Tiny Houses – Eigenheime im Miniformat kommen auf

Wenig Platz, dafür geringe Kosten und niedriger Ressourcenverbrauch: In der Schweiz breiten sich Kleinwohnformen aus. Nun entsteht die erste Siedlung.

Andreas Lorenz-Meyer
Drucken
Das Tiny House der Familie Vins. Bild: Ester Unterfinger/Swissinfo.ch (Februar 2019)

Das Tiny House der Familie Vins. Bild: Ester Unterfinger/Swissinfo.ch (Februar 2019)

Tiny Houses, das sind Wohnhäuser von grob 15 bis 45 Quadratmeter Wohnfläche. Trotz engen Raums bieten sie den ganzen Komfort, den ein Zuhause haben soll. Die Idee stammt aus den USA, hat sich aber längst ausgebreitet. In Spanien entwarf eine Architektin «La Casa en una Maleta», das «Haus im Koffer». Es beschränkt sich auf 28 Quadratmeter. Auch hierzulande ist der Ansatz, mit wenig Wohnfläche auszukommen, auf dem Vormarsch. In Tschappina in Graubünden etwa steht «Öki», das Tiny House der Familie Vins. «Öki» ist mobil und autark. Warmwasserführender Kamin, Solarspeicher, Solarthermie, Fussbodenheizung – alles wurde untergebracht. Und funktioniert laut Bewohnern einwandfrei.

Die Anhänger der Idee sind schweizweit organisiert. Der Verein für innovative Kleinwohnformen Schweiz zählte im März 2019, gut ein Jahr nach der Gründung, 715 Mitglieder. Der Begriff Kleinwohnform meint laut Verein verschiedene Wohnkonzepte, die klein, «weitgehend ökologisch verträglich» und meist mobil sind. Dazu gehören Minihäuser genauso wie Zirkuswagen. Die Wohnfläche liegt in der Regel unter 50 Quadratmetern, eine strikte Obergrenze gibt es aber nicht. Der Verein will Kleinwohnformen als anerkannte Wohnform etablieren. Ein Ziel, das näher zu rücken scheint.

Investoren glauben an das Konzept

Entstanden die platzsparenden Minibehausungen bisher nur durch Privatinitiativen, so werden sie jetzt auch von offizieller Seite als Alternative zum herkömmlichen 150-Quadratmeter-Haus erwogen. So lässt der Basler Grosse Rat nach geeignetem Gelände für Kleinstwohnungen und -häuser suchen. Der Reinacher Arealentwickler Hans-Jörg Fankhauser ist schon einen Schritt weiter. Er plant in der Nähe des Bahnhofs in Liestal, im Baselland, eine Wohnsiedlung mit rund 100 gestapelten Tiny Houses. Das Gelände befindet sich «in schöner Lage» am Oristalbach. Fankhauser hat ein «zukunftsfähiges Areal» im Sinn.

Die Siedlung soll Teil eines smarten Quartiers sein, zu dem auch Büro- und Gewerbeflächen für Co-Working und Start-ups gehören. Die Finanzierung ist geregelt, das Quartierplanverfahren wurde gestartet. Wenn alles gut geht, baut man in zwei Jahren. Die Kleinhäuser werden in Eigentum oder zur Miete angeboten. Die Einheit sei logischerweise günstiger als eine 100-Quadratmeter-Wohnung, Fankhauser sieht darin aber nicht das entscheidende Element. «Wir glauben, dass die Wohnform und vor allem das gesamte Quartier anziehend wirken.»

Es gebe bei dem Thema eine grosse Dynamik in der Schweiz, auch andere dürften sich in diese Richtung Gedanken machen. «Tiny Homes sind zeitgemäss. Ressourceneffizienz ist das zentrale Thema, das uns die nächsten zehn Jahre beschäftigen muss. Je weniger Fläche ein Gebäude einnimmt, desto weniger Baumaterial, graue Energie, also jene für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung, und später auch Betriebsenergie wird verbraucht», so Fankhauser.

Ein Blick ins Innere: Moni Vins mit ihrer Tochter. Bild: Ester Unterfinger/Swissinfo.ch (Februar 2019)

Ein Blick ins Innere: Moni Vins mit ihrer Tochter. Bild: Ester Unterfinger/Swissinfo.ch (Februar 2019)

Alle Probleme lösen Tiny Houses nicht

Tiny Houses sparen viel Baufläche. Fankhauser vergleicht es mit der nahe gelegenen Siedlung Steinreben. Dort wohnen in 80 Wohnungen 185 Personen, das Grundstück hat eine Fläche von 15000 Quadratmetern. Entspricht 80 Quadratmetern Bauland pro Person. Die 100 Tiny-Häuser in Liestal geben gut 150 Personen ein Zuhause. Bei 5000 Quadratmetern Grundstücksfläche sind das pro Person nur 35 Quadratmeter. Fankhauser ist sicher: Kleinwohnformen ergänzen künftig das Angebot an Wohnungstypen in der Schweiz. «Daran glauben auch unsere Investoren.»

Kleinwohnformen – ideal für nachhaltiges Bauen? Christian Kraft, Dozent Immobilien am Institut für Finanzdienstleistungen Zug, leitet ein Projekt zum Thema nachhaltige Wohnwirtschaft. «Wie nachhaltig Wohnformen tatsächlich sind, entscheiden Flächenverbrauch, Mobilität, Energiebilanz, Bezahlbarkeit zusammen. Wohnkonzepte, bei denen alles stimmt, gibt es selten. Am besten sind energetisch optimierte Wohnungen in innerstädtischen Gebäuden mit hoher Nutzungsdichte.» Und Tiny Houses? Hier sieht Kraft den Landverbrauch kritisch. «Innerstädtischer Boden kostet viel. Bei eingeschossiger Nutzung wird der Landverbrauch relativ hoch und die Bodennutzung teuer.» Vor allem bei Grünflächen ums Haus. In ländlichen Gebieten gibt es, was Landverbrauch und Bodenpreise angeht, weniger Probleme. «Doch da werden die Pendel- und Alltagswege lang. Alle Probleme lösen also auch Tiny Houses nicht.»

Ein Nischenprodukt, doch bei Jungen beliebt

Der Bedarf ist da. Innerhalb der Wohnungswirtschaft seien Tiny Houses zwar ein Nischenprodukt. Dieses entspräche aber den Wohnwünschen vieler junger Menschen und sende so Signale an die Immobilienwirtschaft, sagt Kraft. Viele Schweizer wollten nachhaltig und individualisiert wohnen – allerdings nicht in stark verdichteten innerstädtischen Überbauungen. «Das politische Ziel der innerstädtischen Verdichtung lässt sich mit dieser Wohnform also kaum erreichen.»

Zudem gibt es viele Unklarheiten. «Flexible neue Wohnformen passen oft nicht in das starre Korsett von Nutzungsplänen und baurechtlichen Regeln. Montiert man dem Tiny House beispielsweise Räder, ist es per Definition gar keine Immobilie mehr, sondern ein Wohnwagen», erklärt Kraft. Das Baurecht orientiere sich an Standardbauten und der optimalen Ausnutzung von Landstücken. Hier gebe es für die Ansiedlung von Minihäusern in Standard-Wohnzonen noch viele Hürden.