Fashion Valley muss abspecken

Der Modekonzern Kering mit Luxusbrands wie Gucci und Bottega Veneta verlegt 150 Arbeitsplätze vom Tessin nach Italien. Der Südkanton sieht sich als Modestandort aber nicht gefährdet.

Gerhard Lob, Lugano
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Wichtiger Tessiner Wirtschaftszweig: die Modebranche. (Bild: Pascal Le Segratain/Getty (Paris, 27. Februar 2018)

Wichtiger Tessiner Wirtschaftszweig: die Modebranche. (Bild: Pascal Le Segratain/Getty (Paris, 27. Februar 2018)

Die zum französischen Kering-Konzern gehörende Luxury Goods International (L.G.I.) SA fährt ihre Präsenz im Tessin zurück. Am Standort Cadempino bei Lugano werden 150 Arbeitsplätze abgebaut und nach Italien verlegt, wie das Unternehmen Anfang Woche bekannt gab. L.G.I. ist die Logistik- und Verteilplattform der Kering-Gruppe, zu der berühmte Brands wie Gucci, Yves Saint Laurent oder Bottega Veneta gehören.

Allen betroffenen Mitarbeitenden soll an den italienischen Standorten in Varese, Mailand oder Florenz zu gleichen Bedingungen ein Job angeboten werden. Das Unternehmen versprach eine «sozialverträgliche Transition». Details werden nun mit der Gewerkschaft OCST ausgehandelt, die sich jedoch skeptisch zeigte. Zirka 35 Mitarbeiter wohnen im Tessin, die restlichen 115 sind Grenzgänger. Bis Mitte 2019 soll der gesamte Prozess abgeschlossen sein. Für Unia-Regionalsekretär beweist der Konzern-Entscheid, dass diese Unternehmen sich ihren Standorten nicht verbunden fühlen. Begründet wird die Verlegung der Arbeitsplätze mit einem im Oktober 2017 aufgegleisten Prozess, in dem die einzelnen Marken administrativ und logistisch wieder näher an ihrer Mutterhäuser geführt werden. L.G.I. hatte sich 1996 im Tessin als Logistik- und Verteilzen­trum für die Gucci-Gruppe konstituiert und stets erweitert. Inzwischen gibt es neben Cadempino auch grosse Zentren in Bioggio und Sant’Antonino. Die Gruppe L.G.I. ist das grösste Unternehmen im Tessiner Fashion Valley, wie die Modebranche im Südkanton genannt wird. Die Gesamtbranche generiert mit 30 Unternehmen schätzungsweise einen Umsatz von 1 Milliarde Franken und einen höheren Steuerertrag als die Banken zu ihren besten Zeiten. Wichtige Marken haben sich im Tessin niedergelassen und profitieren neben der Nähe zum Modestandort Mailand, Sicherheit und einer funktionierenden Verwaltung auch von steuerlichen Vergünstigungen.

Kritik wegen Steueroptimierung

Nach dem Wegzug der Armani-Gruppe Swiss Branch von Mendrisio im Jahr 2016 nach Mailand ist es nun jedoch der zweite grössere Schlag für die Branche «Es ist eine traurige Nachricht, die uns trifft», kommentierte Stefano Rizzi, Chef des kantonalen Wirtschaftsamtes. Gleichwohl wollte er diese Nachricht nicht als negatives Signal für die Gesamtentwicklung werten. «Es wird auch investiert, gerade im Bereich Digitales und E-Commerce», sagte Rizzi am Fernsehen RSI. Das Potenzial für die Modebranche sei nach wie vor gegeben. Tatsächlich beschäftigt L.G.I. nach der Verlegung der Jobs weiterhin 800 Mitarbeitende im Tessin.

Die Gruppe Kering/Luxury Goods International hatte in den letzten Monaten und Jahren bereits für Schlagzeilen gesorgt. Insbesondere die legalen, aber von der OECD bekämpften «Steueroptimierungspraktiken» dieses multinationalen Unternehmens waren ins Schussfeld der Kritik geraten. Und Ende 2017 war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft in Mailand gegen Gucci-Topmanager wegen Steuerhinterziehung ermittelt, die offenbar nur zum Schein im Tessin angestellt waren. Nicht bekannt ist, ob die Strategie von L.G.I. zu einer Verlegung von Arbeitsplätzen nach Italien auch in Zusammenhang mit der Steuervorlage 17 stehen könnte, gegen welche das Referendum ergriffen wurde.