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Der US-Konzern Johnson & Johnson übernimmt die Baselbieter Biotechfirma, der Forschungsteil wird jedoch in eine separate Firma ausgegliedert.
Der Codename des Projekts hiess «Azure», zu Deutsch himmelblau. Allzu geheim waren die Verhandlungen jedoch nicht. In den letzten Wochen drangen wiederholt Gerüchte an die Öffentlichkeit.
Nun ist es beschlossene Sache: Der US-Konzern Johnson & Johnson übernimmt die Biotechfirma Actelion mit Sitz in Allschwil/BL für 30 Milliarden Dollar oder umgerechnet 280 Franken pro Actelion-Aktie. Der gebotene Preis entspricht einem Aufschlag von 90 Prozent zu jenem Schlusskurs Mitte November, als erstmals Gerüchte über einen Kauf aufkamen. Die Amerikaner beabsichtigen, mindestens 67 Prozent aller ausstehenden Aktien von Actelion zu übernehmen.
Johnson & Johnson wolle am Standort Allschwil festhalten, betonte Paul Stoffels, Forschungschef des US-Konzerns an der Medienkonferenz. Es gehe bei der Übernahme vorderhand nicht um Einsparungen, indem Synergien genutzt würden. Denn zwischen den beiden Unternehmen gebe es kaum Überschneidungen. Actelion ist vorwiegend auf Medikamente gegen Bluthochdruck in der Lunge spezialisiert, ein Gebiet, auf dem Johnson & Johnson bisher nicht tätig war.
Entsprechend sieht Stoffels keinen Grund zur Beunruhigung für die Actelion-Angestellten. Sicher werde es etwa in der Administration zu gewissen Überlappungen kommen. Johnson & Johnson beschäftige in der Schweiz rund 6000 Mitarbeiter und könne daher entsprechende Perspektiven bieten.
Wie bereits durchgesickert war, wird der Forschungsteil von Actelion, der neue Medikamente entwickelt, in eine separate Firma ausgelagert. Das derzeit noch namenlose Unternehmen wird von Actelion-Mitgründer und Chef Jean-Paul Clozel geführt.
Die neue Gesellschaft wird an die Schweizer Börse gebracht, sobald der Verkauf von Actelion an Johnson & Johnson besiegelt ist. Die Amerikaner werden 16 Prozent der Aktien der neuen Firma halten, die übrigen 84 Prozent gehen in den Besitz der Actelion-Aktionäre. Diese erhalten ihre Titel in Form einer Sachdividende.
Die neue Gesellschaft wird mit Bargeld in der Höhe von 1 Milliarde Franken ausgestattet. Eine Einkommensquelle bilden aber auch Lizenzgebühren von Johnson & Johnson. Diese stammen von zwei Entwicklungsprodukten, die an die Amerikaner übertragen werden.
Insgesamt startet die neue Firma mit 14 Wirkstoffen, die sich derzeit noch in der Entwicklung befinden. Dazu gehört ein Präparat gegen Schlaflosigkeit und ein Medikament gegen die Autoimmunkrankheit Lupus. Einen Favoriten unter den 14 Wirkstoffen mochte Clozel an der Medienkonferenz nicht benennen. «Das wäre, wie wenn ich sagen müsste, ob ich meinen Vater oder meine Mutter mehr mag.»
Von den derzeit rund 2500 Actelion-Mitarbeitern würden zwischen 600 und 700 in die neue Gesellschaft wechseln, sagte Clozel. Genauere Angaben könne er derzeit nicht machen. Er freue sich auf die neue Herausforderung, sagte Clozel. «Wir können uns jetzt wieder voll auf die Forschung und Entwicklung neuer Medikamente konzentrieren und müssen uns etwa nicht mehr um die Vermarktung der Produkte kümmern.»
Clozel selbst war zunächst gegen eine Übernahme, wie er eingestand. Bei Gesprächen mit Johnson & Johnson sei aber eine gute Lösung gefunden worden. Für ihn sei die jetzt gefundene Struktur mit der Herauslösung der Forschungsfirma essenziell gewesen. Der Preise habe natürlich auch eine Rolle gespielt.
Actelion ist eine hoch spezialisierte Pharmafirma mit Sitz in Allschwil BL, in unmittelbarer Nähe zu Basel und der französischen Grenze. Weltweit beschäftigt die Firma 2600 Angestellte, rund 1100 Mitarbeiter sind es in Allschwil.
Die Entstehung des Unternehmens ist einem Flop zu verdanken. 1996 entwickelten die Hoffmann-laRoche-Forscher Walter Fischli, Martine und Jean-Paul Clozel zwei Substanzen einer neuen Wirkstoffklasse, die zu den sogenannten «Endothelin-Rezeptor-Antagonisten» zählt. Doch die Roche sah dafür keine Zukunft und stoppte die klinische Entwicklung . Die drei Forscher verliessen das Unternehmen und gründeten Ende 1997 Actelion. Sie starteten ganz bescheiden mit einem kleinen Labor am heutigen Standort der Firma.
Die Herkunft des Namens kennen die wenigsten. Es ist eine Zusammensetzung von Act («handeln») und «Endothelium», die innerste Wandschicht in einem Blutgefäss. Die Namensidee hatte Clozels Sohn.
Von Beginn weg war Actelion auf Gefässkrankheiten spezialisiert, genauer auf Lungenbluthochdruck (Pulmonale arterielle Hypertonie). Tracleer, das erste Medikament, erhielt 2001 die Zulassung. Das Unternehmen hat heute insgesamt fünf Produkte auf dem Markt, fünf weitere sind in der Phase III der klinischen Erprobung, unter anderem gegen multiple Sklerose.
Bereits im Jahr 2000 wagte Actelion den Gang an die Börse. Die Firma erzielte 2015 einen Umsatz von über zwei Milliarden Franken und einen Nettogewinn von 548 Millionen. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres legte der Umsatz 17 Prozent zu. (STS)