamtansicht des Zementwerks HCB Holderbank Cement und Beton Rekingen im Kanton Aargau (undatierte Aufnahme). Das Zementwerk Rekingen war 1998 nicht mehr in Betrieb.
Die Holderbank-Zementfabrik in Siggenthal-Station, fotografiert im März 1995
Blick in einen Ofen im Zementwerk Siggenthal in Würenlingen am 18. November 2002. Das Zementwerk Holderbank wurde 1912 gegründet, und gehört seit 1992 zu Holcim. Kalkstein und Mergel werden zu einem feinen Pulver (Rohmehl) vermahlen und im 65 Meter langen Drehofen bei rund 1450 Grad zu Zementklinker gebrannt.

Holderbank stand lange für Holcim Simon Läuchli, Ammann von Holderbank, tauscht am Samstag 31. März 2001, die bisherige Ortstafel mit der Aufschrift «Holderbank» mit dem neuen Namen «Holcim» aus. Anlass dafür ist der Zementkonzern Holderbank, der seinen Namenswechsel bekanntgegeben hat.

Keystone

Grösse ist letztlich entscheidend.

Relevant ist für mich vor allem, ob Holcim mit Lafarge strukturell schwache Positionen erwirbt. Schwankungen in einem globalen Portefeuille, sei es aus konjunkturellen oder politischen Gründen – Beispiel Naher Osten – sind ein zyklisches oder temporäres, jedoch nicht ein strukturelles Problem. Unter diesem Blickwinkel bringt Lafarge sehr attraktive Aktiven in die Ehe ein.

Das Grundproblem war jedoch, dass es für einen Zementhersteller wie Holcim immer schwieriger bis unmöglich war, die Kapitalkosten zu verdienen? Kann das gelöst werden?

Von Holderbank hinaus in die Welt

Das höchste Gebäude der Schweiz, der sogenannte «Prime Tower» an der Zürcher Hardbrücke, wird im Innern zusammengehalten von Holcim-Zement. Hunderte Tonnen schwarz gefärbten Betons des Aargauer Unternehmens bilden die Struktur hinter der gläsernen Fassade des 126-Meter-Kolosses. Neben dem Prime Tower stammen auch der Beton des Ceneri-Basistunnels der Neat und die riesige Staumauer des Pumpspeicherkraftwerks Linth-Limmern von Holcim. Prestigeprojekte hat das Unternehmen reichlich.

Das bei weitem grösste Holcim-Projekt wird aller Voraussicht nach an diesem Freitag an der ausserordentlichen Generalversammlung in Form gegossen: die Fusion mit dem französischen Konkurrenten Lafarge. Es entsteht der grösste Zementkonzern der Welt. Absehbar war das nicht, als Adolf Gygi im Februar 1912 die «Aargauische Portlandcementfabrik» gründete. Zwei Jahre später übernahm das Unternehmen die Rheintalische Cementfabrik Rüthi AG. Beteiligt an Rüthi war Ernst Schmidheiny senior. 1921 übernahm dieser das Präsidium des Verwaltungsrates der Firma. Die Familie Schmidheiny verlieh der Firma später eine internationale Ausrichtung. Im Jahr 1930 wurde die «Aargauische Portlandcementfabrik» geteilt: in die «Holderbank» Financière Glarus AG und die Cementfabrik Holderbank-Wildegg AG. Der Konzern bekam den Namen: HCB Holderbank Cement und Beton. 2001 kam die Umbenennung in Holcim Ltd. Das Unternehmen beschäftigt heute über 60 000 Mitarbeiter.

Der Konzern bleibt von Kritik nicht verschont – die Strukturen der Zementbranche gelten seit je als kartellistisch, ein Werk in Indien brachte Holcim Schwierigkeiten ein. Der neueste Vorwurf kommt von Gewerkschaftern und zielt auf die aktuelle Fusion: Diese sei kapitalistisch motiviert und biete keine Vorteile für die Mitarbeiter. Die Logik hinter der Fusion ist indes klar: In der Zementbranche ist Grösse einfach alles. (fho)

Obwohl massiv restrukturiert wurde. Holcim hat in Europa einige Zementwerke geschlossen.

Ja. Dank der einmaligen und ausgewogenen geografischen Präsenz hat Lafarge-Holcim nun die Chance, die Investitionen niedrig zu halten und sich auf organisches Wachstum, Effizienzsteigerungen und die Synergien zu konzentrieren. Damit sind die Voraussetzungen für eine angemessene Kapitalrendite sehr gut.

Gibt es nicht unterschiedliche Unternehmenskulturen zwischen Holcim und Lafarge?

Holcim und Lafarge sowie die gesamte Industrie haben sich in den letzten 20 Jahren verändert. Entsprechend haben sich die Unternehmungskulturen bei beiden Unternehmen verändert.

Was muss berücksichtigt werden, damit die Fusion zum Erfolg wird?

Risiken bestehen bei jeder Akquisition oder Fusion. Holcim und Lafarge sind über Jahrzehnte akquisitorisch und teilweise über Fusionen gewachsen. Beide haben gezeigt, dass sie das «Integrationshandwerk» in den unterschiedlichsten Kulturen verstehen. So wie ich einzelne Mitglieder des Verwaltungsrates und der Konzernleitung über Jahre kennen gelernt habe, bin ich der Überzeugung, dass diese kritische Aufgabe mit Respekt angegangen und erfolgreich gelöst werden wird. Entscheidend wird sein, dass sich die Mitarbeiter von Lafarge-Holcim mit der neuen Unternehmung, ihren Werten und ihrem Marktauftritt identifizieren können.

Eine zweifellos faszinierende, aber auch herausfordernde Aufgabe für den neuen CEO – der ja erst kürzlich neu bestimmt wurde.

Genau. Ein zweiter entscheidender Faktor ist die Realisierung der definierten Synergien im Umfang von 1,4 Milliarden Euro. Das anvisierte Ziel ist ambitiös. Wenn es dem CEO gelingt, und die Voraussetzungen dazu scheinen nun gut zu sein, die Führungsteams auf allen Ebenen hinter sich zu scharen, sollten diese Synergien erreichbar sein. Es ist klar, dass der Verwaltungsrat und die Konzernleitung hier gegenüber den Aktionären in der Pflicht stehen.