Fahrdienst
Endloser Streit um Uber: Darum geht es für Fahrer, Kunden und für Schweizer Steuerzahler

Ein neues Gutachten, das von der Gewerkschaft Unia in Auftrag gegeben wurde, geht der Frage nach: Welche Folgen hat der Ausgang des Uber-Streits eigentlich für die Schweiz?

Niklaus Vontobel
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Techrevolution? Der Fahrdienst-Vermittler Uber gibt Anlass zu scharfen Diskussionen

Techrevolution? Der Fahrdienst-Vermittler Uber gibt Anlass zu scharfen Diskussionen

Richard Drew; Keystone

Uber wird bekämpft von der Unia, die Öffentlichkeit schaut zu. Vom Fahrdienst-Vermittler aus den USA verlangt die grösste Gewerkschaft der Schweiz, er müsse die Spielregeln einhalten. Er sei Arbeitgeber der Fahrer, die seine App nutzen. Uber will eine Plattform sein, die Fahrer würden ihre eigenen Chefs sein wollen. Die Öffentlichkeit mag sich fragen: Arbeitgeber oder nicht, warum soll das dermassen von Bedeutung sein? Und wenn es wichtig wäre für Uber und Unia, was geht es Herr und Frau Meier auf der Strasse an?

Derlei Fragen werden nun in einem neuen Gutachten beantwortet, das die Unia in Auftrag gegeben hat beim Basler Rechtsprofessor Kurt Pärli. Es ist eine neue Wende im Krieg der Gutachter, in dem bislang beide Seiten je zwei Gutachten für sich verbuchen konnten. Zwei Gutachter kamen zum Schluss, ja, Uber ist Arbeitgeber seiner Fahrer; zwei Gutachten kamen zum Schluss, nein, Uber ist bloss eine Plattform.

Rechtsprofessor Kurt Pärli

Rechtsprofessor Kurt Pärli

CH Media

Nun erscheint das Pärli-Gutachten und zeigt auf: gelten Uber und andere Plattformen nicht als Arbeitgeber, so hat das diese und jene Folgen für Fahrer und Kunden, für Uber selber und notabene für den Schweizer Steuerzahler.

Die Folgen ergeben sich entlang einer Kausalkette, an deren Anfang die Fahrer stehen. Das Recht muss sie nämlich einordnen. Ist Uber ihr Arbeitgeber, gelten sie als nicht selbstständig Erwerbende. Ist Uber nicht ihr Arbeitgeber, sind sie selbstständig Erwerbende. Je nach Status haben sie andere Rechte und Pflichten. Um viel Geld geht es vor allem bei den Beiträgen an diverse Versicherungen.

Worum sich alles dreht: das liebe Geld

Ein selbstständiger Fahrer erhält von Uber kein Geld für die drei Sozialversicherungen: die Vorsorge fürs Alter und für Hinterlassene (AHV), gegen Invalidität (IV) und gegen Erwerbsausfall (EO). Uber zahlt nichts, die Fahrer zahlen selber. Wären sie dagegen Nicht-Selbstständige, dann muss Uber die Hälfte zahlen.

Nach diesem Muster geht es weiter, kreuz und quer durchs Dickicht aller staatlich vorgeschriebenen Versicherungen. Berufliche Vorsorge? Als Arbeitgeber müsste Uber ab einem Mindestlohn die Hälfte zahlen. Arbeitslosenversicherung? Uber zahlt die Hälfte. Unfallversicherung? Uber zahlt alles.

Damit dreht sich alles ums liebe Geld, und zwar um viel. All die Beiträge läppern sich zusammen. Alles in allem belaufen sie sich auf 25 bis 30 Prozent eines Lohnes. Wenn in der Schweiz vielleicht 3000 Fahrer mit der Uber-App herumfahren, kommen über die Jahre schnell einmal Millionen von Franken zusammen.

Früher floss dieses Geld an die verschiedenen Versicherungen. Solang Uber nicht als Arbeitgeber gilt, wird dieses Geld neu verteilt.

Uber: tiefere Personalkosten, mehr Gewinn, zufriedene Aktionäre

Für Uber bleiben die Personalkosten deutlich tiefer. Die Aktionäre von Uber können mit höheren Gewinnen rechnen. Die Börsenbewertung ist besser. Ein grosser Investor von Uber ist beispielsweise der Staatsfond von Saudiarabien. So ist der Streit von Uber aus Kalifornien mit einer Schweizer Gewerkschaft verlinkt mit dem Königshaus von Saudi-Arabien.

Die Kunden: tiefere Preise oder Abzug von Uber

Die Kunden können sich freuen, ist Uber nicht Arbeitgeber. Die Fahrten bleiben günstiger als bei anderen Taxifahrern. Dieser Preisvorsprung entsteht, weil selbstständige Fahrer weniger Beiträge zahlen an staatliche Versicherungen. Nichts zu tun hat er hingegen mit technologischen Fortschritten.

Sollte Uber doch als Arbeitgeber gelten, werden die Fahrten teurer. Oder Uber verlässt die Schweiz. Solche Rückzüge hat der Vermittler für andere Länder angekündigt, sollte er unterliegen in der grossen Frage, Arbeitgeber oder nicht.

Die Fahrer: Ein Schönwetterkonstrukt

Die Fahrer erhalten von Uber viel weniger Geld an ihren Versicherungsschutz, wenn sie als selbstständig gelten. Sie können alles selber zahlen, wenn sie möchte. Es ist freiwillig, sich gegen Unfall oder Arbeitslosigkeit zu versichern. Zumeist sind sie schlechter gesichert gegen alle Risiken. Doch: sie müssen selber weniger Geld abliefern. Sie sparen Geld.

Doch die Selbstständigkeit ist ein Schönwetter-Konstrukt. Die Fahrer sparen, wenn alles gut geht. Werden sie nach einem Unfall invalide, ist der Regenschirm löchrig. Von der Unfallversicherung gibt es weder Taggelder noch Invalidenrente. Von der beruflichen Vorsorge gibt es keine Invalidenrenten. Ein Jahr lang haben sie gar nichts. Danach können sie von der AHV eine knappe Invalidenversicherung erhalten. Doch das reicht nirgends hin.

Der Steuerzahler: Wenn es schief geht ...

Die Fahrer werden Ergänzungsleistungen erhalten. Und an dieser Stelle betrifft die grosse Frage – Arbeitgeber oder nicht – auch Herr und Frau Meier auf der Strasse. Denn die Ergänzungsleistungen werden vom Steuerzahler beglichen werden. Wenn also Uber, die Fahrer und die Kunden sparen an den Versicherungen, dann erhält am Ende der Steuerzahler die Rechnung präsentiert.

Professor Pärli sagt: «Wenn Plattform-Konzerne ihre Beschäftigten wie Selbstständige entschädigen, dann werden die Services zwar günstiger, aber die Kosten trägt teilweise die Allgemeinheit.»

Der Streit: Ist erst im Jahre 2021 endlich Schluss?

Arbeitgeber oder nicht, der Kampf des Tech-Konzerns aus Kalifornien mit der Schweizerischen Gewerkschaft wird noch Jahre lange weitergehen. Enden wird er wohl vor dem Bundesgericht. Professor Pärli schätzt, ein endgültiger Entscheid werde frühestens im Jahre 2021 vorliegen. Im Streit vor den Gerichten befindet sich auf der Gegenseite von Uber jedoch nicht die Unia, sondern die Suva, die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt.

Und wie geht es nun weiter?

Sie Suva ist zuständig für die Unfallversicherung im Transportgewerbe. Sie muss daher mit Uber ausfechten, ob er Arbeitgeber oder nicht. Die Suva hat bereits 2017 entschieden, dass dem so sei. Das wurde von Uber angefochten. Das Sozialversicherungsgericht entschied darauf, die Suva müsse erst abklären, welche Ländereinheit von Uber denn als Arbeitgeber gelten solle. In einem neuen Entscheid, der letzte Woche öffentlich wurde, blieb die Suva nun dabei: Uber sei der Arbeitgeber. Jedoch sei es nicht Uber Schweiz, sondern Uber Niederlande. Nun wird Uber den Entscheid wohl weiterziehen

Und die Folgen für all die Arbeitnehmer, die nicht für Uber fahren?

Arbeitgeber oder nicht, wie viele Arbeitnehmer sind direkt betroffen von der Antwort auf diese Frage? Uber ist nur ein Beispiel für eine Plattform. Sind die Uber-Fahrer vor dem Recht sauber eingeordnet, so wird diese für zahlreiche andere Plattformen übernommen. Beispielsweise auch für Airbnb, das Zimmer vermittelt.

Doch wie viele Menschen in der Schweiz arbeiten überhaupt via solche Plattformen? Nicht allzu viele. Zu diesem Schluss kam ein Bericht des Bundesrates aus dem Jahre 2017. Die allermeisten Menschen seien angestellt bei einem Arbeitgeber und seien somit klar «nicht selbstständig Erwerbende». Solche Grössenordnungen besänftigen die Gewerkschaften indessen gar nicht. Sie vertreten die Interessen von Taxifahrern, die sich gegen Uber wehren wollen. Und sie glauben, dass Beispiel von Uber könne Nachahmer finden und sich weiter ausbreiten.

Das sagt Uber: Die Fahrer sind frei

Uber hat bereits reagiert auf das Gutachten von Pärli. Eine Sprecherin sagt: «Bereits seit Jahrzehnten sind Fahrer in der Schweiz selbständig. Den Fahrern, die die Uber App verwenden, steht es vollkommen frei, wann und wie sie diese nutzen möchten.» Diese Flexibilität und Freiheit seien das, was die Fahrer am meisten schätzen und man werde sich weiterhin dafür einsetzen, diese zu bewahren. «Und gleichzeitig den Schutz der Selbständigen in der Schweiz zu verbessern.»

Die Unia hat dem Gutachten gleich noch einen Medienmitteilung hinterher geschickt. «Plattform-Unternehmen wie Uber umgehen systematisch Schweizer Gesetze. Der Schaden für die Beschäftigten und für die öffentliche Hand geht in die Hunderte Millionen Franken», heisst es da. Man fordere Bund und Kantone zu raschem Handeln auf.