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Wirtschaft
Janet Yellen soll heute von US-Präsident Barack Obama für den Chefposten der US-Notenbank nominiert werden. Für die künftige Geldpolitik der USA ist aber weniger das Geschlecht als die politische Gesinnung von Yellen entscheidend.
Die Nominierung ist keine Überraschung. Nachdem sich Larry Summers als Kandidat für den Chefposten der US-Notenbank Fed vor kurzem selber aus dem Rennen genommen hat, blieb nur noch sie übrig. Janet Yellen, die demokratische Wirtschaftswissenschaftlerin, die intellektuell im demokratischen Logotop der Universität Berkley in Kalifornien gross geworden ist.
Berkley ist eine Brutstätte, in der sich demokratische Präsidenten wie Barack Obama oder Bill Clinton gerne bedienen. «Als ich im Studienjahr 2000/01 dort studierte, war zunächst Clinton Präsident, und er viele der demokratischen Wissenschaftler der Universität Berkley hatten in Washington etwas zu sagen», erinnert sich der Schweizer Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann.
Personal aus Clinton-Ära
Nachdem im Januar 2001 mit George W. Bush dann aber ein hartgesottener Republikaner im Weissen Haus Einzug hielt, wurden die Verbindungen zwischen der demokratischen Brutstätte Berkley und der Machtzentrale in Washington vollständig gekappt. «Plötzlich war Berkley draussen», so Straumann im Gespräch mit der «Nordwestschweiz».
Rund vier Jahre zuvor, im August 1994, wurde die 1946 in Brooklyn (New York) geborene Janet Louise Yellen, ins Board of Governors der US-Notenbank gewählt. Präsident der Vereinigten Staaten war seit 1993 der Demokrat Bill Clinton.
Yellen war aber nicht die erste Frau, die in diesen mächtigen Zirkel des U.S. Federal Reserve System, so der offizielle Namen der Notenbank, einzog. Der republikanische Präsident Jimmy Carter hatte schon 1973 Nancy Teeters zum Direktoriumsmitglied der US-Notenbank ernannt.
Dass der Demokrat Obama heute auf das Personal der Clinton-Ära zurückgreift, erstaunt den Wirtschaftshistoriker nicht. «Obama hat selbst praktisch keine eigenen Leute aufgebaut und auch bei anderen wichtigen Personalentscheiden hat er auf Leute der Clinton-Ära zurückgegriffen», sagt Straumann. Am deutlichsten zeige sich das darin, dass Clintons Frau Hillary heute Aussenministerin der USA ist. Oder auch bei der Ernennung der Juristin Elena Kagan als Richterin des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten hat sich Obama im Clinton-Pool bedient: Kagan diente Clinton als Rechtsberaterin in verschiedenen Funktionen im Weissen Haus.
Geschlecht spielt keine Rolle
Die Geschlechterfrage hält Straumann, der heute einen Lehrauftrag an der Universität Zürich und Basel hat, für die künftige Ausrichtung der amerikanischen Geldpolitik nicht für zentral. «Entscheidend ist ihre demokratische Gesinnung.»
Im Vergleich zum aktuellen Fed-Chef Ben Bernanke, der als gemässigter Republikaner gilt, dürfte Yellen noch einen Tick konsequenter eine monetaristische und keynesianische Politik verfolgen. Das heisst: Für sie steht der Staat in der Pflicht, der Konjunktur in Zeiten der Krise mit einer lockeren Geldpolitik auf die Beine zu helfen. «Zudem dürfte sich Yellen in Washington auch dafür stark machen, dass die Politik mit Investitionen die Nachfrage stützt und so die Konjunktur ankurbelt», so Straumann.
So steht Yellen insgesamt für eine Fortführung der aktuellen Geldpolitik. Sie gilt als Taube, das heisst, eine tiefe Arbeitslosigkeit zählt für sie mehr als die konsequente Einhaltung des Inflationszieles. Mit einer plötzlichen Richtungsänderung der jetzigen US-Geldpolitik wird in Ökonomenkreisen nicht gerechnet.
Für den Schweizer Wirtschaftshistoriker ist Yellen deshalb die richtige Wahl. «Der Gegenkandidaten Larry Summers wäre im aktuellen Umfeld kein gute Wahl gewesen, weil er zu unberechenbar ist», so Straumann.
Gratis-Geld-Politik geht weiter
Hinsichtlich des Ausstiegs aus der dritten Auflage der quantitativen Lockerung - des sogenannten Tapering - geht für Anleger und die Finanzmärkte damit ein eger beruhigendes Signal von der Person Yellen aus. «Yellen wird noch länger warten mit dem Tapering als Bernanke», prognostiziert Straumann.
Das ist auch für die Zinssituation in der Schweiz nicht unbedeutend. Denn die US-Geldpolitik hinterlässt auch hierzulande Spuren. So sind als Reaktion auf die Ankündigung des Tapering im vergangenen Juni die Hypothekarzinsen in der Schweiz ja deutlich angezogen.
Derzeit spielt die Tapering-Diskussion auf den Finanzmärkten aber nur eine untergeordnete Rolle. Das Geschehen wird von der aktuellen Budget-Diskussion und der drohenden technischen Zahlungsunfähigkeit der USA beherrscht. Und hier kann auch eine Fed-Chefin wenig ausrichten. Das sagen haben hier die Politiker.