Swisscom
Fernsehgucker an die Macht: jeder bestimmt sein Programm selber

Die neue TV-Box von Swisscom bietet individuelles Fernsehen und eine Fernbedienung die auf Sprachbefehle reagiert - so wird jeder sein eigener TV-Programmdirektor.

Fabian Hock
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«Die Macht hat, wer im Besitz der Fernbedienung ist.» Dieser Spruch ist längst überholt – und gilt doch mehr als je zuvor. Überholt ist er, weil die Tage des gemeinschaftlichen Fernsehabends in der Familie gezählt sind. Fernsehen übers Internet auf dem Laptop oder dem Tablet ersetzt bereits für viele das TV-Gerät. Der Herrscher über die Fernbedienung entscheidet immer noch, was läuft. Nur: Wer das nicht sehen will, schaut seine Lieblingsserie einfach auf dem Smartphone. Die Macht des «Fernsehkäschtlis» schwindet.

Andererseits ist der Konsument vor dem Fernseher heute so mächtig wie nie zuvor. Dank Internetanschluss und Aufnahmefunktion kann der Nutzer aus Online-Videotheken, gespeicherten Filmen und Serien aus dutzenden Genres und verschiedenen Sprachen frei wählen. Der Konsument ersetzt den Programmdirektor: Der «Tatort» läuft nun nicht mehr exklusiv am Sonntagabend, sondern zu jeder beliebigen Zeit, sieben Tage die Woche, rund um die Uhr. Der feste Sendeplatz ist Geschichte, zeitversetztes Fernsehen ist die Zukunft. Die Macht des «Fernsehkäschtlis» wächst.

Wie mächtig der Konsument bereits ist – und wie stark seine Macht über die abendliche Unterhaltung künftig noch wachsen wird, hat gestern die Swisscom gezeigt. Der Konzern hat eine Weiterentwicklung seines Fernsehangebots präsentiert.

Neue Box, mehr Möglichkeiten

Die neue Swisscom-TV-Box gibt dem Zuschauer noch mehr Möglichkeiten der Programmgestaltung an die Hand, ohne dass dieser von der Informationsflut überrollt wird. Dafür sorgt das neue Ordnungssystem. Swisscom nennt es: Homescreen 2.0. Der Konsument soll damit einfacher aus den rund 30 000 verfügbaren TV-Sendungen und den weiteren Angeboten wählen können.

Wie wichtig Übersichtlichkeit angesichts der vielfältigen Auswahl ist, haben auch die Konkurrenten erkannt. Sunrise hat erst vor wenigen Tagen ihr TV-Update vorgestellt. Auch dieses nimmt den Zuschauer an die Hand und führt ihn durch das Fernseh-Gestrüpp hin zu den Inhalten, die er sehen will. Die Kabelnetzbetreiber haben ähnliche Angebote im Programm. Zur neuen Einfachheit bei der Swisscom trägt selbst die Fernbedienung bei: Sie reagiert auf Sprachbefehle — sogar auf Schweizerdeutsch.

Um die Konsumenten bei der Stange zu halten, wird ein weiterer Trend vorangetrieben: hochauflösend reicht nicht mehr, ultra-hochauflösend soll das Fernsehen künftig sein. In den letzten 15 Jahren haben sich die Bildschirmgrössen in Schweizer Wohnzimmern nahezu verdoppelt. Neue, grössere TV-Geräte kommen deshalb gestochen scharf daher, mit einer Auflösung viermal so hoch wie die herkömmlichen High-Definition-Geräte. Diese «4K- UHD-Technologie» wächst rasant. Bei Sunrise heisst es: «Das Angebot wird laufend mit 4K-UHD-Inhalten erweitert werden, die zunehmend am Markt verfügbar sind.» Und Swisscom teilt mit: Man werde «zu Beginn Spielfilme, Dokumentationen und Serien auf Abruf in der hohen Auflösung anbieten.» Ferner sei geplant, «ab der Saison 2016/2017 erste Spiele der Fussball-Super-League in UHD anzubieten». Marc Werner, Leiter Privatkundengeschäft und Mitglied der Konzernleitung von Swisscom, betont indes, dass die Sportevents eine untergeordnete Rolle bei der Vermarktung des TV-Angebots spielten. «Sport kommt weit hinten», sagte er gestern anlässlich der Präsentation des TV-Updates.

Serien werden immer wichtiger

Unverzichtbar für die TV-Anbieter sind inzwischen die beliebten US-Serien geworden. Anbieter wie Netflix drängen mit diesen auf den Markt und graben den TV-Anbietern mehr und mehr Kunden ab. Swisscom versucht hier, genau wie UPC Cablecom, mit einem eigenen Streaming-Dienst mitzuziehen.

Da der Kunde heute nicht mehr monatelang warten will, bis die neuste Staffel seiner Lieblingsserie nach dem Start in den USA auch in der Schweiz zu sehen ist, setzen sowohl Sunrise als auch Swisscom auf den direkten Import. «Hot from the US» nennen das die Anbieter. Nur zwei bis vier Tage muss etwa der Swisscom-Kunde warten, bis er die aktuellste Folge einer US-Serie sehen kann. Eine Flatrate dafür gibt es jedoch nicht. Für drei Franken kann eine Episode gekauft werden.

Zocken mit der Swisscom

Ein besonderes Schmankerl hat die Swisscom auch noch parat: Sie nimmt einer ganz bestimmten Gruppe eine Kaufentscheidung ab. Nämlich jener, die hin und wieder gerne mal auf dem Computer spielt, aber nicht zu viel Geld in entsprechende Hardware investieren will. Ab Anfang 2016 können diese Gelegenheitszocker einfach über die Swisscom-TV-Box spielen. Dank der neuen Gaming-Funktion können aktuellste Spiele gestreamt werden. Für Profis ist das Angebot wegen der geringen Zeitverzögerung jedoch weniger geeignet.