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Die erste Etappe der Wiedereröffnung naht. Einige Betriebe rüsten sich für einen grossen Andrang. Andere werden von ihren Kunden aus Angst vor dem Coronavirus hingegen noch vertröstet.
Kommenden Montag kehrt wieder ein Stück Normalität ein. Nach sechs langen Wochen des Lockdowns dürfen gewisse Betriebe wieder ihre Tore öffnen. Dazu gehören Gartencenter, Baumärkte und Blumenläden. Auch Coiffeurgeschäfte, Massage-, Kosmetik- und Tattoo-Studios sowie medizinische Praxen wie Physiotherapie und Zahnärzte dürfen zurück an die Arbeit.
Die Vorfreude auf die erste von voraussichtlich drei Lockerungsetappen ist sowohl bei den Betrieben als auch bei den Konsumenten gross. Endlich kann man sich die wilde Corona-Frisur in Ordnung bringen lassen oder die gewünschten Setzlinge besorgen. Gleichzeitig wird die Vorfreude von Ängsten begleitet, sei es aus persönlicher Furcht vor dem Virus oder aus Sorge, dass die Ansteckungskurve wieder ansteigt und der Bundesrat das öffentliche Leben erneut einschränken muss.
Bei vielen Kunden dürfte die Vorfreude überwiegen: Die meisten Betriebe rechnen mit einem riesigen Ansturm, allen voran Gartencenter. «Wir bereiten uns auf einen gewaltigen Andrang vor», bestätigt etwa Johannes Zulauf, Co-Geschäftsführer des Gartencenter Zulauf in Schinznach-Dorf AG. Aufgrund der bevorstehenden Öffnung hätte die Nachfrage im Drive-Through-Verkauf und im Online-Shop nun abgenommen. «Es ist die Ruhe vor dem Sturm», glaubt Zulauf.
Er empfiehlt seinen Kunden, nicht gleich am Montag in den Laden zu stürmen, sondern ein paar Tage abzuwarten. Über seine Homepage wird das Gartencenter dann informieren, zu welchen Zeiten es besonders stark frequentiert wird und zu welchen weniger. So könne der Kundenandrang hoffentlich gelenkt werden und auch Zeitfenster für gefährdetere Personen gezeigt werden, die nicht auf einen Einkauf verzichten wollten.
Erfahrung mit der Wiedereröffnung hat bereits die Baumarkt-Kette Hornbach. In Österreich, wo das international tätige Unternehmen letzte Woche öffnen durfte, kamen die Kunden gleich am ersten Tag in Scharen. Probleme gab es offenbar nicht. «Die Stimmung unter den Leuten, die vor dem Eingang oder vor der Kasse warten mussten, war gut», berichtet Reto Kaspar, Marketingleiter von Hornbach Schweiz. «In dieser Sondersituation zeigen die Leute Geduld. Wartezeiten sind sie sich ja schon vom Einkaufen im Supermarkt gewöhnt.»
Auch der Verband Jardinsuisse, der rund 1700 Mitglieder zählt, geht von einer gesitteten Wiedereröffnung aus - und ist erleichtert, dass die Branche in die erste Lockerungs-Etappe fällt. «Wir mussten schon tonnenweise Ware wegwerfen und sind deshalb wirklich froh, dass wir endlich öffnen dürfen», sagt Sprecherin Martina Hilker. Um die angestaute Nachfrage stemmen zu können, haben die Betriebe vorgesorgt und teils ein Vielfaches der Mengen angeschafft. Der Coop-Fachmarkt Bau+Hobby zum Beispiel stellt in den Filialen die doppelten Mengen zur Verfügung.
Etwas anders ist die Situation bei Dienstleistungsbetrieben, die einen Körperkontakt erfordern: Coiffeursalons, Kosmetikstudios und Co. Gerade bei Kosmetikstudios lässt die Kundschaft noch auf sich warten. Michèle Tinembart, Inhaberin der Firma Rosenfeld Kosmetik in Luzern, erklärt wieso: «Die allermeisten unserer Kundinnen und Kunden sind im fortgeschrittenen Alter. Sie haben eher als junge Menschen das Geld und das Bedürfnis für diese Art von Pflege. Da sie zur Risikogruppe zählen, sind sie jetzt aber vorsichtig und buchen kaum Termine.»
Tinembart zeigt dafür Verständnis, hofft aber dennoch auf einige Kunden. Die Situation sei schwierig, Kosmetik sei schliesslich «immer noch ein Luxusgut». «Viele Leute haben jetzt selbst finanzielle Einbussen und werden ihr Geld nicht für Kosmetik ausgeben.»
Besser dürfte die Wiedereröffnung bei Coiffeursalons und Tattoostudios anlaufen. In beiden Fällen rechnen die Branchenverbände mit vielen Kunden. Völlig überrennt werden könnte die Kette Gidor, die trotz des Coronavirus weiterhin keine Voranmeldung verlangt. Die Kette, zu der schweizweit über 100 Filialen gehören, bestätigt, dass sie sich auf ein «grösseres Kundenaufkommen» vorbereitet hat. Gleiches gilt wohl für die 16 Filialen von Cut&Color – aufgrund der Vorbereitungshektik hatte für eine Auskunft niemand Zeit.
Anders als die Coiffeurkette Gidor lassen viele Tattoostudios nur Kunden mit einem Termin rein. «So können wir den Andrang steuern und einfacher kontrollieren, wie viele Leute in den Laden kommen, sagt Florian van Dusseldorp», Chef der Giahi-Studios für Tattoos und Piercings. Auch bei ihnen sei die Nachfrage im Moment höher als vor der Schliessung. «Je nach Mitarbeiter sind wir drei bis acht Wochen ausgebucht. Wir können es kaum erwarten, unsere Läden wieder öffnen zu können.»
Trotz der Freude ist aber noch Vorsicht geboten. Damit sich das Coronavirus nicht wieder stärker verbreitet, wird die Öffnung von Schutzkonzepten begleitet. Dazu gab es im Vorfeld allerdings Unsicherheiten. Viele Betriebe wussten lange nicht, ob ihre eingereichten Konzepte vom Bund bewilligt werden. Am Mittwoch hat der Bund nun Musterkonzepte zur Verfügung gestellt, die von den Verbänden und Betrieben individuell angepasst werden können.
Die Kontrolle liegt bei den Kantonen. Setzt ein Betrieb die Massnahmen ungenügend um, kann er geschlossen werden. Für sämtliche Betriebe gelten die bekannten Hygiene- und Abstandvorschriften sowie der reduzierte Einlass. Bei Betrieben mit Körperkontakt kommt das Tragen von Schutzmasken und Einweghandschuhen hinzu.