2019 dürfte für die Zentralschweizer Berggebiete kein Rekordsommer werden. Die Verantwortlichen macht das aber nicht nervös.
Der Sommer dauert zwar noch ein paar Wochen, doch schon jetzt zeigt sich: Für die meisten Zentralschweizer Bergbahnen sind heuer im Vergleich zum Vorjahr keine Rekordzahlen zu erwarten. Eine Umfrage unserer Zeitung hat ergeben, dass die meisten angefragten Bahnen von tieferen oder stagnierenden Besucherzahlen im Sommer ausgehen. Hauptgrund dafür sind die hervorragenden Zahlen im Rekordsommer des Vorjahres.
«Letztes Jahr war mit dem 125-Jahr-Jubiläum der Stanserhorn-Bahn ein Ausnahmejahr. Wir gehen nicht davon aus, dass der Sommer 2019 besser sein wird», sagt etwa Jürg Balsiger, Direktor der Stanserhorn-Bahn. Ähnlich tönt es in anderen Gebieten. Wendelin Keller, Chef der Hoch-Ybrig AG: «2018 haben wir einen Rekordsommer erlebt, bis dato sind wir dieses Jahr 10 Prozent unter dem Vorjahr.» Brunni-Bahnen-Chef Thomas Küng ergänzt: «Der Umsatz liegt nach 2,5 Monaten Sommersaison bisher tiefer als im Rekordsommer 2018.»
Auch die Pilatus-Bahnen erwarten für diesen Sommer einen leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr, wie Geschäftsleitungsmitglied Tobias Thut sagt. Ein Minus verzeichnen bislang auch die Rigi Bahnen und die Engelberg-Titlis Tourismus AG.
Vereinzelt erwarten Gebiete diesen Sommer leicht bessere Zahlen. Zum Beispiel das Brienzer Rothorn an der Grenze der Kantone Luzern, Obwalden und Bern. «Die positiven Zahlen des Vorjahres zu erreichen, ist eine grosse Herausforderung. Darum ist es umso erfreulicher, dass wir momentan im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht über den Frequenzen liegen», sagt Simon Koller, Direktor der Brienz Rothorn Bahn AG. Stefan Kern, Sprecher von Andermatt Swiss Alps, sagt: «2018 war bereits ein Rekordsommer. Wir glauben, dass der Sommer 2019 insgesamt noch etwas besser werden könnte.» Zuversichtlich zeigt sich auch Peter Reinle, Stellvertretender CEO der Titlis Bergbahnen: «Wir sind 2 Prozent im Plus, der Sommer wird wahrscheinlich gleich gut oder leicht besser als im Vorjahr.» Das letztjährige Resultat zu toppen, sei bei warmen Temperaturen möglich, glaubt auch René Koller, Direktor der Bergbahnen Sörenberg.
Doch wie wichtig ist eine einzelne Saison? Für Tourismusprofessor Urs Wagenseil von der Hochschule Luzern haben diese Momentaufnahmen keine grosse Bedeutung. «Wichtig sind im Tourismus nicht einzelne Saisons oder ein einzelnes Jahr, sondern langfristige Entwicklungen», sagt er. Es sei für Bergregionen viel wichtiger, in eine nachhaltige Infrastruktur für den Sommer zu investieren, als kurzfristige Erfolgszahlen – etwa dank Dumpingpreisen – zu erzielen.
In der Tat scheinen die Zentralschweizer Bergbahnen langfristig zu denken. So bezeichnen sie einen voraussichtlich durchschnittlichen Sommer wie den aktuellen als gut. So sagt Jürg Balsiger von der Stanserhorn-Bahn, dass man derzeit «genau im Fünfjahresschnitt» liege. Marcel Murri, Geschäftsführer der Sattel-Hochstuckli AG, sagt: «Die Gästezahlen sind zwar um 12 Prozent tiefer als im Sommer 2018, bewegen sich aber im Rahmen des Fünfjahresdurchschnitts, womit wir zufrieden sind.»
Ähnlich äussert sich Thomas Küng, Chef der Brunni-Bahnen: «Gegenüber dem Fünfjahresdurchschnitt ist der Umsatz um rund 6 Prozent höher und daher kann der Sommer bisher als gut bezeichnet werden.» Auch in Engelberg liegt man im Fünfjahresschnitt derzeit leicht im Plus, wie Frédéric Füssenich, Direktor der Engelberg-Titlis Tourismus AG, sagt.
Wagenseil von der Hochschule Luzern macht sich deshalb weniger Sorgen um die touristisch relevanten Bahnen in der Region, obwohl der Schweizer Franken zuletzt wieder an Stärke zugelegt hat und diese Tatsache die Gäste aus dem Euroraum abschrecken könnte. «Die Bahnen in der Region haben in den letzten zwei Jahrzehnten die Infrastruktur und das Produktangebot für den Sommer gezielt ausgebaut mit dem Ergebnis, dass vielerorts das Sommergeschäft heute einen bedeutenderen Anteil am Ganzjahresergebnis hat als noch vor 20 Jahren», sagt Wagenseil. Damit seien die Zentralschweizer Bergregionen gut aufgestellt.
Die Sommerangebote stossen in der lokalen Bevölkerung zwar hie und da auch auf Widerstand, sie locken die Gäste aus dem In- und Ausland aber scharenweise in die Berge. Zu den Kassenschlagern gehören etwa Globis Alpenspielplatz auf dem Brunni,
die steilste Zahnradbahn der Welt auf den Pilatus,
die Cabriobahn auf das Stanserhorn,
die längste Seilrutsche Europas im Hoch-Ybrig
oder der Steinbock-Trek in Sörenberg.
Manchmal wird ein Angebot aber auch gekippt, wie etwa die sogenannten Devil-Bikes im Titlisgebiet.
Für Wagenseil von der Hochschule Luzern ist das kein Beinbruch: «Den einen oder anderen Produkt-Misserfolg können sich die Bahnen leisten. Wichtig ist, dass die Regionen – also Bergbahnen und Tourismusort zusammen – eine eigene Identität finden und nicht alle das Gleiche anbieten.» Der Tourismusprofessor sieht jenseits der häufig vergleichbaren Rodelbahnen, Mountainbikerouten und Seilrutschen noch Potenzial für Innovationen am Berg und in den Bergorten:
«Es gibt noch Luft nach oben, die Bergregionen sollten ihr eigenes Profil weiterentwickeln und schärfen, um nicht austauschbar zu werden.»