FINANZIERUNG: Die Spitäler im rauen Wind

Der Schweizer Spitalmarkt wächst. Doch viele Spitäler haben in der Vergangenheit zu wenig gebaut. Die Finanzierung von Neubauten wird künftig schwieriger.

Bernard Marks
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Spitäler, wie das Kantonsspital Luzern im Bild, müssen in Zukunft mehr auf die Wirtschaftlichkeit schauen. (Archivbild Neue LZ)

Spitäler, wie das Kantonsspital Luzern im Bild, müssen in Zukunft mehr auf die Wirtschaftlichkeit schauen. (Archivbild Neue LZ)

Auf mindestens 9 Milliarden Franken schätzen Experten der Credit Suisse das Finanzierungsvolumen für Neubauprojekte aller Schweizer Spitäler. «Dieser Betrag könnte sogar nur die Spitze des Eisberges sein», sagt der Ökonom Fredy Hasenmeile gestern in Zürich. Problematisch sei die vielerorts veraltete Baustruktur der Spitäler.

Die neue Studie «Spitalmarkt im Wandel», die im Auftrag des Bundesamtes für Statistik zusammen mit der Credit Suisse erstellt wurde, zeigt auf, dass die Finanzierung von Neubauten für Schweizer Spitäler schwieriger wird. Gründe dafür sind einerseits die neue Spitalfinanzierung (SwissDRG) und andererseits der zunehmende Wettbewerbsdruck unter den Spitälern.

Luzern setzt auf die Augenklinik

Auch das Kantonsspital Luzern ist diesem Wettbewerb ausgesetzt. Eine Möglichkeit, in Zukunft trotzdem zu wachsen, sieht die Leitung des Kantonsspitals im Ausbau der Augenklinik. Die Augenklinik Luzern ist mit über 12 000 Operationen und 44 000 Patientenkontakten pro Jahr schon heute die grösste ihrer Art in der Schweiz. Jetzt soll die Augenklinik für 43 Millionen Franken sogar noch erweitert werden. Geplant ist ein sechsstöckiger Anbau an der Westseite der bisherigen Augenklinik. Das neue Gebäude wird Operationsräume, Behandlungs- und Wartezimmer sowie Büros enthalten. Die Augenklinik Luzern entwickelt sich damit zu einem nationalen Kompetenzzentrum. Andere Augenkliniken werden möglicherweise dadurch das Nachsehen haben.

Wachstum in der Zentralschweiz

Der Schweizer Gesundheitsmarkt boomt. Die Kosten für das Gesundheitswesen beliefen sich laut Studie im Jahr 2011 auf 11 Prozent des Schweizer Bruttoinlandproduktes. Das Gesundheitswesen ist somit eine der grössten Branchen der Schweiz. Betrugen die Gesamtausgaben im Jahr 1995 noch 35 Milliarden Franken, waren es im Jahr 2011 bereits 65 Milliarden Franken. Die Nachfrage nach Gesundheitsdienst­leistungen soll bis zum Jahr 2060 deutlich zunehmen. Die eidgenössische Finanzverwaltung rechnet mit einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2060 von 16 Prozent. Auch für Schweizer Spitäler fällt dabei ein Stück vom Kuchen ab.

Laut Studie ist das Wachstum in den einzelnen Regionen aufgrund des unterschiedlichen Bevölkerungswachstums und der Altersstruktur aber unterschiedlich. Neben der Region Zürich und Genf profitieren auch die Zentralschweizer Kantone stark von einer steigenden Nachfrage. In Regionen mit niedrigem Nachfragewachstum dürften vor allem kleinere Spitäler gezwungen sein, sich zu spezialisieren und mit anderen Institutionen, auch interkantonal, zu kooperieren. «Der Spitalmarkt steht daher vor einem Strukturwandel, dem sicherlich einige Spitäler zum Opfer fallen werden», sagt Hasenmeile.

Spitäler als Unternehmen

Die Gesundheitsausgaben steigen aber nicht nur aus demografischen Gründen. Einer der wichtigste Kostentreiber ist der technologische Fortschritt, also neue Behandlungs- und Diagnosemöglichkeiten. Um das künftige Kostenwachstum auffangen zu können, seien mehr Effizienz und unternehmerisches Handeln erforderlich, betonen die CS-Ökonomen. Spitäler müssen deshalb mehr denn je wie ein Unternehmen geführt werden.

Dazu gehöre es auch, sich beim medizinischen Angebot von anderen Häusern zu unterscheiden. Spitäler müssen sich der Frage stellen, ob sie langfristig wirtschaftlich sein können. Die neue Spitalfinanzierung, die seit Anfang 2012 in Kraft ist, soll dies fördern. Neu werden Spitalleistungen über einheitliche Fallpauschalen abgegolten (SwissDRG). Die Abgeltung der Spitäler durch die Krankenkassen und die Kantone erfolgt pro Behandlungsfall. Mit der neuen Finanzierung sollen öffentliche und private Spitäler gleich lange Spiesse erhalten und der Wettbewerb gefördert werden.

Doch ob mögliche Spitalneubauten künftig finanzierbar sind oder nicht, entscheiden in der Schweiz immer öfter private Geldgeber. «Zu einer Finanzierung von Bauprojekten gehört deshalb auch ein Businessplan, der Kreditgeber wie Banken oder Institutionen wie Pensionskassen überzeugt», sagt Hasenmeile. Unwirtschaftliche Spitäler werden dabei das Nachsehen haben. «Einige Spitäler werden somit nicht finanzierbar sein,» sagt dazu auch Urs Gauch, Leiter KMU-Geschäft Schweiz der CS.

Kein Renditeobjekt in Uri

Ein gutes Beispiel für das Scheitern einer solchen Finanzierung findet sich im Kanton Uri (wir berichteten). Dort soll das Kantonsspital für 100 Millionen Franken um- und neu gebaut werden. Doch über die Art der Finanzierung war man sich uneins. Die Urner Regierung entschied sich im Juli auf Eigenfinanzierung, statt auf eine Public Private Partnership (PPP) zu setzen. Die Chance, dass sich das PPP-Modell, welches die Beteiligung privater Geldgeber vorsieht, als wirtschaftlicher erweisen würde, sei gering. Zudem handle es beim Kantonsspital Uri nicht um ein Renditeobjekt. Und schliesslich würden bei rasch ändernden Rahmenbedingungen im Spitalbereich die nötige Flexibilität und der politische Einfluss für Anpassungen eingeschränkt.