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Julius Bär ist in mutmassliche Korruptionsfälle verwickelt und hat bei Geldwäscherei-Verdacht nicht gehandelt. Eine Expertin kritisiert die risikoaffinen Anreizsysteme der Privatbank scharf.
Schwere Rüge für die Privatbank Julius Bär: Die Finanzmarktaufsicht (Finma) kritisiert sie wegen schweren Mängeln bei der Bekämpfung der Geldwäscherei im Zeitraum von 2009 bis Anfang 2018. Im Zusammenhang mit den mutmasslichen Korruptionsfällen rund um den venezolanischen Ölkonzern PDVSA und dem Fussballverband Fifa habe Julius Bär ihre Sorgfaltspflichten nicht eingehalten und gegen Meldepflichten verstossen.
Insgesamt waren Transaktionen in Milliardenhöhe betroffen. Der Zeitraum fällt mit der Ära von Ex-Chef Boris Collardi zusammen, der in der Branche für seine Risikoaffinität bekannt war. Gerade als die Finma Ende 2017 das Verfahren gegen Julius Bär eröffnete, wechselte er zur Genfer Privatbank Pictet.
Laut der Mitteilung der Finma lag bei Julius Bär vieles im Argen: Fast alle der 70 untersuchten Geschäftsbeziehungen und die überwiegende Zahl der mehr als 150 geprüften Transaktionsstichproben waren zu beanstanden. Konkret habe die Bank die Identität von Kunden sowie den Zweck und die Hintergründe ihrer Geschäftsbeziehungen ungenügend abgeklärt.
Fehler wurden dabei nicht nur von einzelnen Kundenberatern gemacht, die Finma stellte auch systemische Mängel in der Organisation, im Risikomanagement und im Vergütungsmodell fest. Will heissen: Belohnt wurden diejenigen, die der Bank viel Geld einbrachten. Ob sie die Regeln einhielten, war unwesentlich. Die Finma beurteilt den Fall als schwersten Verstoss gegen die Finanzmarktgesetze in den letzten Jahren, wie ein Sprecher sagt.
Ebenso sieht dies die Rechtsprofessorin Monika Roth, die sich auf Compliance-Fragen im Finanzsektor spezialisiert hat: «Die ganze Unternehmenskultur war marode. Die Bank hat sich verhalten wie im letzten Jahrhundert, als die Finanzbranche noch deutlich weniger reguliert war.» Das schade nicht nur Julius Bär, sondern dem ganzen Schweizer Finanzplatz.
Roth kritisiert in erster Linie das rein monetär ausgelegte Anreizsystem: «Geld stand bei der Bank über allem. Sie belohnte die Zahlen, ohne zu fragen, wie sie zustande kamen. Und bei Zweifeln schaute man grosszügig weg.» Aus ihrer Sicht würden die Schweizer Geldwäscherei-Regeln eigentlich reichen – die Banken müsste sie einfach umsetzen. «Der Verwaltungsrat trägt dafür die letzte Verantwortung. Man fragt sich deshalb schon, wo er die ganze Zeit hingeschaut hat.»
Die Finma greift jetzt bei der Privatbank durch: Julius Bär muss wirkungsvolle Massnahmen zur Durchsetzung der geldwäschereirechtlichen Pflichten ergreifen, die Lohn- und Boni-Politik korrigieren und bereits eingeleitete Massnahmen rasch umsetzen. Einschneidend für die Bank dürfte sein, dass sie bis dahin keine grossen Zukäufe tätigen darf. Die Umsetzung wird von einem unabhängigen Beauftragten überwacht. In einer Mitteilung anerkannte Julius Bär die Mängel in der Geldwäschereibekämpfung. Die Bank betonte, bereits im Verlauf der Untersuchung umfassende Massnahmen ergriffen zu haben.
Folgen dürfte der Fall nicht zuletzt auch für Ex-Chef Collardi haben: Die Finma klärt in einem nächsten Schritt ab, ob sie Verfahren gegen Einzelpersonen eröffnen wird. Als schärfste Sanktionsmöglichkeit könnte sie ein Berufsverbot aussprechen – was Monika Roth im Fall von Collardi für denkbar hält.