GELDPOLITIK: EZB-Rat lässt sich nicht drängen

Mario Draghi versucht, mit einer vorsichtigen Kommunikation die Aufwertung des Euros zu bremsen. Der Präsident der Europäischen Zentralbank verspricht Entscheidungen zur Europolitik für Ende Oktober.

Daniel Zulauf
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Der Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. (Bild: Armando Babani/EPA (7. September 2017))

Der Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. (Bild: Armando Babani/EPA (7. September 2017))

Daniel Zulauf

Es war eine mit Spannung erwartete geldpolitische Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB). Doch die auf einen raschen Kurswechsel drängenden Vertreter verschiedener nordeuropäischer Länder unter Führung Deutschlands sahen sich zum wiederholten Mal überstimmt.

Das 25-köpfige Gremium, das aus den sechs Direktionsmitgliedern der EZB und den Notenbankgouverneuren der 19 Euroländer zusammengesetzt ist, hat gestern keinen Plan verabschiedet, nach dem das im März 2015 gestartete Anleihenkaufprogramm zurückgefahren und schliesslich beendet werden soll.

Sechs Millionen Arbeitsplätze entstanden

Die EZB hat in den zurückliegenden 30 Monaten bereits mehr als 2200 Milliarden Euro zum Aufkauf von Schuldpapieren europäischer Staaten und Unternehmen ausgegeben und damit eine deutliche Reduktion des Zinsniveaus für langfristige Schulden bewirkt. «Alle Länder haben enorm von unserer akkommodierenden Geldpolitik profitiert», sagte Draghi in der Medienkonferenz und verwies auf den Umstand, dass in der Eurozone seit 2013 rund sechs Millionen Arbeitsplätze entstanden seien.

Der Italiener will die Fortsetzung dieser positiven Entwicklung unter keinen Umständen gefährden. Für das laufende Jahr hat die EZB die Wachstumspro­gnose für den Währungsraum von 1,9 Prozent auf 2,2 Prozent angehoben. Vor allem in Deutschland stellen sich viele Wirtschaftsvertreter, Ökonomen und teilweise auch Politiker auf den Standpunkt, dass die Grundlage für eine Fortsetzung dieser expansiven Politik nicht mehr gegeben sei und deren Risiken den Nutzen bei weitem überwiege. Sie verweisen auf die steigenden Inflationsraten, welche die EZB auf ein Niveau von knapp unter 2 Prozent zurückführen möchte. Im laufenden Jahr rechnet die EZB mit einer Teuerung von 1,5 Prozent. Für die kommenden zwei Jahre hat die Notenbank ihre eigenen Inflationsprognosen nun aber leicht nach unten korrigiert (2018 auf 1,2 Prozent und 2019 auf 1,5 Prozent) und dies mit der Erstarkung des Euro begründet. Seit Anfang Jahr hat die Gemeinschaftswährung im Vergleich zum Dollar rund 15 Prozent an Wert gewonnen. Auch zum Franken hat der Euro in diesem Zeitraum rund 7 Prozent zugelegt. Draghi sagte, die Währungsentwicklung erhöhe die Unsicherheit über die künftige Entwicklung. Dennoch erklärte er, der EZB-Rat werde an seiner nächsten geldpolitischen Sitzung vom 26. Oktober «wahrscheinlich den Grossteil der Entscheidungen treffen», die für das weitere Vorgehen nötig seien.

Euro gewinnt an Wert

Das Anleihenkaufprogramm läuft Ende Dezember aus. Es wird erwartet, dass es auf einem verminderten Niveau um weitere sechs Monate oder mehr verlängert wird. Aufgrund dieser Erwartung ist auch der Wert des Euro gestiegen. Aus der gestrigen Reaktion der Devisenmärkte, die den Euro auf über 1,20 Dollar und zeitweise auf fast 1,15 Franken steigen liess, wird deutlich, dass sich an dieser Erwartung nichts geändert hat.

Draghi dürfte mit seiner vorsichtigen Kommunikation nicht zuletzt bestrebt sein, eine weitere Aufwertung der europäischen Valuta zu verhindern. Das nordeuropäische Drängen auf einen raschen Kurswechsel scheint den Spielraum des obersten Euro-Wächters allerdings zusehends einzuengen. Bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wäre ein Kurswechsel der EZB hochwillkommen, weil sie damit weniger unternehmen müsste, um den teuren Franken zu bremsen. Am Zinsniveau dürfte sich allerdings noch länger nichts ändern. Dra­ghi gab zu verstehen, dass die EZB ihre Nullzinspolitik auf unbestimmte Zeit fortzusetzen gedenke. Damit sind auch der SNB Grenzen bei einer Aufweichung des Negativzinsregimes gesetzt.