Überraschend hat sich Fiat Chrysler aus den Verhandlungen mit Renault zurückgezogen. Die Konzernleitung macht die Einmischung der französischen Regierung dafür verantwortlich.
Die Verlobung des italoamerikanischen Bräutigams mit der französischen Braut hat nur gerade zehn Tage gedauert: Fiat Chrysler Automobiles (FCA) hat die Liaison noch vor der geplanten Hochzeit «mit sofortiger Wirkung» platzen lassen. «In Frankreich sind die politischen Voraussetzungen derzeit nicht gegeben, damit ein solcher Zusammenschluss erfolgreich wird», teilte die FCA-Konzernleitung am Donnerstag mit. Zuvor hatte der Renault-Verwaltungsrat nach einer sechsstündigen Aussprache mitgeteilt, eine Entscheidung über förmliche Fusionsgespräche erneut zu verschieben.
Auf die Bremse getreten war insbesondere Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire. Er hatte schon am Mittwoch vor «zu viel Eile bei den Gesprächen» gewarnt: «Nehmen wir uns die Zeit, die Dinge richtig zu machen», erklärte Le Maire gegenüber dem Fernsehsender BFMTV. Der französische Staat ist an Renault mit 15 Prozent des Aktienkapitals beteiligt. Laut italienischen Medienberichten hatte der Wirtschaftsminister mehrere Bedingungen für die Fusion gestellt. Unter anderem verlangte er eine Beschäftigungsgarantie für die Arbeiter in den französischen Werken sowie einen Konzernsitz in Frankreich. Für den rein privaten FCA-Konzern war dies zu viel staatliche Einmischung.
Dennoch schimmerte im Communiqué aus der FCA-Zentrale Bedauern über das Scheitern der Gespräche durch: Man sei «weiterhin davon überzeugt, dass der Fusionsvorschlag überzeugend gewesen ist und für alle Parteien Vorteile gebracht hätte», hiess es in der Mitteilung. Gemeinsam wären die beiden Unternehmen weltweit zum drittgrössten Autohersteller mit einer Börsenkapitalisierung von rund 30 Milliarden Euro aufgestiegen. Wären auch die bereits mit Renault alliierten Nissan und Mitsubishi in den neuen Konzern integriert worden, wäre sogar der grösste Autobauer der Welt entstanden. Laut italienischen Berichten hatten sich aber nicht zuletzt auch die japanischen Partner gegen die Fusion gewehrt.
Von positiven Effekten waren auch die Börsen ausgegangen, die bei der Ankündigung der Fusionsgespräche vor zehn Tagen mit Kurssprüngen reagiert hatten und am Donnerstag vorübergehend um 3 Prozent (FCA) und über 7 Prozent (Renault) eingebrochen sind. Zumindest auf dem Papier hätte die Fusion tatsächlich ein grosses Potenzial für beide Partner gehabt: FCA verfügt dank den Chrysler-Marken in Nordamerika über ein dichtes Händlernetz und hätte so Renault den Zugang zum wichtigen US-Markt geöffnet. Renault wiederum ist dank seiner Partner Nissan und Mitsubishi in Asien stark, wo FCA bisher kaum vertreten ist.
Auch auf der Produkteebene hätten die Fusionspartner von gegenseitigem Know-how profitieren können: Renault ist weltweit einer der führenden Produzenten von Elektroautos, während FCA diese Entwicklung weitgehend verschlafen hat. Die Italoamerikaner verfügen dagegen mit Maserati und Alfa Romeo über zwei Edel-Sportwagenmarken – ein Segment, wo Renault relativ wenig zu bieten hat. Alles in allem wären FCA und Renault auf 8,7 Millionen verkaufte Fahrzeuge gekommen – zusammen mit Nissan und Mitsubishi auf über 15 Millionen.
Sowohl der französische als auch der italienisch-amerikanische Hersteller gelten in Branchenkreisen als zu klein, um langfristig alleine überleben zu können. FCA kämpft derzeit mit Absatzeinbussen auf dem italienischen Markt, während Renault noch mit den Nachwehen der Affäre um Ex-Spitzenmanager Carlos Ghosn zu kämpfen hat. Wirtschaftsminister Le Maire erklärte, dass der französische Staat als Renault-Aktionär gegen Ghosn Anzeige erstatten werde. Die Suche nach einem Partner geht nun also für beide Hersteller weiter. Es ist möglich, dass sich FCA mit dem PSA-Konzern eine andere, noch grössere französische Braut anlächeln wird. Vor dem überraschenden Fusionsangebot an Renault galten Peugeot und Citroën für FCA nämlich als idealer Partner.